Als ich noch mit hannoverschem Grünspan hinter den Ohren nach Lüneburg taumelte, um dort mein Studium zu beginnen, bildete ich mir ein, dieser Ortwechsel, als vorübergehende Notwendigkeit, würde mich als Person oder gar als Persönlichkeit unangetastet lassen. Ich bildete mir ein, dass ich doch jedes Wochenende nach Hause fahren würde und dort mit meinen alten Kumpels herumhängen würde. Ich dachte eben, ich sei ich und ich bliebe ich, egal was dort in Lüneburg so gespielt wird. Nun denn, das ist viele Jahre her und es hat nicht geklappt, muss ich zugeben. Ich bin ein anderer geworden, jemand den ich mir damals wohl schwer hätte vorstellen können.
Bei der Rekapitulation dieses früheren ich’s, an das ich mich nur schwerlich erinnern kann, fällt heute manchem lüneburger Freund nicht ohne ein Schmunzeln ein, wie ich damals das Wort „Alter“ an so ziemlich alle meine Sätze zu hängen pflegte. Ich weiß nicht, ob dieser spezielle Slang mehr meinem damaligen Alter oder doch eher einem spezifisch hannoverschen Idiom geschuldet ist. Es spielt auch eigentlich keine große Rolle, denn es wurde bald erfolgreich abgelegt, wie so vieles, denke ich, vieles was meine Sprache ausmachte, vieles was mir heute aber nicht mehr in den Sinn kommt, vielleicht weil es nicht so auffällig war wie dieses „Alter“. Man kann vermuten, dass ich dieses pupertäre Idiom einfach ablegte, mich entschälte, aus meiner alten Sprache einfach hinauswuchs, erwachsen wurde oder so ähnlich. Ja, vielleicht kann man vermuten, dass ich das jetzt bin, „erwachsen“, zumindest sollte ich es nun sein mit meinen 28 Lenzen, sollte so langsam meine Sprache gefunden haben, eine die ich ohne weiteres die meinige nennen kann. Ja, man könnte durchaus so denken, wenn man nicht andauernd das Gegenteil bewiesen bekäme.
Wovon ich hier spreche, ist eben die Sprache des Anderen als das Gesetz des Anderen. Sie überkommt einen, ohne Vorwarnung sucht sie einen Heim, sobald man in irgend eine Gruppe jedweder Art eintritt oder eintreten möchte, sobald diese unsichtbare Grenze überschritten werden soll, die allenthalben gegenwärtig ist. Diese Grenze ist als solche durchaus wörtlich zu verstehen und nicht immer ist sie unsichtbar, die Grenzposten sind häufig ganz real und immer wird man sich auf ein Gesetz verpflichten müssen, sein Schibboleth entrichten müssen, einen Vertrag signieren müssen und immer wird man dabei seine Sprache verlieren. Ob Frankreich, Rumänien, Hannover, Lüneburg, Kindheit, Erwachsenenwelt oder eben Blogsphere, der Mechanismus des Gesetzes funktioniert überall gleich. Aber meistens, und das ist das was so erschaudern lässt, ist diese Grenze eben unsichtbar, immer hat man den Schritt schon getan, immer hat man den Vertrag schon signiert, die Sprache des anderen empfangen und zwar als Gesetz empfangen. Deshalb ist es auch unmöglich diese Grenze genau zu bestimmen, den Grenzverlauf abzustecken, denn und das ist wichtig, man ist immer auch Teil dieser Grenze, denn diese Signatur, die man leistet, ist nicht zu verstehen, als eine bloße Unterwerfung. Nein, das Hinzufügen der eigenen und einzigartigen Signatur, zum Vertrag, wohnt auch immer ein weiteres performatives Element inne, das den Vertrag verändert und ihn erweitert. Die eigene Signatur wird selber zum Teil des Gesetzes und schwebt somit selber über allem und bildet erst die Grenze, ja sie macht mich soagar selbst zu einem ihrer Grenzwächter. Dies ist wiederum ein Prozess, wie man ihn überall beobachten kann, wie ihn vor allem diejenigen erlebt haben, die groß tönend auszogen das „System“ von innen her zu verändern, so etwa wie die Grünen auf der Regierungsbank. Ja, einerseits haben sie das System geändert, aber andererseits und vor allem haben sie sich selbst geändert. Sie haben Verträge unterschrieben, die sie lange verteufelt haben, sie sprechen heute eine Sprache, über die sie sich noch in der Opposition laut echauffierten. Man kann hier leicht von Korruption sprechen und ja, vielleicht ist das sogar eine Form von Korruption. Aber wenn es das ist, dann ist niemand von uns frei davon.
