Tag 3 Fortsetzung:
Es wird erneut Zeit nochmal über die Effizienzgewinne beim Packen zu sprechen. Ja, mich fasziniert das. Als ich mir die Grundausrüstung Zelt, Isomatte und Schlafsack kaufte, war ich sehr stolz, dass alles drei zusammen in eine der Fahrradtaschen passte. Den Rest meiner Sachen verstaute ich in der anderen Fahrradtasche und im Rucksack. Irgendwie halt. Passt. Die Fahrradtaschen gingen beide nicht richtig zu und mein Rucksack war vollgepackt und schwer. Das ist doof, wenn es regnet, regnet es in die Fahrradtaschen rein und Gewicht will man nicht auf dem Rücken, sondern auf dem Fahrrad haben.
Beim zweiten mal packen ging das schon etwas besser. Ich hatte unter anderem gelernt, wie man das Zelt enger packen kann, so dass die Fahrradtasche doch zu ging. Der Rucksack war auch schon wesentlich leichter.
Beim dritten mal merkte ich, dass es schlau ist, den Schlafsack in die sich verjüngende Fahrradtasche zuerst zu stopfen, denn der kann fast beliebig klein werden und erst dann die Isomatte reinzutun. Auf einmal riesen Platzgewinn. Ich konnte so auch noch die ganze Tüte mit dem Kochgeschirr mit in dieselbe Tasche packen. Ein Paradigmenwechsel!
Beim vierten mal packen hab ich nicht nur die Tüte mit dem Kochgeschirr reingestopft, sondern jedes einzelne (sperrige) Teil sorgsam innerhalb der Tüte nach und nach plaziert. Wieder enorm Platz gespart und die Aufteilung optimiert.
Mit jedem Packen wird man aufmerksamer für jedes kleinste Detail. Mittlerweile habe ich meine Inventur im Kopf. Zelt, Isomatte, Schlafsack, Kochgeschirr in der einen Satteltasche. Klamotten, Kulturbeutel, Pulli, Nahrungsmittel, Wassersack und Klopaier in der anderen Fahrradtasche. Handtuch, Rechner, Akkus, Badehose, Latschen, Regenjacke und Engergieriegel im Rucksack.
Aporopos Energieriegel. Ich hab gerade meinen letzten zum Frühstück gegessen. Aber zurück zum Tag 3, zurück zum Zeltplatz südlich von Travemünde:
So gegen 11 bin ich los. Erstmal wieder Richtung Travemünde, denn dort muss ich erstmal über die Trave, was für so einen kleinen Fluss ein außerordentlicher Umstand ist. Da dort nämlich immer wieder auch große Selegelboote durch müssen, ist da nicht einfach eine Brücke, sondern eine Fähre fährt alle paar Minuten die 150 Meter hin und her. Und weil das eben ein Dienst ist und keine Infrastruktur, kostet es natürlich was. Für Fahrradfahrer erträgliche 2 Euro aber insgesamt ist das schon ein komisches Ding. So muss sich das nichtneutrale Internet anfühlen. An jeder Engstelle wird aus der Infrastruktur eine Dienstleistung und es wird extra abkassiert.
Von der Fährstelle aus geht es dann immer weiter entlang der Ostsee die Küste ostwärts. Eine wirklich schöne Strecke und gerade nach Travemünde gibt es so viele tolle Strandstellen, Kilometerweit, jenseits der Überfüllung. An denen allen ich einfach vorbeiradele, denn meine protestantische Sportethik erlaubt mir nicht zu rasten bevor ich nicht mindestens 20 Km gemacht habe.
Ich fahre also weiter und weiter, bis Komoot mich wieder mit ihrem „Route wird anbasst“ vollquatscht. Irgendwo mittendrin scheint es die Fahrradwege nicht mehr zu kennen. Auf dem Weg die Ostsee entlang jedenfalls hat es keine weiteren eingezeichnet und will, dass ich erstmal Richtung Inland fahre. Darauf habe ich wiederum keine Lust und fahre einfach immer weiter auf wunderbar befestigten Radwegen, die Komoot einfach nicht kennt. Tjo.
