Des Piraten neue Kleider (die wir nicht sehen wollen)

Natürlich war sie kurz aufgeflammt, diese Hoffnung, dass wir gemeint seien. Wir, das ist doch dem Selbstverständnis nach eben jene Generation, die in vermeintlich politischer Duldungsstarre verfallen war, aber in Wirklichkeit – ganz echt und ehrlich – nur gebannt auf das Zeichen wartete. Wir hatten das doch mitbekommen: 68, bei unseren Eltern. 86 bei unseren älteren Geschwistern. Doch wo war unsere Revolution?

Klar standen wir mit Palituch und Antifa-Stickern rauchend auf dem Schulhof. Einige lasen sogar Marx! Aber wenn wir ehrlich waren, wussten wir schon damals um die Posenhaftigkeit all dessen. Wir waren ja nicht dumm. Im Gegenteil! Wir waren abgeklärt! Abgeklärter als alle, die vor uns parolenschreiend durch die Institutionen marschierten. Denn wir hatten ihnen schließlich aufmerksam dabei zugesehen.

Wenn wir ehrlich sind, haben wir die Politisierung unserer älteren Geschwister aufgetragen.

Niemand brachte dieses Lebensgefühl besser auf dem Punkt als Tocotronic mit dem Titel „Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein„. Tja, wir warten immer noch. Einige haben sich längst damit angefreundet und machen was aus ihrem Leben. Andere, wie ich, schieben ihr Erwachsenwerden einfach Jahr für Jahr auf, nur für die Chance dabei sein zu können. Dann. Falls.

Da ist es nicht verwunderlich wenn die Ohren gespitzt werden, sobald sich eine neue politische Kraft formiert. Das alles da, um die Szene im Netz. Die Blogger, die Aktivisten, die Petition und jetzt sogar noch ne ganze Partei! Geil! Und so wird das bereits eingemottete, zumindest leicht eingerostete politische Rüstzeugt wieder entstaubt und gleich geschultert und kaum will man losmarschieren – gen Weltrevolution – gibt der stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei der Jungen Freiheit ein Interview!

Uff! Ist der denn doof? Hat der denn nie gegen Rechts demonstriert? Weiß der denn nicht, dass man mit „denen“ nicht redet? Hat er kein Gespür dafür, wie rechte Ideologismen in den Ritzen der politischen Überzeugungen durch eben solche Lecks sickern? Weiß der das alles denn nicht, was bereits bei uns auf dem Pausenhof schon Konsens war?

Was die Piraten alles nicht wissen. Der Spinner Thiesen, ein ganz normaler Spinner, wie es ihn im Internet zu hauf gibt? Mitnichten! Seine Ansichten können leicht als Holocaustleugnung ausgelegt werden! Ho. lo. caust! Kapische? Historikerstreit, anyone? Weiter zu Emanzipation: Genderdiskurs? Fehlanzeige! Außer Dummejungenwitze ist da nicht viel zu holen! Judith Butler? Kennt keiner. Schlimmer: interessiert keinen! Was kommt als nächstes? „Atomkraft FTW!„? Wackersdorf würde sich im Graben umdrehen!

Und da stehen wir und hauen uns mit dem Handrücken gegen die Stirn. Wir, die wir alle Mittel und Wege besäßen die kommende Weltrevolution verantwortungsvoll, gerecht und politisch korrekt zu gestalten. Und uns fragt keiner! Die interessieren sich einfach nicht für unsere schönen und ausgereiften Diskurse! Unsere Dogmen und Kategorien, jahrzehntelang unter vielen Schmerzen ausgehandelt. Die DOs und DON’Ts der politischen Gradwanderungen in diesem Minenfeld.

Kann es vielleicht sein, dass das gar nicht unsere Revolution ist? Kann es sein, dass sich dort eine Generation politisiert, der die politische Kultur, die wir schon auftragen mussten, viel zu muffig ist? Zu verkopft und akademisch? Dass sie mit ihrer Lebensrealität schlicht nichts zu tun hat, oder wenn, nur eine untergeordnete Rolle spielt?

Und: Kann es vielleicht sein, dass das gut so ist? Dass genau dort die Chance auf eben all dies besteht, was wir nicht hinbekommen haben? Eine Jungendbewegung. Mit eigenen Inhalten, eigenen Forderungen, eigenen Notwendigkeiten? Und dass wir – egal wie progressiv wir uns auch wähnen – die alten Meckerköppe sind, die jetzt rumkrakelen, weil die Jugend nicht nach unseren Regeln spielt? Diese ungewaschenen Gammler, die!

Ich habe schon lange den Eindruck, dass auch viele, die sich an der Spitze der digitalen Revolution glauben, noch lange nicht begriffen haben, welche Konsequenzen sich aus all dem ergeben. Insbesondere für das, was wir Information nennen. Dass die bekannten Diskurse, ob diese oder jene Information jetzt zulässig ist oder nur jene andere, rein akademische Fürze im Luftleeren Raum sind. Weil das Internet all diese Fragen auf die einzige Binäre Gretchenfrage zusammen dampft: Versuchen wir den aussichtslosen Kampf mit allen (auch totalitären) Mitteln zu führen, die Informationen im Internet zu kontrollieren oder akzeptieren wir, dass jede mögliche Information für immer von jedem abrufbar bleibt? – Das klingt radikal, vielleicht ist es das auch. Aber in dieser Welt, gibt es nur diese zwei Möglichkeiten. Das Internet ist so.

Hieran merkt man, dass sich der politische Diskurs von morgen längst auf anderen Ebenen stattfindet, als dem, was wir seit dem Schulhof kennen. Es ist nicht mehr der Kampf zwischen guter (links, Investigativer Journalismus, Kunst) und schlechter (rechts, Kinderpornos, Lügen) Information, sondern zwischen absoluter Kontrolle oder absoluter Freiheit der Information, zwischen Transparenz und Geheimwissen, Offenheit und Hermetik. Und hier gibt es keine Zwischentöne, nichts, was man aushandeln kann.

Natürlich bleibt auch dann noch genug auszuhandeln. Wie man damit umgeht, beispielsweise, dass die Gesellschaft nicht nur zum großen Teil sexistisch ist, sondern das auch noch öffentlich preisgibt. Dass es nicht nur Rechtsextreme gibt, sondern dass man sie nicht daran hindern kann, das auch noch Kund zu tun. Dass es unter den Menschen nicht nur Spinner gibt, die den ganzen Tag Müll erzählen, sondern das auch noch für jedermann lesbar in Netz kippen können. Dass Kinder hinter jedem Link wertvolle Erziehung erfahren können oder mit Gehirn-Schrott indoktriniert werden. Mal so mal so.

Niemand hat behauptet, dass sie gut riecht, die Freiheit.

100 Gedanken zu „Des Piraten neue Kleider (die wir nicht sehen wollen)

  1. … nein, bleibst du nicht. „Hä?“, nicht mehr und nicht weniger gibts dazu zu sagen.

  2. ich hoffe mal, dass ich nicht der einzige bin, der diesen text _grossartig_ findet!

  3. Wenn ich böse wäre, würde ich sagen: Du machst Jan Fleischhauer alle Ehre: Du beschreibst die Pose, aber nicht den Inhalt.

    Aber bleiben wir sachlich: Ich hätte ja wirklich gerne gewusst, welches die Inhalte und Werte sind, die diese Jugendbewegung hat.

  4. Die alten Themen- Kipo, Rechte, Gender – mal überraschend anders, und zum Ende hin immer mehr saugut werdend abgehandelt. Good Job! Einige unbewußte Fragen, die in mir durch die laufende Debatte keimten, ans Licht gebracht und bedenkenswert beantwortet. Ich weiß noch nicht, ob ich voll zustimme — muß noch nachdenken. Aber ich habe ein gutes Gefühl. Danke!

  5. Danke für den guten und differenzierten Artikel, auch wenn da naturgemäß mehr Fragen bleiben als es Antworten gibt.
    Aber die Kernaussage finde ich wichtig: es ist eben eine andere, neue Art der Politisierung, die die bisherigen Schemen sprengt. Das irritiert viele. Die Piraten interessiert es nicht, was links und rechts schwätzen und das ist gewissermaßen auch gut: eben weil es sie nicht interessiert.

    Ja, die Piraten sind in vielen Gebieten unerfahren. Das bestreitet keiner. Es nervt daher, wenn viele Leute offenbar meinen, die Piraten müssten unbedingt erfahrener mit dem rechten Rand sein als z.B. der ZdJ es war (obwohl das eindeutig viel mehr im Kompetenzgebiet letzterer liegt). Oder wenn man sie sofort für unwählbar erklärt, obwohl sie noch nicht mal die Chance haben, in den Bundestag zu kommen.

    Viele Piraten sind Nerds und da sind naturgemäß merkwürdige Gestalten darunter. Man muss ihnen eine Chance geben zu wachsen.

