Ja, nochmal, auch wenn’s nervt.
Das Thema des Kontrollverlusts ist im Mainstream angekommen. Komischer Weise über das Vehikel Google Street View. Das muss man wohl so akzeptieren, ich jedenfalls habe mich entschlossen, dem so zu tun und mich lieber produktiv zu freuen, dass das Thema endlich in der gesellschaftlichen Mitte angekommen ist.
Leider habe ich es immer noch nicht geschafft, mein zugehöriges Blog zu relaunchen, kann aber bei dieser Gelegenheit versichern, dass das geschehen wird. Das Thema wird nicht wieder weggehen, im Gegenteil. Und ich will diesen Prozess begleiten.
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Ich habe jedenfalls die Gelegenheit genutzt das Street View Thema entsprechend einzuordnen und dazu diesen Text für carta.info geschrieben: „Es gibt kein analoges Leben im Digitalen.„
Das Unbehagen um Street View rührt eben nicht davon, dass die Daten, die Google sammelt, tatsächlich sensibel wären. Nein, Street View ist der Einschlag des digitalen Zeitalters direkt vor die Füße des analogen Menschen. Es ist das Signal an alle, die sich bis dato in ihrer analogen Sphäre sicher fühlten, dass diese Sicherheit nun ein Ende haben wird.
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Des weiteren hatte ich heute eine hübsche Debatte unter anderem mit @PickiHH über die konkreten Auswirkungen und Ausformungen, die übrigens gestern im Blog eine tolle Auseinandersetzung mit dem Begriff des öffentlichen Raums und der digitalen Öffentlichkeit hatte.
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Ich hatte Stefan Keuchel, dem Pressesprecher von Google Deutschland, vor ein paar Tagen ein paar Fragen hierzu gestellt. Eben sind die Antworten rein gekommen: Hier das Interview in Copy-Paste-Original – gewohnt unjournalistisch von meiner Seite aus:
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1. Wie viele Widerprüche bekommt ihr so rein, derzeit? (am besten bezogen auf die Häuser: wie viele Häuser müssen verpixelt werden?) Und mit wie vielen rechnet ihr insgesamt? (eine ungefähre Hausnummer würde mir reichen)
Die Widerspruchsmöglichkeit ist nichts neues, sie besteht seit April 2009. In dieser Zeit haben wir Widersprüche im 5stelligen Bereich bekommen.
Die Zahl der Briefe hat in den vergangenen Tagen zugenommen. Die breite Medienberichterstattung und auch unsere eigene Informationskampagne über Google Street View haben sicherlich dazu beigetragen. Manche Nutzer haben uns auf mehreren Wegen (Brief, Fax, Mail, Online-Tool) mit dem gleichen Anliegen kontaktiert. Unsere erste Priorität liegt nun auf der schnellen Erfassung, Verifizierung und Bearbeitung aller Widersprüche.
2. Wer kann alles widersprechen? Eigentümer, Bewohner – klar. Aber auch Wohnungsgesellschaften? Für – sagen wir – alle die von ihnen zu verwaltenden Häuser? Gibt es Massenwiderspruchsversuche von Wohnungsverewaltungen/Genossenschaften, Großeigentümern oder Miet- und Eigentümervereine die ganze Listen von Adressen zum Verpixeln schicken?
Sowohl Hauseigentümer als auch Mieter können der Veröffentlichung ihrer Häuser widersprechen. Der Widerspruch muss für jedes einzelne Haus erfolgen, Massenwidersprüche gehen nicht. Aber wir nehmen jeden Widerspruch ernst und haben den deutschen Datenschutzbehörden zugesagt, dass wir vor dem Start von Street View in Deutschland erst alle Widersprüche umsetzen, sprich, dass alle Häuser verpixelt sind bevor wir starten.
3. Den von Sascha Lobo initiierten Widerspruch-widerspruch finde ich ja durchaus charmant. Aber könnt ihr die, so fern sie bei euch eintrudeln, überhaupt irgendwie berücksichtigen? Und wenn ja: Wessen Widerspruch zählt mehr? Schlägt Eigentümer den Vermieter?
Wir nehmen tatsächlich nur Widersprüche entgegen. Widersprüche zum Widerspruch können wir leider nicht berücksichtigen. Wenn ein Mieter sagt, dass er nicht möchte, dass das Haus in dem er lebt bei Street View gezeigt wird, werden wir es aus Street View entfernen. Selbst dann, wenn der Eigentümer es gern in Street View hätte.
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Tja, das sieht schlecht aus. Laut einer Umfrage von Hamburg.de wollen ca. 38% der Hamburger ihr Haus verpixeln lassen. Dabei ist auch zu beachten, dass Befürworter und Gegner oft im selben Haus wohnen und es reicht, wenn ein einziger die Verpixelung wünscht, wie wir gerade gelernt haben. Ein digitaler Kahlschlag, oder:
[Link]
Von Googles Seite aus, ist die Verpixeleung übrigens irreversibel, wie sie immer wieder beteuern. In Street View wird Deutschland also vermutlich schlimmer aussehen, als nach dem Krieg. Das wiederum macht Jens Best zu so einer Art digitalen Wiederaufbauhelfer. Einer digitalen Trümmerpixelfrau. Ich bitte um Unterstützung für sein Mörtelklopfen.
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