Das nervigste sind die Fiecher. Ich weiß nicht, was das für eine Gattung ist, aber sie sind so knapp 5 mm groß, dunkelgrau und sehen ein bisschen aus wie Wanzen. Aber ich glaube sie können fliegen. Jedenfalls bespringen die einen in Schaaren und irgendwann ist mein ganzer Körper voll mit ihnen. Eklig. Das ist auch einer der Hauptgründe, warum ich nach ca. km 25 meine erste Pause einlege. Das, und dass der Fahrradweg entlang der Steilküste plötzlich zu ende ist. Jedenfalls halte ich an diesem mittelmäßig netten Ort, um mir erstmal die Fiecher vom Körper zu waschen.
Nach etwa ner halben Stunde – es ist mittlerweile Mittagszeit, fahre ich weiter, erstmal Landeinwärts bis ich Boltenhagen erreiche. Hier wird der große Bjoern Grau sein Wochenende verbringen, wie er mir per Twitter mitteilte. Ich jedoch esse dort einfach nur ein Matjesbrötchen. Hätt ich mal lieber bleiben lassen sollen, wie sich herausstellen wird. Aber dazu später mehr.
Weiter geht es auf für Komoot unbekannten Fahrradwegen nach Wismar. Das sind nochmal 22 Km von hier, nachdem ich bereits über 30 geradelt bin.
Mitten auf der Strecke ist meine Trinkflasche leer, aber ich habe irgendwie keine Lust sie nachzufüllen. Es sind ja nur noch 10 Km bis Wismar, das schaffe ich auch noch. 5 Km vor Wismar bin ich so erschöpft, dass ich nachgebe. Ich halte an, fülle die Flasche auf – und trinke sie in einem Zug aus. Ich fülle sie noch mal auf – und trinke sie wieder in einem Zug aus. Gut, denke ich mir. Ich hab ja auch wenig … oh, ich hatte auf der gesamten Strecke, also 50 Km, nur eine halbe Flasche Wasser getrunken. Bei bei weit über 30 Grad im Schatten. Ich musste unfassbar dehydriert gewesen sein. Darauf trinke ich nochmal eine Flasche auf ex, fülle sie wieder auf und radelte weiter.
In Wismar fahre ich wenig durch die Innenstadt, bis ich nahe des Markplates ein schönes Eiscafee entdeckte. Dort gönne ich mir einen obszönen Eisbecker. Karamell. Und einen Cappuchino. Außerdem gehe ich meine Social Media-Kanäle durch und plane die Weiterfahrt. In Wismar will ich nicht übernachten, also muss ich noch weiterfahren. Die ADAC-App zeigt mir nur einen erreichbaren Campingplatz auf dem Weg an. Auf der Insel Poel, zu der ich ja eh will. Ich rufe an, aber sie seien komplett ausgebucht, sagt die Frau am anderen Ende. Tjo. Wird es wohl Zeit für Wildcampen. Darauf hatte ich mich eh von Anfang an eingestellt, doch jetzt, wo es konkret wird, bin ich etwas aufgeregt. Ich suche die Strecke nach wassernahen und dünn besiedelten Gegenden ab. Nach Poel sind es noch mal 20 Km. Auf dem Weg sollte sich was finden lassen.
Nachdem ich meine Wasservorräte wieder auf aufgefüllt habe, geht es los. Die schöne Strecke vergeht wie im Flug und – Zack – bin ich auf Poel. Dort radel ich erstmal fast um die ganze Insel rum. Dann, kurz vor dem Timmendorfer Strand, ein Schild: Steilküste/FKK Badestrand. Das guck ich mir doch mal an.
Gegen 18:00 komme ich an. Ich habe heute 80 Km gemacht. 215 Km insgesamt bisher. Und heute hat es fast gar nicht weg getan. Außer der Haut. Die hat einen Sonnenbrand. Ich dachte, da ich die letzten Tage auch ohne Sonnenbrand durch die Gegend gefahren bin, wäre ich sicher. Aber die Sonne war heute einfach noch ne Nummer krasser, anscheinend.