  6. Dein Artikel macht meinen Artikel-in-Progress fast überflüssig. Aber ich schreib ihn dennoch. Bäh. 🙂

  7. Wow, da hat sich aber mal jemand endlich mal wirklich differenziert Gedanken gemacht und das Ganze auch mal von einer sehr interessanten Seite beleuchtet. Ich ziehe mich jetzt ins Reallife zum Drübernachdenken zurück 🙂

  8. genau, Freiheit stinkt. Meine ich ernst.

    Internet stinkt.

    Es ist kein Utopia mit Friede, Freude, Eierkuchen.
    Wir tanzen nicht unter dem Regenbogen und lieben uns alle.

    Man muss es sich bewusst machen, dass es Dreck gibt ohne Ende.
    Aber es gibt auch die schönen und utopischen Dinge.

    Will die Freiheit für sich selbst muss man lernen und akzeptieren das sie für alle gilt.
    Deine Meinung sehen andere auch als Dreck an.

    Menschen lügen und erzählen Scheiße, nicht nur im Netz, aber da ist es oft schwer zu differenzieren und es gibt so viel davon.

    Man muss lernen zu differenzieren, zu hinterfragen, kritisch zu sein

    Denk Selbst!

    Übrigens der Grundsatz der Piraten der mich am meisten beeindruckt hat

  9. Fred, zunächst einmal – wenn man es denn irgendwie in bekannte Schemen einsortieren will – sowas wie anarcholiberalismus?. ich schätze wir müssen aber schlicht geduldig abwarten, bis die Begriffe die Bewegung eingeholt haben.

  10. Endlich kommen wir zum Kern der Sache.

    „Es ist nicht mehr der Kampf zwischen guter … und schlechter … Information, sondern zwischen absoluter Kontrolle oder absoluter Freiheit der Information, zwischen Transparenz und Geheimwissen, Offenheit und Hermetik. Und hier gibt es keine Zwischentöne, nichts, was man aushandeln kann.“

    Sehr gut geschrieben. Wenn das die etablierten Parteien verstehen und auch umsetzen könnten (allein ich sehe nicht das Interesse bei ihnen), können wir uns wieder hinter unsere Monitore verkriechen, einfach unseren Berufen und Hobbys nachgehen bzw. uns aktiv in den etablierten Parteien engagieren oder auch die Piratenpartei in die Regierungsverantwortung führen.

  11. Ob ich die hier von mspro dargelegten Überlegungen teile, weiss ich noch nicht, muss ich erst noch weiter drüber nachdenken. Trotzdem gibt es mindestens drei Stellen, wo mein „hä“ (Jg. 1975) festhakt: in der Konstruktion der „digital natives“ als Alterität, in der Frage, ob Netzbewegung tatsächlich eine Generationenfrage ist – und letztlich vor allem darin: wenn das alles so stimmen sollte, Piraten als authentische Jugendbewegung der nach 1989 geborenen – warum um Himmels willen dann die Parteiförmigkeit (mit Führungspersonal um die 40 und aus dem heise-Forum)?

  12. Till, ich verstehe die Piraten nicht als Bewegung, sondern nur als parlermrntarischer Arm der Bewegung.

  13. Danke. Du formulierst prägnant was mir seit Tagen durchs Hirn schwirrt im Hinblick auf die Links.Rechts-politisiert sozialisiert Defiitionsmacht-Frage. Genau da sehe ich den Knackpunkt auch, bei dieser grünalternativlinkszementierten Wahrnehmung die abwertet was nicht in die eigenen Schubladen passt. Dass es genau daher kommt dass sich – ich will nicht sagen eine Generation, sondern: eine Lebensrealität – in diesem Diskursuniversum nicht (mehr, vielleicht noch nie) wiederfindet, wollen manche Leute einfach nicht kapieren. Draufhauen ist dann viel einfacher.

  14. Für die erste Hälfte gibt es eine flauschige Umarmung: das Problem unserer Generation (?) wunderbar auf den Punkt. So ein Golfkrieg (1990) war eben nicht Vietnam.

    Zweite Hälfte: uh. Hier beschreibst Du Anarchie. Vor der habe ich natürlich immer und ständig Angst. Das geht ins Auge!

    Mein Problem mit den Piraten ist das sich zumindest ihre Anhängerschaft, also das was sich in den Kommentaren zu Blogeinträgen über Piraten zusammenrottet, erschütternd apolitisch ist. Und wie zuletzt auf Spreeblick zu lesen kann man das politische eben nicht durch „Sachargumente“ ersetzen.

    Nein: ich will nicht von Leuten regiert werden (auch in keiner Koalition) die noch nie von Historikerstreit und Buttler gehört haben. Und hier greift glaube ich das Credo „das lernen die schon noch wenn sie erst mal Zeit haben“ nicht:

    Nein, das INTERESSIERT die einfach nicht. Punkt. Die werden sich nicht über den Wikipedia-Eintrag hinaus damit beschäftigen.

  15. Nicht häh?! sondern philosophisch wertvoll 😀

    Mit der Einschänkung das es eben nicht nur 0 und 1 gibt sondern einen Weg entweder in die Freiheit oder in die wie du es ausdrückst einen Weg in die Hermetik.

    Ich nehm den Weg der Freiheit. Und das aus Überzeugung.

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  17. Toller Artikel.
    @Fred: „Inhalte und Werte“ Darum gehts nicht und es ist sehr schade, dass das kaum jemand begreift. Es geht „dieser Jugendbewegung“ nicht um die Verbreitung irgendeiner Ideologie, sondern um so etwas wie Fortschritt. http://www.cicero.de/97.php?item=4100 liest sich gut hierzu. ‚Wir‘ kriegen das Gefühl, dass das Land von Menschen regiert wird, die keinerlei Bezug haben zu der Wirklichkeit haben, in der wir leben. Stell dir mal vor, 1980 wäre der Generationenunterschied in Bezug auf Fernsehen so groß gewesen, wir er heute ist, wenn es ums Internet geht. Die neue Generation ist meiner Meinung nach eine Geschichtsignorante, was den Vorteil hat, dass nicht immer gleich „Nazi“ geschrieen wird, oder Stalin/Trotzki verherrlicht wird; was aber auch dazu führt, dass die JF Interviews kriegt (imo ist das auch gut…) und die Piratenpartei Piratenpartei und nicht Fortschrittspartei heißt.

    Und bei aller Blogpolitik begreifen das auch die Blogger irgendwie nicht. Nur weil es hier welchen um Internet geht, geht es noch lange nicht um Twitter, Lobo und Spreeblick, sondern eher um myspace, rapidshare und youporn/tube. Die Piratenpartei muss es schaffen, diese Jugendlichen anzusprechen; die Myspace’ler statt die Kellerkinder.

  18. Ja was wenn es diese DOs und DON’Ts nicht mehr gäbe? Wenn man sich selber bemüht und wie ein kleines Kind einfach mal alles anfasst und nicht der große Onkel einem sagt was wir anfassen dürfen?
    Sprech und lese Verbote und „Mit denen aber nicht“ und nur so darfst du das machen. Selbstzensur bis hin zum Gedankenverbot (Dein Sprech steckt an).

    Vielleicht hätte ich es ganz anders ausgedrückt, aber gesagt habe ich es schon.

    Die Meinungsfreiheit die ich meine, ist nicht nur meine.

    Viele Grüße

    insideX

  19. vielleicht nehm ich das auch wieder zurück mit dem hauptwiderspruch. ich bin wirklich unentscheiden. für die netzbewegung scheint zurzeit die frage nach freier information vs kontrolle schon im zentrum des politischen diskurses zu stehen, aber eigentlich glaube ich, dass die kämpfe und konflikte pluraler sind. und demnach ist es auch nicht getan, „die kids“ mal machen zu lassen (ich würde die generationenfrage ähnlich wie till in frage stellen, auch wenn es mir am samstag auf der demo auch so vorkam, als wäre das ein generationending). ausgehandelt werden muss ja. das schreibst du ja am ende.

  20. Pingback: warum die piratenpartei von den a-bloggern gedisst wird « qrios

  21. Pingback: Ute Hauth (miradlo) 's status on Thursday, 17-Sep-09 16:52:29 UTC - Identi.ca

  22. gerade heute und gestern abend diese diskussion sehr ausführlich und intensiv geführt. fühle mich von dir schön zusammengefasst! 🙂

  23. @christoph Inhalte und Werte sind eine Ideologie? Und es geht tatsächlich nur darum, nicht richtig wahrgenommen zu werden? Ganz im Ernst: ist das nicht sehr narzistisch?

    (Ich frage das, ohne despektierlich sein zu wollen: ich verstehs einfach nicht. Und mir geht mspr0s väterlicher Blick auf das alles auch ab.)

