Je mehr ich über das letzte Kapitel der Magisterarbeit („der Name des Menschen“) nachdenke und nachforsche, desto mehr bündelt sich alles in dem Begriff der Strategie. Also der Strategie, die sich mit dem Eigennamen verknüpft. Sie ist immer ein Versuch der Selbstverortung, und mitunter eine auch eine Nicht-Verortung des Autors, die seine Rezeption versucht in bestimmte Bahnen zu lenken.
Bei Sokrates wäre dies die Ironie, aber auch die Tatsache, dass er nichts aufschreibt, was er denkt, dass er somit seinen Namen und dessen Ausgestaltung seinen (schreibenden) Schülern überlässt. Auch der Dialog ansich kann als Strategie gesehen werden.
Derrida hat ja Strategien an den Bekenntnissen von Augustinus, Roussau, wie auch bei Nietzsche’s Ecce Homo analysiert und hat in Circumfession, die Einsprachigkeit, sowie in dem Film über sich selber solch eine Strategie angewandt oder entwickelt.
Dabei ist natürlich auch zu beachten, dass die Dekonstruktion ja auch ihrerseits schon eine Strategie ist. (Die sich ja so intensiv mit dem Eigennamen Derrida verbindet).
Bei Benjamin hingegen ist es schwierig, so eine Strategie zu erfragen, da er sich vehement dagegen verwahren würde. Seine Strategie (wenn man es so nennen kann) ist ja eben die der Intentionslosigkeit, das Verlöschen der Intention vor der Wahrheit (oder dem Gegenstand), auch wenn einige biographische und autobiographische Details das anders erscheinen lassen. (Die Geheimhaltung seiner mittleren Eigennamen, aber vor allem das Preisgeben dieser Geheimhaltung)
Das heißt, man muss unterscheiden (oder wenigstens fragen, ob man das kann) zwischen einer Strategie des Philosophierens und einer Strategie, die sich auf den eigenen Namen bezieht. Dabei ist natürlich zu beachten, und Derrida weist darauf ja immer wieder hin, dass diese Strategie zum scheitern verurteilt ist, da der Name den Autor immer überleben wird, und sich seine Übersetzung letztlich durch die jeweiligen Interpreten (Übersetzer) vollziehen wird.
Es stände also einerseits eine genauere Analyse der Ironie, als auch der Dekonstruktion als Strategie an, und zwar jeweils auf den Gegenstand bezogen, als auch auf die eigene Vita, den eigenen Namen. Hierbei wäre vor allem zu klären, inwieweit diese Strategien konvergieren. Beispiel: Die Dekonstruktion kann man vor allem im Kontrast zur Negativen Theologie betrachten (Wie Derrida es in „Wie nicht sprechen“ tut), da sie alles rigoros ausspricht, dabei das Ausgesprochene aber umcodiert. Dem entspricht in gewisser Weise die Tatsache, dass er in Circumfession intime Details über sein Leben preisgibt und auch seinen „geheimen“ Namen. Hier ist also die Frage zu stellen, wo in diesen Bekenntnissen die Dekonstruktion am Werk ist, am Werk an der eigenen Autoiographie und was sie damit bezweckt. Sicher will Derrida etwas damit veranschaulichen, aber was? Die Unmöglichkeit des Bekenntnisses? Die Wahrung des Geheimnisses noch in der Offenbarung? Oder gar dessen Verschleierung? Dieser Ansatz steht jedenfalls im offensichtlichen Gegensatz zu Benjamin.
Nachdem ich ja im vorherigen Kapitel Benjamins Übersetzung als Strategie (dem Ding gegenüber) behandelt habe, wäre schließlich zu untersuchen, wie die Strategie Benjamins auf den eigenen Namen sich beschreiben lässt und wie diese Strategie sich schließlich auch auf die Rezeption seines Werkes (seines Namen) auswirkt.
Zudem müsste natürlich auch untersucht werden, inwieweit diese Strategien der drei sich zu einander verhalten. Die Ironie Sokrates zum Beispiel lässt sich eng an die Dekonstruktion binden, da ja auch sie alles Ausspricht, aber das Ausgesprochene ironisch in seiner Bedeutung wendet. Aber auch, wie Sokrates sich in seinen Dialogen praktisch unsichtbar macht, indem er den Dummen spielt, fragen stellt und so seine Gesprächspartner als Medium seiner eigenen Philosophie gebraucht. (Der Name Sokrates spricht sich aus im Anderen)
Die Demarkationslinien verlaufen also zwischen Ausgesprochenem und Unausgesprochenem, zwischen Strategie und Nicht-Strategie, dem entsprechend auch zwischen Verstellung und Entstellung. Nicht zuletzt wird damit auch die Frage nach der Authentizität (und damit der Aura?) berührt. Auch stellt sich an Benjamin dann die wichtige Frage, ob eine Nicht-Strategie überhaupt möglich ist, also das Verlöschen der Intention gewärleistet werden kann. Ob also die Übersetzung nicht immer schon mit dem „Eigenen“ kontaminiert ist. Derrida deutet dies ja mehrfach an. Dazu ist natürlich zu klären, am besten ganz am Anfang schon: Was ist das überhaupt: „Strategie“?
Man sieht also: Ein interessanter Ansatz – und vollkommen unmöglich in seiner Ausführung.
Zu lang fürs Wetter. 😉