Pünktlich zur Verabschiedung der EU-Datenschutzreform habe ich noch mal ausführlich aufgeschrieben, warum die Informationelle Selbstbestimmung konzeptionell am Ende ist. Es ist ein Recht, um das nur noch um seiner selbst willen gestritten wird, das zutiefst unehrlich ist und nur sehr mangelhaft das tut, was es eigentlich tun sollte: Menschen zu schützen.
Für alle, die glauben, dass das ja nun mal alles nicht anders geht, will ich hier anhand eines Best Practice-Beispiels das Gegenteil beweisen. Ein Beispiel, das genau so auch hätte in meinem Buch stehen können. Dort nämlich hebe ich unter Regel 2: „Überwachung ist Teil des Spiels“ das Problem von Hartz4-Empfänger/innen als Beispiel für Überwachung hervor:
„Staatliche Überwachung fängt aber nicht erst beim Geheimdienst an, sondern ist ein viel alltäglicheres Phänomen. Mithilfe von Informationszwangsabgaben werden Hartz-4-Empfänger drangsaliert. Dazu gehören die Offenlegung ihrer gesamten Eigentumsverhältnisse, Rechenschaft über ihre Anstrengungen zur Jobsuche und unangekündigte Hausbesuche. Der ständige Überwachungsdruck, gepaart mit existenziellen Konsequenzen durch die Agentur für Arbeit, kann Menschen über die Zeit zermürben. Es gibt nach wie vor viele plausible – und keineswegs neue – Gründe gegen Überwachung. Die NSA ist dabei aber nicht das Hauptproblem.“
Überwachung, das ist mein Punkt, ergibt sich nicht einfach nur der bloßen Sammlung von Daten. Erst in Kombination mit einem Sanktionsmechanismus wird Beobachtung zur Überwachung.
Als Strategie schlage ich deswegen vor, statt der Beobachtung, die Strafregime in den Mittelpunkt des Kampfes gegen Überwachung zu stellen.
„Statt also die Privatsphäre gegen Beobachtung zu verteidigen, sollten wir gegen die Instanzen der Bestrafung kämpfen: Autoritäre Grenzkontrollen, rassistische Polizeianordnungen, homophobe Strukturen in der Gesellschaft, ungerechte Gesundheitssysteme und institutionelle Diskriminierung sind die eigentlichen Problemfelder, auf denen Überwachung gefährlich werden kann.“
Das klingt jetzt jetzt auch nicht viel einfacher, als gegen die Beobachtung zu kämpfen. Ich glaube aber, dass das ein Vorurteil ist und dass in diesem Feld noch zu wenig versucht wird.
Das beste Beispiel dafür, wie erfolgversprechend dieser Ansatz sein kann, ist das Projekt von Inge Hannemann und Michael Bohmeyer. Gemeinsam wollen sie eine Plattform gründen, die mithilfe halbautomatisierten Formularpingpongs und tatsächlicher Rechtsberatung die Arbeitsagenturen zähmen soll. „Sanktionsfrei“ ist passender Weise auch der Name des Projektes, denn genau darum geht es: der überwachenden Instanz die Zähne zu ziehen.
Sanktionsfrei versucht nicht den Kontrollverlust, nicht die Beobachtung zu bekämpfen, sondern den Kontrollverlust mittels digitaler Technologie an die Behörden zurückzuspielen. Es steuert automatisch oder halbautomatisch allen Sanktionsversuchen entgegen und entkräftet sie so.
Die Crowdfundingphase war bereits erfolgreich und hat den Mindestbetrag zur Entwicklung der Plattform eingeworben und das Entwickler/innen-Team hat sich bereits an die Arbeit gemacht. Zum eigentlichen Fundigziel fehlen aber noch ca. 50.000 Euro, aber dafür sind auch noch 25 Tage Zeit.
Sanktionsfrei ist das beste Beispiel, dass das Neue Spiel gespielt werden kann. Bitte unterstützt sie nach Kräften.