  24. Ach Fred, jetzt tu doch nicht so. Wenn, dann sind wir beide väterlich. Nur bist Du der strenge, unverständige Vater und ich der wohlwollende, vertrauende 😉

  25. Du hast absolut den Punkt getroffen.
    Du hast die ganzen Kritiker aber mal so richtig platt zum Strich gemacht |
    Da setz ich dann aber nochmal einen Punkt drunter !
    Häh?

  26. Wow, danke.

    Du formulierst sehr gut was mir heute durch den Kopf schwirrt und noch etwas weiter. Ich glaube, ich hänge wirklich noch zu sehr in den Kategorien der Einteilung, die ich doch hoffte schon hinter mir gelassen zu haben.

    Danke für diesen Augenöffner, ich geh dann mal offline, noch ein bissl drüber nachdenken,,,

  27. Pingback: Daniel Schweighöfer (acid) 's status on Thursday, 17-Sep-09 17:51:23 UTC - Identi.ca

  28. Internet ist doch auch nur Gestell! Ach, was red‘ ich, ihr seid doch alle seinsvergessen! 😉

  29. Ich versuch gerade, Dich mir mit Bierbauch, Pfeife und grauem Vollbart vorzustellen, und ich muss sagen: ja, doch, das kommt hin.

    Im Ernst: Wenn man sich die Auswirkungen anschaut, wer wird gerade auseinandergenommen, und wer hat von der ganzen Scheiße profitiert? Die JF wird allerorten von Piraten verteidigt, während die Piraten dank des Hinweises auf z.B. den Fragebogens von Seipenbusch die Piraten noch ein Stück mehr auseinanderreißt.

    (Und wer tatsächlich glaubt, ein einziger JF-Leser würde jetzt Piraten wählen, dem muss ich sagen, was damals schon der Knobloch gesagt wurde: das ist Wunschdenken.

    „Deswegen gelte es, neben öffentlichen Protestaktionen, auch rechtsradikale Jugendliche, bevorzugt solche, die in ihren Ansichten noch nicht gefestigt seien, direkt anzusprechen. Das Medium einer Zeitschrift der extremen Rechten ermögliche es dabei, in die abgekapselte Welt der Nazimilieus vorzudringen.

    „Diese Vorstellung ist naiv“, führte Thomas Lill, Mitarbeiter im Arbeitskreis Antifaschismus der Fachhochschule Düsseldorf, auf Nachfrage der bsz dazu aus: „Zum einen hat Sebastian Jobelius eine völlig falsches Bild von der Leserschaft der Jungen Freiheit. Das ist weniger der jugendliche Nazi-Mitläufer als vielmehr der Alte Herr einer ultrarechten Burschenschaft. Und bei dem ist in Punkto Überzeugen Hopfen und Malz verloren. Und selbst wenn Sebastian Jobelius einen Text in einer Zeitschrift für jugendliche Neonazis plazieren könnte, sollte er nicht vergessen: Die sozialpädagogische Forschung ist sich weitgehend einig, daß jugendliche Nazis nur zu überzeugen sind, wenn man aus einer Position der Stärke zu ihnen spricht, also die Rahmenbedingungen für das Gespräch ebenso bestimmt wie dessen Ablauf und dabei klare Grenzen für das Gespräch setzt.“

    http://www.ruhr-uni-bochum.de/bsz/517/517jusojf.htm)

    Und das ist beileibe keine Wertediskussion, die man dann führen muss: sondern eine simple Kosten-Nutzen-Rechnung. Das Problem ist: Wer mit den Ganzganzrechten spielt, den geben die so schnell nicht mehr her. Das ist gar keine Frage von „ich hab mal Marx durchgeblättert“, sondern schlicht die Erfahrung, die man aus Knobloch und Co hätte ziehen können. Meiner Meinung nach müssen, aber okay, das ist Ansichtssache.

  30. Wunderbarer Artikel, habe mich ehrlich gesagt selten so verstanden gefühlt in meiner verschämt kaschierten politikverdrossenheit (oder doch schon a-politisch-sein?) nur eine Frage: geht es hier wirklich um Generationen? Viele Piraten scheinen doch auch aus der 86er, einige sogar aus der 68er Generation zu kommen. Jetzt so altersmäßig. Sind die wirklich „nach uns“? Das interessante an den Piraten ist doch, dass sie gerade da unsere gesellschaft spiegeln: Ideologische Grenzen ziehen sich nicht mehr zwischen Generationen. Sondern durch sie hindurch. Und noch viel verwirrender: Durch Ideologien hindurch! Deswegen gerade bleiben sie doch Single Issue. Weil sie sich in anderen Bereichen gar nicht einigen könnten.

  31. Ach je. Ich wollte jetzt gar nicht das alte Fass aufmachen, ob das Interview jetzt gut oder schlecht war. Darum geht es mir gar nicht. Natürlich ist es schlecht. Für die Piraten. Natürlich ist es gut, für die JF. Und damit ist es gesamtgesellschaftlich schlecht. Punkt.

    Nur ist mit der JF zu reden- wenn nicht schon folgerichtig – so doch nachvollziehbare Naivität. Und damit verzeihbar.

    DoppelM und andere.

    Das Generationendings ist natürlich – wie im übrigen alle Generationendingse – völliger Quatsch und nur der erbärmliche Versuch eine Unterscheidung zuzuspitzen.

  32. Ich würde auch nicht von einer Generation reden, sondern von einer Politisierung, die bei Menschen unterschiedlicher Generationen stattgefunden hat. Die Gefahr sehen diese Menschen in einem zensierten Netz und nicht bei Rechtsradikalen. Find ich schon ok.

  33. Die Piraten überwinden alte, ideell besetzte politische Diskussionen. Wer auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung steht, egal ob links oder rechts, ob kapitalistisch oder anti-kapitalistisch, ob Frau oder Mann, ist herzlich eingeladen an der neuen, freiheitlichen, entpolitisierten (sic!) Politik mitzuwirken.
    Ja, das ist schwer zu verstehen und als positiv zu erkennen, vor allem auch für die „alte revolutionäre Avantgarde“. Herbert Rusche und mspr0 sind aber zum Glück nicht die ersten und nicht die einzigen, die dies erkannt haben.

  34. Hui Daniel. So weit würde ich nicht gehen. Es ist zunächst einmal ein Experiment. Als dieses finde ich es interessant genug es erstmal gewähren zu lassen, bevor drauflos dresche. Aber überwunden ist noch nichts! Nur igrnoriert. Das ist frech, oft naiv, und vielleicht sogar falsch. Aber warten wir ab.

  35. Gibt es diese 86 überhaupt? In Bezug auf Dich bin ich ja fast schon ein großer Bruder, in Bezug auf die Piraten erst recht. Trotzdem fällt mir auf, dass dieses Denken sich durch die ganze Partei zieht. Ich glaube, jenseits der Generationenfrage kommen hier Leute ins Spiel, die sich einfach dem ganzen bisher verweigert hatten, weil diese Schemata einfach nicht ihr denken waren.

    Zum Thema Ignoranz: Selbstverständlich kann man aus der Haltung der Ignoranz nicht ernsthaft Politik machen. Und wir Piraten bewegen uns schließlich in einem politischen Koordinatensystem gerade WEIL wir beschlossen haben, nicht nur Bewegung, sondern Partei zu sein. Da müssen wir einen großen Spagat üben zwischen unserer politikfremden Klientel und der politischen Landschaft.

    Piraten sind weder apolitisch noch ideologiefrei, die Ideologie passt nur nicht zu den alten Gruppierungen. Seitens der Piraten wird schon gedacht und gefühlt in einer weise, die noch lange nicht vollständig durchdacht: Das Gedankengebäude und die neue Ideologie will erst noch ausformuliert sein. (Und wenn sie es ist, dürfte auch die nächste Generation parat stehen, der sie stinkt.)

    Spannend an dieser Halbfertig-Ideologie ist, dass sie Ideologien als solche ablehnt. Das ist Dekonstruktion ins Reinstform. Es mutet seltsam an, dass die Piraten z.B. in der Genderdebatte eine postfeministische Haltung einnehmen, ohne dies gedanklich durchdrungen oder hergeleitet zu haben. Das ist nur ein Beispiel. Was hier passiert, ist ein sich manifestierender Zeitgeist, der – wie immer – erst in der Nachschau analysiert werden wird, einsortiert, mit Schubladen und Begriffen versehen werden wird.

    Andis Interview war ein Griff ins Klo. Das wurde breit diskutiert und das sehe ich auch so. Bestenfalls Naivität. Daraus den Piraten einen Strick drehen zu wollen, ist aber auch nichts als Wahlkampf. Die anderen Lager haben einen wunden Punkt entdeckt und nutzen ihn aus. Jens Seipenbusch hat das Vorgehen gegenüber der JF verteidigt. Ich teile seine Argumente nicht. Wäre ich Amtsträger, ich würde mich weigern, denen ein Interview zu geben, aus den altbekannten Gründen. Aber seine und Andis Gründe zeigen noch einmal deutlich, wie ernst es den Piraten damit ist, einen neuen Zeitgeist politisch mit Leben zu füllen. Dass sie durchaus ihren Prinzipien folgen. Und darüber begeistere ich mich.