Wie dem auch sei; ich als nunmehr korrumpierter Grenzwächter eines Systems, dass ich bewusst oder unbewusst beschlossen hatte zu betreten, las dann nun folgenden Kommentar, hier nur ein kurzer Auszug:
Dass „Veränderungen der Öffentlichkeit Teil der KoWi“ sind ist schön, endlich mal ein klar umgrenzter Untersuchungsgegenstand, der in den meisten mir bekannten Fachbereichen als Thema einer Diss oder Habilitation zu Kopf schütteln führen würde. Öffentlichkeit ist ja ein ähnlich offener Untersuchungsgegenstand wie Intelligenz, Wissen, Information oder gar Kommunikation. Da hat man über Jahrzehnte sichere Einnahmen aus Gütersloh und vom BMBF.
[…]
Ist nicht am Ende der Untersuchungsgegenstand Blog nur ein Vehikel, um in diesem virulenten und virilen Milieu ein Abstraktum zu verorten, dass es faktisch gar nicht gibt, da Abstrakta wie die oben benannten praktisch nach Belieben des Fachbereichs hin und her geschoben werden können und nur noch qua Topologie und Morphologie erlebbarer Entitäten wie eben Blogs zu einer Scheinfaktizität erhoben sozusagen in statue nascendi mit Existenzoperatoren versehen werden können. […]“
„@moravagine
haaaalloooo, du da oben, ja dich mein ich. siehst du mich … ja, ich hier unten. Komm doch mal runter zu uns, is echt nett hier.“
Aber das hier nur am Rande. Die Begegnung mit seinem Blog hatte für mich ja auch eben jenen Effekt der besagten Flaschenpost, die mich mit meiner eigenen Sprache und meinem eigenen Anliegen, dass ich einst mit meinem Blog verfolgte, konfrontierte und mir dieses, nicht ohne Neid zu erzeugen, unter die Nase rieb. Diese Erkenntnis hat mich nun einerseits dazu bewegt, diesen Blogeintrag zu verfassen aber andererseits meinem ursprünglichen Ziel wieder näher gerückt, nämlich einen Philosophieblog zu schreiben, denn das ist es was ich mache, und das ist es was ich will. Das soll nicht heißen, dass ich die Sprache der Blogsphere gedenke aufzugeben, denn sie ist mir lieb und teuer geworden und ich bin auch noch weit davon entfernt, sie wirklich zu sprechen. Und ich gelobe hiermit, mich weiterhin korrumpieren zu lassen von jedweder Sprache und vor allem der des bloggens. Blindlings werde ich weiterhin alle Verträge unterschreiben, die man mir vorlegt, aber ich werde mir wohl einen größeren Aktenschrank zulegen müssen, da ich mich bemühen werde weniger Verträge in dem Reißwolf verschwinden zu lassen. Das ist durchaus nicht einfach und erfordert viel Arbeit und als Leser wird man sich daran gewöhnen müssen, dass hier viele Sprachen am Werk sind und dass dieses Werk ein polyphones Werk ist, dass hier viele Stimmen zu Wort kommen, die sich nicht ohne weiteres vereinen lassen.
Nun, ich denke, dass auch Du dich nicht darum sorgen musst in einem schlechten Stil zu schreiben, de facto liest er sich sehr angehm. Überhaupt hat dein Artikel durchaus Anspruch, den der Leser erst einmal überwinden muss und das dürfte ihm je nach Bildungsniveau leicht oder schwer fallen, aber auf keinen Fall allen leicht.
Aus diesem Grund simplifiziere ich auch die Dinge, die ich in meinem Blog schreibe, aus Angst, es könne sich jemand abgehängt fühlen. 🙂