Ich spring ins Wasser. Es ist sehr flach, schwimmen geht nur bedingt. Aber ansonsten ist es genau der richtige, abgelegene Strand, den ich suchte. Ich chille so vor mich hin und mache mir Gedanken, wie ich das Wildcampen angehe. Ich gehe nach hinten, zu einem kleinen Wald, eher ein Unterholz. Wenn ich weit genug reingehe, kann ich dort mein Zelt aufschlagen und niemand wird mich finden.
Dann merke ich, dass ich … sehr dringend aufs Klo muss. Zum Glück steht ein Dixiklo gleich nebenan. Ich nehme an, es ist die Remulade gewesen. Wär es der Matjes, ginge es mir wesentlich schlechter. Ich hatte eh ein schlechtes Gefühl bei dem Essenstand in Boltenhagen. Der Wirt wirkte schon, als hätt er Salmonellen unterm Arm.
Gegen 7 hole ich mir erstmal meinen Kocher und mache mir was zu Essen. Dasselbe wie letzten Abend, aber den Reis etwas länger quellen lassen. Mir hats geschmeckt, aber ich erspare euch ein Foto.
Nachdem ich das Geschirr im Meer abgespült habe, erkunde ich den Stand. Irgendwann seh ich ein etwas älteres Pärchen, das ebenfalls gerade sein Zelt aufschlägt. Ich fragte, ob es hier sicher ist. Er entgegnet entspannt, er kenne die Stelle auch noch nicht, aber wird schon gut gehen. Das beruhigt mich. Ich gehe zurück zum Fahrrad, verstecke es im Unterholz und schleppe meine Taschen über den Strand. Gleich ein paar Meter weiter vom Pärchen entfernt, schlage ich mein Zelt auf. Dazwischen eine Gruppe Jugendlicher, die ein Feuer machen.
Ich habe das Zelt gerade kurz vor Sonnenuntergang fertig, die Mückenarmada ist bereits ausgerückt und versucht aggressiv mich auszusaugen. Auf der Meerseite habe ich das Überzelt aufgerollt, so dass ich durch das Fliegengitter freie Sicht auf den Sonnenuntergang habe. Ich mache ein Persicope vom Sonnenuntergang. Er ist wunderschön. Überhaupt ist dieser Abend einer der Highlights bis jetzt. Zelten, direkt am Strand, vor Mücken geschützt dem Sonnenuntergang zuschauen.
Zum Einschlafen lese ich Dept, the first 5,000 Years weiter aber werde nicht müde. Nur unkonzentriert. Die Jugendlichen lachen am Feuer. Und ich kann nicht schlafen. Es ist noch immer sehr heiß, aber das Zelt noch offen.
In der Nacht wache ich öfter auf. Es ist kühler geworden, es geht ein Wind. Ich wache auf und mummel mich in meinen Schlafsack. Ich wache auf und ziehe mein T-Shirt an. Ich wache auf und ziehe das Überzelt runter. Ich wache auf und befestige es richtig.
Tag 4:
Um 8 Wache ich auf. Also richtig. Es ist ein schöner Morgen. Ich stehe auf und springe direkt ins Meer. So müssen Tage anfangen. Ich esse meinen letzten Energieriegel zum Frühstück (siehe oben) und koche ich mir erstmal Kaffee, denn ich will ja bloggen.
Ich habe meine Isomatte aus dem Zelt am Strand platziert und hole meinen Rechner raus.
Während ich schreibe, fängt es an zu pladdern. Ich schaue aufs Regenradar, tatsächlich kommt da ne ordentliche Front auf mich zu. Ich bringe schnell die Sachen ins Zelt und während der Regen anfängt, versuche ich das Zelt besser zu befestigen. Im Sand geht das nur sehr bedingt. Sehr stürmisch darf es jedenfalls nicht werden. Im Zelt schreibe ich weiter, während der Regen auf Zelt trommelt.
Wenn der Regen vorüber ist, will ich weiterfahren. Mein nächstes Ziel ist Rostock. Und dort in der Nähe wieder wildcampen. Wahrscheinlich östlich. Aber jetzt muss ich erstmal warten bis ich hier weiterfahren kann …