    Ach so. Vergiss alle vorangehenden Absätze einfach. Grund dieses Kommentars: Vielen Dank für diesen großartigen Blogpost!

  36. Ich muss über vieles in deinem Text noch weiter nachdenken, bevor ich wirklich darauf eingehen kann, bin aber jetzt schon sicher, dass du an vielen Stellen recht hast (obwohl ich bspw. den Glauben an das “ es gibt nur entweder oder“ etwas naiv und kurzsichtig finde – erinnert mich zu sehr an „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“).

    Aber schon jetzt als echte Verständnisfrage, und das ist nicht so blöde oder provokant gemeint, wie es scheinen könnte:

    Bedeutet das alles, das man Politik machen möchte, ohne sich mit Politik zu beschäftigen?

  37. @Fred:
    @christoph Inhalte und Werte sind eine Ideologie? Und es geht tatsächlich nur darum, nicht richtig wahrgenommen zu werden? Ganz im Ernst: ist das nicht sehr narzistisch?
    __
    Nein, sind sie nicht. Aber sie sind Grundsteine für eine Ideologie, die normaler Weise der Grundstein für eine Partei ist. (Siehe CSU, Linke, FDP, NPD; SPD und CDU scheinen sich auch langsam davon zu entfernen).
    Diese Wahrnehmungsfehler ändern zu wollen, halte ich nicht für narzistisch. Das soll ja nicht zum Selbstzweck geschehen, sondern um zukunftsorientierte Realpolitik zu gestalten.
    Wenn die Politik den Nachwuchs als „potentielle Gefährder“, Amoklaufgeile, politikverdrossene Kellerkinder mit extremen Drall nach Rechts und Links; sowie das Internet als Sodom 2.0 wahr nimmt; behandelt sie beides auch so.

    Deswegen werde ich Piraten wählen. Nicht weil die bei Regierungsbeteiligung einen Internetminister stellen könnten, sondern, weil ich damit die Wahrnehmung der anderen Parteien verändere.
    (Das du sowas nicht despektierlich meinst, ist mir klar.)

  38. Nun, ich glaube das kann man nicht beantworten ohne eine Definition von Politik mitzuliefern.

    Mit einem konkreten Verständnis von Politik, in dem man die aktuellen politischen Mainstreamdiskurse meint, ja.

    Mit einem abstrakteren Politikverständnis eines Max Frisch („Einmischung in die eigenen Angelegenheiten“) nein.

    Ich mag letztere Version lieber. 😉

  39. @Johnny: Könnte das bedeuten, dass sich Politik an sich einfach auch ändert? Das zukünftige Politik mit aktueller/vergangener Politik nur noch wenige Gemeinsamkeiten hat?

    Die Welt sich schlicht weitergedreht hat?

    @mspro: Chapeau! Es müssen viel mehr Leute erkennen, das Piraten nicht in die aktuellen Raster passen.

  40. Artikel ist glaube ich dass was viele unserer Generation oft denken, und der Ärger verpasst zu haben aus der uns aufgetragenen Revolution zu treten die gar nicht unsere ist. Aber 68er sind halt Kumpel, wie soll man denen abschlagen aus dem ‚Golf Cabrio‘ zu kommen und mal ein ‚Sit-In‘ zu machen?

    ‚Niemand hat behauptet, dass sie gut riecht, die Freiheit.‘ finde ich als kurzen Schlusssatz den ganzen Themenkomplex wunderbar auf den Punkt gebracht – genau darum geht es. Die Informationsfreiheit wird auch öfter als wir uns das wünschen stinken. Wiegen die die Vorteile es aus der Sicht unserer Generation auf?

  41. Meine Güte. Probleme verschwinden nicht wenn man sie ignoriert. Wir sind eine Partei gegen Zensur. Warum sollten wir uns selbst einen Maulkorb auferlegen.
    Jesus….

  42. Zum ersten Teil:
    Ich hatte früher ein Pali Tuch um und einen Anti-Atom Sticker. Streit war damals in den 70ern an der Schule vor programmiert, da gab es welche die waren für Atomkraft :O. Aber ein Jugendbewegung war das damals zu Zeiten einer Alternativen Liste/Bunte Liste/Grünen auch nicht, deshalb weiß ich ziemlich genau was du meinst.

    Zum zweiten Teil:
    Das mit den Piraten, mir geht es ähnlich wie dir, und die eine oder andere Handlung von der Partei Spitze bereitet mir Kopfschmerzen. Aber gerade weil die Piraten eben angetreten sind ohne die alten Dogmen das Thema Politik neu zu definieren, muss auch ich umdenken und meinen natürlichen Beiß-Reflex bezüglich Rechter überdenken. Denn wie schon mehrfach erwähnt worden ist, wird man nie zu einen Dialog finden, wenn man kategorisch einen Dialog ausschließt. Privat ist es mir ja auch schon durchaus gelungen den einen oder anderen Rechtswähler von seinen Treiben ab zu bringen. Warum so was nicht im großen probieren. Wie insideX schrieb. Einfach wie ein kleines Kind vorbehaltlos auf neues und fremdes zugehen und selber die Erfahrungen sammeln die nötig sind um groß zu werden.

  43. was hier in den Kommentaren nun alles in die Piratenpartei reininterpretiert wird, ist schon sehr abenteuerlich. Das wäre ja, als ob man eine philosophische Abhandlung über ein Stück Brot schreiben würde.

    Könnte das Brot denken, dann würde es sich kaputt lachen. Kann es aber nicht.

  44. @johnny ich kann nicht für mspro antworten, aber ich glaube die frage ist falsch gestellt. es geht nicht darum, ob man politik machen kann, ohne sich mit politik zu beschäftigen, sondern, ob man politik machen kann und sich trotzdem von im letzten jahrhundert geformten und gefestigten blöcken und denkmustern zu entfernen.

    das gilt für die, mit vehemenz gepflegte einteilung der welt in rechts und links rot und schwarz und braun, genauso wie die vorstellung, dass grundlegende veränderungen der gesellschaft aus einer linken (nach unserer defintion von links) tradition erfolgen muss. oben vielen schon worte wie anarcholiberalismus, ich sehe bei den piraten im grundansatz eine progressiv libertäre ausrichtung und dann hat sich das auch schon mit den politischen einordnungen. es ist zeit für neue ansätze.

    worthülsen hin oder her. die welt ist zu komplex für links oder rechts. man kann auch fortschrittlich sein, ohne marx gelesen zu haben, man kann die welt auch zu einer besseren verändern, ohne immer wieder die gleichen alten konzepte hervorzuholen. im grunde wäre das nämlich zutiefst konservativ.

    nazis bleiben gefährliche idioten, aber alles andere muss in einer starken demokratie seine berechtigung haben. d.h natürlich auch, dass man sie argumentativ bekämpft und alternativen zeigt. denk oder interview-verbote helfen da nicht weiter, sondern stärkt am ende zeitungen wie die JF, die aus dem wohl kalkulierten aufschrei kapital schlagen.

    ich bin durch die sozialisation des palituchtragenden antifamitglieds gegangen und habe mich immer als linker mit radikalem einschlag gesehen und vor jahren wäre ich wegen des JF interviews an die decke gegangen. inzwischen akzeptiere ich, dass es sie gibt und finde wichtig, dass auch meinungen, die so weit weg sind von meiner, ein medium haben. das gilt auch für die volliodioten von pi-news usw. die kämpfe müssen geführt werden und die meinungen geäussert.

    oben ein schönen satz gefunden: „Die Meinungsfreiheit die ich meine, ist nicht nur meine.“

    da bin ich ganz bei herrn chomsky.

  45. @Daniel:
    „Die Piraten überwinden alte, ideell besetzte politische Diskussionen. Wer auf dem Boden unserer demokratischen Verfassung steht, egal ob links oder rechts, ob kapitalistisch oder anti-kapitalistisch, ob Frau oder Mann, ist herzlich eingeladen an der neuen, freiheitlichen, entpolitisierten (sic!) Politik mitzuwirken.“

    Du hast da einen Widerspruch drin. Entweder macht man eine freiheitliche Politik. Dann ist man mitten drin in den Diskursen und allem. Es geht sehr weit um die Freiheitsfrage. Schau Dir mal die Linke und die FDP, denen geht es beiden um Freiheit. Diese Bewegung wird sich noch sehr weit dem Wert der Freiheit auseinandersetzen müssen. Ein anderes Beispiel dafür wäre, das schon fast konservative Berufen auf das Grundgesetz. Das funktioniert mit Sicherheitsgesetzen, die schnell durchgebracht werden vielleicht noch halbwegs. Aber wie sieht der eigene Gestaltungswille in Bezug auf die Umsetzung des Grundgesetzes aus?

    Oder aber man macht eine entpolisierte Poltik, das ganze nennt sich dann aber eher Technokratie als Demokratie. Da gewinnt nämlich derjenige mit den vemeintlichen besseren naturwissenschaftlichen Begründungen. Aber angesichts der immer gegebenen Falsifizierbarkeit sollten diese nicht Grundlage einer Politik darstellen.

  46. @Timo Wenn du Freiheit als „Freiheit der Information“ definierst, dann ist in Daniels Aussage nicht mehr wirklich von einem Wiederspruch zu reden.

  47. PS:
    Aber das ist ja eigentlich immer das Problem bei den Begriff Freiheit. Das man ihn benutzt ohne vorher definiert zu haben, was man damit eigentlich meint. Ich halte mich da gerne an Schopenhauer, aber das ist dann schon wieder eine ganz andere Baustelle 😉

  48. Pingback: Die Piraten und die Nazis « imazineblog

  49. Die Schlagworte, unter anderem Freiheit, haben nicht ohne Grund ‚während‘ der Französischen Revolution nochmals zu Problemen und dann Scheidungen innerhalb der Revolutionäre geführt.
    Begriffe sind Begriffe und es geht vielmehr um die Definition dessen, was man dann möchte. So gibt es durchaus Freiheiten, die sich gegenseitig sogar teils ausschließen könnten. 😉

  50. @acid:
    Zum einen das Problem ist, dass es auf die Definition ankommt. Aber Information ist kein Rechtssubjekt. Information kann im Rahmen einer rechtsphilosophischen Überlegung nicht frei oder unfrei sein.

    Aber jenseits von diesen recht abstrakten Überlegungen, die ich gerne mal von einem der „Piratenwähler“-Kommentatoren lesen würde, möchte ich darauf hinweisen, dass die Piraten anscheinend keine Ahnung haben, dass manche sie gerne entern würden. Ich hab das ganze mal hier aufgeschrieben, denn das sprengt den Umfang eines Kommentares:

    http://imazineblog.wordpress.com/2009/09/17/die-piraten-und-die-nazis/

  51. FACK

    Um es in den Worten einer noch älteren Revolution zu sagen: Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

  52. etwas billig, einfach zu sagen, wir machen was neues und deswegen müssen wir uns mit dem „alten“ nicht auseinandersetzen. klingt eher nach ausflucht, als nach argument. dass eure „lebensrealität“ nichts mit den sozialen kämpfen und den problemen der bevölkerungsgruppen, die diskriminiert usw werden, zu tun hat, glaube ich sofort. wer gesellschaftliche probleme auf den umgang mit dateien begrenzt und nicht die realen gesellschaftlichen besitz- und machtverhältnisse als problem sieht, der kann sich dann mit seinem total super neuen politikansatz im bauchnabel kratzen; und immer schön die festplatte abstauben und die tastatur am wochenende waschen.

  53. Och @Timo. Wir sind vielleicht manchmal naiv, aber komplett geistig umnachtet sind wir nicht. Die Links zu den entsprechenden Pro-NRW und NPD Diskussionen sind schon vor Urzeiten durch Piraten Tweets und Forenbeiträge gegeistert. Wir sind uns völlig bewusst dass man uns gerne unterwandern möchte. Wir wehren uns gleichmassen gegen Extremrechts wie Extremlinks.

  54. @Francis Drake:
    leider hat mir dieses Bewusstsein bei einem der Großteil, der Kommentatoren, die Andreas Popp verteidigt haben haben und das ganze garnicht so schlimm fanden, gefehlt.

    Und selbst Du stellst rechtsextrem und linksextrem einfach so nebeneinander. Welche sind denn gefährlicher, welche sind diskursfähig von ihrer Grundannahme her?

  55. @Timo
    Aber der Zugang und die erlaubte Verwendung dieser kann frei oder unfrei sein.

    @Erik
    So ähnlich war auch meine erste Reaktion, als ich das alles verstanden hatte. Denn auch ich sehe darin unser größtes Problem. Aber ich glaube nicht, dass die Bewegung darum kommen wird, sich mit diesen Problem zu beschäftigen. Nur aus einem ganz anderen Blickwinkel.

    Ich stelle die These auf, dass wir, wenn wir wirklich dieses Informationszeitalter der Informationsfreiheit in der breiten Masse erreicht haben, einen zweite Aufklärung vollzogen haben werden. Und es besteht die Hoffnung das die aktuellen Machtmechanismen in diesem Zuge unwirksam wurden.

    Ich bin dabei, zugegebenermaßen, skeptisch und denke, dass wir eine Bewegung der Menschlichkeit brauchen. Eine Bewegung, die die globale Ausbeutung freudig bekämpft indem sie aufklärt.

    Mal schauen, was die Zukunft so bringt. Wir leben in spannenden Zeiten,,,

  56. @Timo: Diskursfähiger? Ich sehe keine massgeblichen Unterschiede zwischen der Extrem-Linken und der Extrem-Rechten.

    Beides für mich völlig inakzeptabel. Ich bin z.B. Antifaschist und wenn mir eins so richtig auf den Sack geht, dann die „Antifa“. Ich bin für Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Und wenn mich eins auf die Palme bringt dann FeministInnen…

    Ich bin Antifaschist und gegen ein Verbot der NPD. Weil mir der braune Mob im Untergrund noch viel unangenehmer ist, als wenn er sich auf dem politischen Parkett öffentlich blamiert.

    Und ich finde es ebenso „nicht so schlimm“ einer Linken oder Rechten Zeitschrift ein Interview zu geben. Mir wäre nur lieber gewesen von Andi ein ähnliches Statement zu lesen wie von Jens Siepenbusch.

  57. @acid:

    Noch nicht ganz, unser Grundgesetz gewährt jedem Bürger das Recht sich frei aus allgemein zugänglichen Quellen zu informieren. Es handelt sich um ein Handlungsrecht von Bürgern. Die faktische Umsetzung erfolgt erst im zweiten Schritt.

    Als analoages Beispiel, sei die Freizügigkeit angeführt. Jedes natürliche Rechtssubjekt hat das Recht sich frei im ganzen Staatsgebiet zu bewegen. Allerdings hat auch auch jedes Rechtssubjekt das Recht auf Eigentum und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Sprich im öffentlichen Raum darf man sich frei bewegen. Aber man darf sich nicht beim Nachbarn ins Wohnzimmer setzen und sagen: „Schaut mal hier Freizügigkeit. Das steht im Grundgesetz. Ich darf hier sein.“

    Um wieder auf die Informationen zurückzukommen, man hat nicht das Recht geschützte oder verbotene Informationen zu beziehen, denn dieses Recht gilt nicht für alle Informationen.

    Diesen Unterschied meinte ich.

  58. @Francis Drake:
    Diese Nicht-Unterscheidung finde ich schon äußerst bedenklich.
    Erster Satz des NPD-Grundsatz-Programmes:
    „Volkstum und Kultur sind die Grundlagen für die Würde des Menschen.“

    Das ist komplett indiskutabel und schließt die Partei aus jedem demokratischen Diskurs aus. Im Gegensatz zu der Linksextremen verknüpfen sie den Begriff der Menschenwürde mit Bedingungen. Die Menschenwürde ist allerdings ein Begriff, der auf verschiedene Arten hergeleitet werden kann. Die Begründung liegt im Menschsein selber.

    Worum es mir geht, ist folgendes, all diese Dinge sind seid langem bekannt und vielfach diskutiert, aber ein Großteil der Piratensympathisanten, haben sich nicht ernsthaft damit beschäftigt und das führt zu einem gefährlichen Unwissen.

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  60. @Timo Dass eine Horde sehr junger bisheriger Nichtwähler politisch nicht sehr geschult ist verwundert Dich? Kritisierst Du jetzt die „unwissenden“ Sympathisanten oder die Piratenpartei? Ersteres ist völlig legitim, nur wird in der Diskussion genau das getan: Man wirft „der Partei“ ihre Sympathisanten vor…

    Über das NPD Grundsatzprogramm müssen wir hier nicht diskutieren. Alleine der Begriff „Volkstum“ bringt mich schon zum kotzen.

    Und was Gefahr von Extrem-Links angeht: Ca. 20 Millionen Opfer Stalins sind nix, oder was?

  61. Mit Palitüchern würde ich nicht hausieren gehen, sie sind ein weiteres Zeichen der Massenmörder (empfehle die Lektüre ob ihres Ursprungs). Und: Nein, „linke“ Information ist nicht automatisch „gute“ Information. Mal Indymedia gelesen?

  62. Die dummdreisten Nazi-Vorwürfe sind einfach nur noch ermüdend und ob ihrer Lächerlichkeit kaum noch eines Kommentars würdig. Ich habe auch noch nicht einen einzigen Piraten getroffen, der auch nur ansatzweise mit rechtem Gedankengut sympathisiert – und die paar Spinner, die es tun, werden sich bald trollen, weil sie sich bei uns nicht verstanden fühlen werden.

    Der einzige Vorwurf wäre höchstens, dass wir so gut wie alle Politik-Neulinge sind und wohl noch in den einen oder anderen Fettnapf treten werden.

    Die andere Dämlichkeit mit der man uns immer wieder belästigt, ist diese völlig alberne Geschlechterdebatte. Meine Güte, kapiert es endlich, es macht bei uns keinen Unterschied, ob Frau, Mann, Transgender oder sonst dergleichen, und das kann ich jeweils alles aus persönlicher Erfahrung sagen. Erste Hand, nix Pressetext, einfach so, wie es bei uns praktiziert wird.

    Wir haben wichtige Ziele und Ideen und müssen auf vielen Gebieten noch Kompetenzen sammeln und zu gemeinsamen Standpunkten finden, warum sollen wir uns mit Geschlechterproblemen irgendwelcher Moralspinner herumschlagen?

    Es ist einfach so lächerlich, Gleichberechtigung und Gleischstellung verlangen, und sobald man sie praktiziert rumjaulen, dass das ja so nich ginge, man müsse schon auch ständig diese Gleichstellung demonstrieren, am besten indem man Frauen und Männer gleich mal verschieden anspricht, weil sie ja so gleich sind…

  63. Noch kurz zu memyselfandi: Solche Kommentare sind der Grund, weshalb ich persönlich Piraten wählen werde und die Partei voll und ganz unterstütze. Natürlich fallen immer nur die Schreihälse auf; die Basis ist ganz anders. Danke hierfür.

  64. Was ist deiner Meinung nach der Vorteil dieser theoriefeindlichen Haltung? Welcher gesamtpolitische Wert entsteht aus der Ablehnung, ja Verneinung dieser Diskurse? Ich sehe hier Leute, die aus Egozentrismus eine Weltanschauung machen. Wo können die irgendwas leisten? In der Realpolitik werden sie gnadenlos scheitern und schneller angepasst als in Parlamenten sein. Für alle anderen Politikbereiche haben sie nichts beizutragen.

  65. @Francis Drake: Was ich kritisiere ist folgendes, dass bei den meisten Anhängern der Piratenpartei, nicht die Frage aufkommt, weshalb so dermaßen scharf auf solche Aktionen reagiert wird. Stattdessen wird sich in eine Trotzecke zurückgezogen und gesagt, man gegen das alte Parteiensystem und für absolute Meinungsfreiheit. Und es sei ja undemokratisch nicht mit der JF oder sonst wem zu reden.

    Weshalb finde ich partout keine anständige, kritische innerparteiliche Auseinandersetzung zu Popps und Seipenbuschs JF-Interviews im Internet? Die Kritik kommt halt von aussen, und gegen aussen wird zurückgestänkert. Dazu dieses kleine Fundstück:
    http://qrios.wordpress.com/2009/09/17/a-blogger-sind-auch-nur-trolle/

    Doch es sollte gerade über das NPD-Grundsatz-Programm oder die Weltsicht der rechten geredet werden, denn darin liegt es begründet, dass man sich mit ihnen nicht unterhalten kann. Sie leugnen die Grundlagen aller Menschenrechte. Die JF übrigens durch die Blume gerne auch mal.

    Und das ist der Unterschied zur linksextremen Seite, es halt wohl keiner von denen vor den Stalinismus wiedereinzuführen, aber sie leugnen nicht voller Breite die Menschenwürde und die Grundrechte. Solche historischen Vergleiche bringen nichts und sind saugefährlich. Es gibt kein Messen für Leid und Zahlen alleine sagen nichts aus. Es geht um Werte.

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  67. Auch wenn es bei den Piraten nicht in nennenswertem Umfang Sympathien für die politische Rechte gibt, muss man dieser nicht den Gefallen tun, ihr dabei zu helfen, ihre rechte Agenda mit dem Begriff „Freiheit“ zu verbrämen, wie es von der „Jungen Freiheit“ über Organisationen wie die „Freiheitliche Jugend“ oder Österreichs („Freiheitliche“) FPÖ bis hin zu Organen wie „Politically Incorrect“ oder „Eigentümlich frei“ üblich ist. Wenn Piraten einen Text bejubeln, weil der vor Bezügen auf „(Meinungs-)Freiheit“ strotzt, und dabei aufgrund von Unerfahrenheit nicht mitschneiden, dass dieser Text lauter bekannte neurechte Klischees herunterbetet, dann heißt das nicht, dass diese Piraten rechts sind. Trotzdem ist es selbstverständlich, dass man ein Problem damit hat, wenn man mit den Piraten sympathisiert, die rechten Klischees aber abstoßend findet und damit nichts zu tun haben will. (Und bevor wieder der bekannte „Gedankenpolizei“-Käse kommt: Es handelt sich einfach um eine freie und begründete Entscheidung, mit bestimmten Leuten und Politiken nichts zu tun haben zu wollen.)

    Dass „wir“ etwas Älteren aus Perspektive mancher Jüngerer „alte Meckerköppe“ sind, mag sein, aber was folgt daraus? Dass alles falsch ist, was wir sagen, wohl kaum. Natürlich wäre es verfehlt, von den Piraten zu erwarten, dass sie eine Revolution anstoßen, wie einige Ältere sie sich wünschen. Es ist aber nicht verfehlt, zu erwarten, dass sie die sozialen und politischen Auseinandersetzungen, an denen diese Älteren beteiligt waren, halbwegs auf dem Schirm haben. Sie prägen nun einmal die politische Landschaft, ob man das gut findet oder nicht. Und zwischen „sich für Diskurse interessieren“ und „Dogmen übernehmen“ ist ein himmelweiter Unterschied. Letzteres kann man selbstverständlich nicht verlangen, ersteres von politisch Aktiven auf jeden Fall.

    Was die Entscheidung zwischen absoluter Freiheit und absoluter Kontrolle angeht, finde ich zunächst einmal abenteuerlich, einfach so zu behaupten, es gebe keine Zwischentöne, also keine relative Freiheit/Kontrolle, ohne das irgendwie zu begründen. Aber das mal beiseite. Wenn wir uns bei dieser Alternative also für die Freiheit entscheiden, folgt daraus ja wohl eine höhere Verantwortung für die Bürger und Mediennutzer, Informationen selbst zu bewerten, zu gewichten und zu selektieren, weil man ja keine Aufsichtsbehörden dafür hat und haben will. Und das wiederum heißt gerade nicht, nun alles gut finden zu müssen, was irgendwer irgendwo schreibt, sondern es heißt, dass man widerspricht, wenn man etwas für falsch oder gefährlich hält.

    Im Sinne der Freiheit könnte man zum Beispiel diskutieren, das Verbot der Holocaustleugnung abzuschaffen, weil man davon ausgeht, dass eine freie Gesellschaft solche Lügen selbst entlarven kann und wird. Aber das verlangt gerade, dass man ihnen entschieden entgegentritt, anstatt sich zu verkriechen und die Klappe zu halten, weil man nicht als „alter Meckerkopp“ dastehen will.

    Dass die Piraten nicht „in die alten Raster passen“, liegt einfach daran, dass sie eine junge und sehr heterogene Bewegung sind, deren politische Identitätsbildung erst am Anfang steht. Wenn sie sich fest etabliert, wird auch diese Identität greifbarer und artikulierter werden, und dabei wird sie auch auf bekannte Diskurse zurückgreifen müssen, weil sie nicht von heute auf morgen absolut neue Begriffe und Denkmodelle in Bezug auf Politik und Gesellschaft erfinden kann. Und mittelfristig wird eine eventuelle Zusammenarbeit von Rechten und Linken in der Piratenpartei schon daran scheitern, dass diese einander nicht mögen und sich über vieles nicht werden einigen können. Ob dann eher rechte, linke, mittige, liberale, buddhistische oder was weiß ich für Positionen sich durchsetzen und zu welchen Anteilen, ist offen.

    Deswegen ist der derzeitige Streit inklusive Widerspruch nützlich und wichtig und sollte nicht mit Phrasen über „ganz andere Lebenswirklichkeiten“ abgetan werden. Wer eine Partei gründet und in die Politik geht, will seine Lebenswirklichkeit ja nicht für sich behalten, sondern ihr politische Geltung verschaffen. Das ist völlig ok. Es ist aber nicht mit dem Anspruch vereinbar, sie für unantastbar zu erklären. Sie ist dann nicht mehr einfach „die Wahrheit“, wie man es sich im Privaten noch erträumen kann, sondern steht zur Diskussion.

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  69. @Timo: Aus meiner Sicht findet diese Diskussion über die Rechte nicht (so öffentlich) statt, weil sich die Piraten sehr wohl bewusst sind warum man keine Nazis an die Macht bringt und warum deren Denke verachtenswert ist.
    Viel mehr ärgert es dass ständig versucht wird die Piraten in die rechte Ecke oder in ihre Nähe zustellen, weil unsere ach so offene Gesellschaft einen Verachtungsreflex hat, der dem eigentlichen Ziel – nämlich solche Schandtaten wie vor 50 Jahren begangen zu verhindern – mehr schädlich als nützlich ist. Ein Teil der Rechten ist rechts oder wählt rechts, weil es vollen Herzens Arschlöcher mit selbstbefriedigendem Weltbild sind, ein Teil tut das aber auch nur deshalb, weil die Rechten Bedürfnisse befriedigen oder Hoffnung geben – jenen kann evtl. auch anders und weniger gesellschaftsschädlich geholfen werden.

    Wir können das aber gern mal empirisch austesten. Geh auf den dir nächstgelegenen Piratenstammtisch und fordere dort ‚Arbeit nur für Deutsche‘. Du wirst im Gegensatz zum nächstbesten Antifa-JUZ wohl nicht verprügelt werden (weil bist ja immrr noch ein Menschen, von wegen Menschenwürde und so), aber ich bezweifle dass du auch nur ein zustimmendes Yarr! hören wirst.

  70. @Timo: Du findest keine innerparteiliche Auseinandersetzung zu dem Thema? Oder ist es einfach so, dass die Auseinandersetzung mit dem Thema einfach nicht in der von Dir gewünschten Richtung stattfindet?

    Was ich zur Zeit bemerke, ist eher folgendes: Zu Beginn der Debatte wunderten sich viele, dass nicht in einem Satz auf den Inhalt des Interviews eingegangen wurde (zur Erinnerung: Klare Absage an Rechts). Dann wurde heftigst von aussen polemisiert und weitestgehend ohne fundierte Argumentation proklamiert „mit denen spricht man einfach nicht, weil das so ist. Basta“ Es kamen noch ein paar ebenfalls nicht zu belegende Argumente, dass man damit die Rechten „aufwerte“ und „hoffähig“ mache. Da gipfelte dann in dem Vorwurf die Piratenpartei sei „nicht diskursfähig“. Aha. Nicht diskursfähig? Aber den Piraten verbieten wollen Diskurs zu führen? Interessant.

    Nun ergibt sich wiedermal (schon da gewesen bei der leidlichen „Piraten sind Sexisten und frauenfeindlich weil sie kein Binnen-I oder Gender Gap mögen und so wenig Frauen in der Partei sind“ Debatte) eine Wendung:

    Immer mehr Leute positionieren sich pro Dialog und Diskurs auch mit dem extremen politischen Rand. Die Strategie von Links, die Piraten in die Rechte Ecke zu drängen (während die Rechten uns übrigens in die linke Ecke drängen wollen) geht nicht auf. Im Gegenteil. Unsere Mitgliederzahlen explodieren und viele Leute überdenken ihre ehemalige fremdvorgedachte und vorgekaute Meinung „Mit denen redet man nicht“.

    Hat die Linke damit nun erreicht was sie vorgehabt hat? „Ihre“ Wähler vorm Abwandern zu den Piraten zu schützen?

    Dann aber noch eine Information für Dich, was die „innerparteiliche“ Diskussion angeht: Es wird massiv diskutiert darüber zur Zeit. Nur findet diese Diskussion nicht in Flamewars, via Tweets und in Kommentaren statt, sondern an Piratenstammtischen, in Telefonaten, Mails etc. Glaub man nicht, dass wir alle völlig naiv und gleichgeschaltet sind. Wir haben eine sehr ausgeprägte Diskussionskultur in der Partei.

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  72. Weisst Du, ich stamm aus einer Generation, die es eigentlich ganz witzig fände, wenn man bei der Bundeswehr wieder im Stechschritt marschieren würde. Mumpitz hat schon was. Der spiessige Antiliberalismus der Antifa, der sich an Oberflächlichkeiten entzündet, geht auf den Senkel. Relevant ist das alles nicht. In den USA hetzen rechte Spinner sogar zur besten Sendezeit und das alles schadet der amerikanischen Demokratie bislang nicht wirklich, weil es da wohl genauso wie in einer entwickelten und gefestigten Demokratie wie unserer keine Totalität der Anständigkeit und Tyrannei des Konsens braucht. All diese Leute kann man eigentlich aushalten weil sie so fern der Macht stehen.

    Relevant ist die Schwarze Pest und ihre Politik des Mittelmaßes, die sich nicht um die Verteidigung unserer Freiheiten schert, die bei Bill Gates anruft um sich in IT-Politik beraten zu lassen, statt den Kampf um die Kontrolle um die digitalen Ressourcen mit den entfesselten Multis aufzunehmen und unsere Freiheiten gegen die Begehrlichkeiten der Rechteverwerter zu verteidigen. Merkel braucht sich das Internet gar nicht ausdrucken zu lassen, dass sie die nächste Kanzlerin ist, das steht ja sowieso schon fest. Wozu also wahlkämpfen. Gegen eine solche Beleidigung unserer Demokratie wird plötzlich sogar ein Schmierenschauspieler der FDP zum Massenkristall und Hoffnungsträger, als sei man durch die Finanzkrise nicht genug bestraft.

    Die Grünen sind nicht glaubhaft mehr als progressive Kraft und melken ihre Stammwähler, Parteimitglieder werden mit ätzenden Genderdiskursen gelangweilt. Wer in der Partei aufsteigen will, hält am besten bei den Themen anderer die Schnauze. PDS ist die neue SPD und Rentnerpartei. SPD irrelevant, für die nur spricht, dass sie nicht die CDU ist.

    Und dann die Rechten… sicherlich nicht die Mannschaft, die man gerne in Amt und Würden hätte. Wo es ihnen doch gelingt, gibt es den zu erwartenden Querulanten-Zoff.

    Nun kommen die Piraten und konzentrieren sich genau auf das, was mir thematisch wichtig ist, und wo bei den etablierten Parteien Fehlanzeige ist. Keine „Protestpartei“ aber die Rechtsrisiken von Abmahnung und Patenten hätte ich doch gerne politisch gelöst. Sicherlich gibt es auch noch viel mehr Themen, der sie sich annehmen werden. Der einzige Grund gegen die Piraten zu stimmen, ist die 5% Hürde, dass sie es nicht schaffen könnten. Eigentlich Zeit, die mal abzuschaffen. Vor allem bei Europawahlen.

    Das Spannende finde ich nicht den Denunziantenklassiker um Rechtskontakte. Das Spannende ist, welche Themen die Piraten nach der Wahl für sich entdecken werden, die Programmdiskussion, und ob es gelingt die Partei im Bereich 30 000+ Mitglieder in der Breite aufzustellen als eine nachhaltige politische Kraft in Deutschland. Diesen Sommer ist bei den Piraten alles richtig gelaufen. Egal wie es weitergeht, die nächten 4 Jahre werden vor allem für die Opposition spannend.

    Also: gut für Deutschland. gut für mich. …Und doch gibt es wieder Merkel. Merkel ist die neue Kohl. Wie wird man Kanzler? Erst als Quotenossi Gedönsministerin werden, dann warten wie sie sich alle die Köppe einschlagen, und inhaltlich unauffällig bleiben, dann Kanzlerin ohne eignes thematisches Profil werden.

  73. 1980: „Relevant ist das alles nicht.“

    Das würden Sie vermutlich anders sehen, wenn sie mit der falschen Physiognomie durch die bestimmte Teile Brandenburgs gehen müßten. Aber he! Wozu weiter denken als das DSL-Kabel reicht?

    Francis Drake: Die Piraten sind nicht wegen eines Binnen-Is sexistisch, sondern weil sie die bestehende Geschlechter-Ungleichheit ignorieren und damit zementieren. Ja, schön, daß ihr euch alle gleichberechtigt um den Piratenstammtisch kuschelt. Aber 5,6% der männlichen Arbeitnehmer verfügten 2006 über ein Bruttoeinkommen von mehr als 5800 Euro, aber 0,8 der weiblichen. Wohlgemerkt, da sind nicht mal die glücklichen Hausmütterchen mit drin, sondern nur die Arbeitnehmer in toto einbezogen.

  74. „Das würden Sie vermutlich anders sehen, wenn sie mit der falschen Physiognomie durch die bestimmte Teile Brandenburgs gehen müßten.“

    Agitation ist ja ganz schön aber hat Bart. Welcher Wanderer zieht denn durch Brandenburg, dass ihm die dagebliebenen Heuler auflauern? Hast Du wirklich das Expriment gewagt oder ist das nur ’ne Wild Ost Story.

    Ich habe kein Bruttoeinkommen über 5800 Eur und definiere mich nicht primär über Einkommen. Vielleicht wählen Frauen keine Jobs, die besser bezahlt sind. Ich glaube, dass der Marktmechanismus funktioniert. Wenn Frauen bei gleicher Leistung billiger sind, stell ich die doch ein. Denn nur das Ergebnis soll zählen, ohne Ansehen der Person. Andernfalls hätte der Kapitalismus einen irrationalen Drall, dass er nach Geschlecht diskriminiert. Dass der sich um Geschlecht statt um den Mammon schert, wäre ja schön. Leider weiss man ziemlich verlässlich, dass es da nur ums Geld geht.

  75. Pffffff. Man hat uns Sexismus und Antifeminismus vorgeworfen aufgrund der von mir genannten „Argumente“. Und auch Du wirfst uns vor, dass wir die „bestehende Geschlechterungleichheit ignorieren“ würden. Und Deine Zahlenspielerei ist ja klasse… Verdienen denn Frauen in den gleichen Positionen wie Männer weniger? Das wäre eine Ungerechtigkeit. Und Du meinst ernsthaft, dass Piraten da Beifall klatschen? Neh neh. Die ganze Diskussion wird völlig an einander vorbei geführt. So wie auch jetzt die „sprich nicht mit den Schmuddelkindern sonst bist Du ein Nazi“ Diskussion. Die ganze Gender-Debatte ist Tot wie’n Türstopper….

  76. 1980: Eine Hochzeit, bei der ich Gast war, wurde vor zwei Jahren von den örtlichen Nazis überfallen, weil sie aus der Band, die dort spielte, schlußfolgerten, es sei eine Türkenhochzeit. War es nicht, ist auch egal. Deine Abwehrleistung ist aber genauso perfekt wie die der Dorfbewohner.
    Und genau: Frauen wählen die schlechter bezahlten Positionen, weil ihnen da genetisch was fehlt.

    Francis Drake: Man sieht, was man weiß. Deine Frage „Verdienen denn Frauen in den gleichen Positionen wie Männer weniger?“ ist beredtes Zeugnis dafür.
    Aber selbst, wenn Frauen das gleiche verdienen würden wie Männer – was würde das wohl bedeuten? Genau – sie landen auf Positionen, die nicht so gut bezahlt werden. Und auch das ist belegt. Im Medizinsektor stellen die Frauen konstant 60% der Studenten zu Beginn. Bei den Professoren sieht das Verhältnis ca. 9:1 aus. Für die Männer. Warum wohl?
    Ihr Piraten müßt euch da schon Gedanken zu machen. Entweder „Die ganze Gender-Debatte ist Tot wie’n Türstopper…“ (seltsame Metapher btw) oder ihr applaudiert diesen Prozessen, indem ihr sie ignoriert. Eure Entscheidung.

  77. „Frauen wählen die schlechter bezahlten Positionen, weil ihnen da genetisch was fehlt.“

    Wohl kaum.

    Ich musste Wehrdienst leisten. Frauen müssen das nicht. Ist das nicht ungerecht, dass man die Zeit verliert, auch wenn es nicht mehr so viel ist? Warum gibt es die Dienstpflicht nur für Männer?

    Frauen leben statistisch viel länger. Ist das nicht ungerecht? Muss die finanzielle Ausstattung der Medizin für Männer besser werden?

    Welcher Mann kann sich wegen seines Aussehens durchnieseln?

    Welcher Mann kann es sich leisten 10 Jahre nicht im Beruf zu sein und dann wieder eine Stelle zu finden?

    Welche Frau akzeptiert, dass ihr Partner nicht arbeitet?

    Welcher Mann wird im öffentlichen Dienst nur deshalb vorgezogen bei der Besetzung einer Stelle, weil er ein Mann ist?

    Welcher Mann im öffentlichen Dienst kann sich als Männerbeauftragten von seiner eigentlichen Tätigkeit, für die er bezahlt wird, freistellen lassen?

    usw.

  78. Ich musste Wehrdienst leisten. Frauen müssen das nicht. Ist das nicht ungerecht, dass man die Zeit verliert, auch wenn es nicht mehr so viel ist? Warum gibt es die Dienstpflicht nur für Männer?

    Klar. Dienstpflicht müßte abgeschafft werden. Aber wo kommen dann die Leute her, die Frau Merkel in zukünftigen Afghanistans verheizen kann? Eine politische Entscheidung, keine natürliche Gegebenheit. Schon gar keine, die FeministInnen unterstützen.

    Frauen leben statistisch viel länger. Ist das nicht ungerecht? Muss die finanzielle Ausstattung der Medizin für Männer besser werden?

    Deshalb gibt es von der Natur einen männlichen Säuglingsüberschuß. Und wenn wir das mal einwerfen dürften – vielleicht sollten die Männer einfach mal zu ihren gesundheitlichen Problemen stehen und, wie Frauen, zu Vorsorgeuntersuchungen gehen. Aber nein, wir sind ja so viel stärker, weil wir keine Schwächen zeigen.

    Welcher Mann kann sich wegen seines Aussehens durchnieseln?

    Herr Guttenberg? Excuse moi, von Guttenberg natürlich.

    Welcher Mann kann es sich leisten 10 Jahre nicht im Beruf zu sein und dann wieder eine Stelle zu finden?

    Welche Frau kann das, wenn sie sich nicht durch Gebärleistung legitimieren kann?

    Welche Frau akzeptiert, dass ihr Partner nicht arbeitet?

    Etliche. Aber was ich aus meinem Umfeld kenne – welche Firma erlaubt das? Und wieviele Männer erlauben sich das, ohne von ihrem Umfeld als Weichei belächelt zu werden?

    Welcher Mann wird im öffentlichen Dienst nur deshalb vorgezogen bei der Besetzung einer Stelle, weil er ein Mann ist?

    In höheren Stellen? 90%. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich kenne die Bagage.

    Welcher Mann im öffentlichen Dienst kann sich als Männerbeauftragten von seiner eigentlichen Tätigkeit, für die er bezahlt wird, freistellen lassen?

    Freistellen lassen? Die innerbetrieblichen Frauenbeauftragten machen das neben ihrer eigentlichen Arbeit. Im übrigen gibt es sogar Männer in dieser Position. Seltsam, aber so steht es geschrieben.

  79. apropos tocotronic.. arne zank wollte gestern keinen „und alle so yeaahh“ zettel haben. (ich denunziant)

    ansonsten: vielleicht ist die welt für eine einteilung in links-rechts einfach zu kompliziert und global geworden? vielleicht wurde die generation von ganz anderen dingen geprägt und kann mit den begriffen links/rechts auch kaum noch was anfangen? ich glaub, die meisten leute könnten nicht mal klar erklären, was genau jetzt links oder rechts sein soll. dann kann man auch auf so einen wischiwaschi-begriff verzichten, an dem sich die leute nur irgendwie profilieren wollen, oder nicht?

  80. Pingback: Getwitter-Sammlung vom 2009-09-19 : Jörn Schaars feine Seite

  81. O mann Leute, wenn ich mir diesen verkopften Diskurs hier ansehe… Ne, ehrlich: mit Nazis redet man nicht, denen gibt man auf die Fresse. Egal ob der „politische Diskurs von morgen längst auf anderen Ebenen stattfindet“.

  82. „Auf die Fresse“ ist unisono Jargon und Handlungsweise der Nazis, Spontis, Antifa, Hooligans, Prolos, … Das macht sie alle gleich und alle gleich unmöglich und alle gleich abzulehnen.

    Der politische Diskurs als ein Prinzip der Demokratie kann eben nicht einfach mal so für Diesen oder Jenen ausgehebelt werden. Das sind die gleichen Mittel wie die von Schäuble, der unsere Grundrechte verteidigt, indem er sie zerstört. So geht das nicht.

    Was hier wohl häufig verwechselt wird, ist der politische Diskurs auch mit den Rechten auf der einen Seite und das Kompromisse suchen mit oder gar Anbiedern bei den Rechten andererseits. Der Politische Diskurs beinhaltet gegenüber den Rechten auch eine deutliche Abgrenzung sowie eine besonders deutliche Vertretung ganz anderer Positionen in Wort und Tat, nicht eine Anbiederung!

    Taktisch mag das Interviev unklug gewesen sein. Inhaltlich weiss ich nicht, habe es nicht gelesen. Aber als Vertreter der Grundprinzipien unserer Verfassung war das durchaus in Ordnung.

  83. Pingback: Impactsuspect » Neulich bei Twitter…

  84. Posenhaftigkeit? Possenhaftigkeit!
    „Eine Posse ist ein Bühnenstück, das auf Verwechslungen, ulkigen Zufällen und unwahrscheinlichen Übertreibungen aufgebaut ist und durch derbe Komik Lachen erzeugen soll.“ (Wikipedia)

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