So, ich hab mich etwas erholt. War tatsaächlich ein anstrengendes Wochenende.
Aber bevor ich das alles haarklein erzähle, noch schnell ein Hinweis. Direkt nach der Talksenung war ich nämlich noch zu einem Interview verabredet. Auch West.Art, aber eben nicht Talk, sondern Magazin und das wird Dienstag ausgestrahlt.
Also bitte noch mal morgen, 18. Janauar, WDR einschalten, diesmal etwas später, um 22:30 Uhr. Lohnt sich bestimmt.
Aber zurück zum Wochenende. Am besten gleich zum Samstag. Mein Medienwochenende begann schließlich mit einem Radiotalk auf dradio.wissen. Dort kloppte ich mich live mit Falk Lüke um die Notwendigkeit des digitalen Vergessens und über den Sinn und Unsinn von Datenschutz. Ich bin etwas unzufrieden mit meiner Perfomance. Ich hatte wenig geschlafen und war ziemlich müde und fahrig, aber hey, so ist das manchmal.
Hier zum Nachhören:Vorsätzliches Vergessen & digitaler Radiergummi
Was mir aber im Gedächtnis geblieben ist, ist eine ganz spezifische Mediensituation, die es vermutlich nur im Radio gibt. Jeder sitzt da also vor seinem Mikro und hat dabei diese großen Kopfhörer auf. Und zwar alle: Falk, Markus Heidmeier und ich und die Regie im Nebenzimmer auch. Und das alles ist frei konfigurierbar. Die Regie kann nur mit Markus, nur mit Markus und mir, oder nur mit Falk und Markus reden und umgekehrt. Und da dachte ich so bei mir: das muss diese „informationelle Selbstbestimmung“ sein, von der Datenschützer so gerne reden. 😉
Danach hatte ich nur wenig Zeit, bevor mein Flieger nach Köln ging (das ist so großartig, wie die Leute beim WDR alles so minutiös durchplanen, wenn sie einen einladen. Man wird tatsächlich auf Händen in’s Studio getragen). Ich hab mich noch hingesetzt und versucht mir den einen oder anderen Satz (Punshline) zurecht zu legen. Diesen Ratschlag gab mir übrigens Talkshowgott Sascha Lobo persönlich. Leider kam ich nicht weit, denn im Flugzeug hatte ich zwischen Start und Landung nur ca. 45 Minuten Zeit zum arbeiten (das nächste mal fahr ich wieder Bahn).
Kaum angekommen musste ich dringend Kölsch, Steak und Cocktails und so, weil, ja nun. (Dabei übrigens auch @function getroffen, der hatte die aktuelle RollingStone dabei, also die Januarausgabe. Da hab ich auch einen Text über Wikileaks uns StreetView drin. Falls jemand und so)
Ich kam aber glücklicherweise früh genug in’s Bett um – zumindest theoretisch -ausgeschlafen zu sein. Ich kam dann aber doch eher mühsam aus dem Bett, weil ich die Zeit zwischen 3:30 bis 5 Uhr aus irgendeinem Grund wach verbrachte. Vom Hotel wurden wir (Christian Schertz und ich) die 600 Meter zum WDR wieder per Limousine gefahren. Dann erstmal großes Treffen im Konferenzraum mit Redakteuren, Gästen, Moderator und Schnittchen. Ich kippte mir den Kaffee in rauen Mengen rein, um nicht wieder so verschnarcht zu sein, wie am Samstag. Es war eine entpannte Atmosphäre, fast familär.
Dann wurden wir einer nach dem anderen in die Maske geführt. Bei mir wurden die Augenringe wegretuschiert und ansonsten das Gesicht abgedeckt und gepudert. Hab ich ja auch nicht alle Tage, sowas. Danach Mikrofon befestigen und Fotos schießen (was aus denen geworden ist, weiß ich gar nicht) und dann ging es auch schon los.
Wir saßen direkt im Foyer des WDR, so im linken Bereich gleich neben dem Eingang. Das ist alles recht klein. Dort, wo das Studiopublikum säße (es gab ja keins) war nur die Außenwand des WDR mit einem Ferseher, der die Einbettung unserer Sendung in’s Programm illustrierte und die Einspielfilmchen zeigte. Davor fuhren drei Kameras hin und her. Ich einigte mich mit Frau Thiemann, welches Wasserglas (das vordere oder das hintere) auf dem Tisch zwischen uns ich benutzen würde und dann schrie eine von der Produktion „ZEHN„. Ich suchte nach einer bequemen Sitzposition – „FÜNF“ – Holger Noltze sagte uns, in welche Kamera wir zu lächeln hatten, wenn er uns vorstellt – und los.
Ich war als erstes etwas irritiert, dass es gleich mit mir losging, hab mich aber dann gefangen. Der Rest ist Geschichte und kann hoffentlich bald irgendwo angekuckt werden ist unten verlinkt. Ich bin recht zufrieden mit meinen Auftritt. Ich hatte mir jedenfalls schlimmere Szenarien ausgemalt. Klar, das ist alles noch lange nicht perfekt, noch nicht sicher genug, noch nicht Ähm-frei genug, noch nicht auf den Punkt genug, aber für den ersten Fernsehauftritt völlig Ok. Kein großer Patzer, kein dummes Verlabern, keine unsouveränes Irgendwas.
Hier erstmal der großartige Einspielfilm zu meiner Person über den ich mich sehr gefreut habe:
Und hier die ganze Sendung:
Untitled from ms pro on Vimeo.
Die Sendung. Naja, die wurde ja eher zerrissen. Ich kann das zum teil verstehen. Aber ganz ehrlich: ich habe mich da nicht schlecht behandelt gefühlt. Natürlich sind das Fernsehmenschen und die haben einen anderen Blick auf das Internet als ich. Und natürlich ist die Zielgruppe eine noch viel Internetfremdere als diejenigen, die auf den Sesseln saßen. Wenn man der Sendung etwas vorwerfen kann, dann, dass zu viele heterogene Themen abgehandelt wurden: von Promis, über Castingshows über die Stasi bis hin zum Internet ist ein verdammt großer Bogen. Da hätte es auch bei anderthalb Stunden gut getan, sich etwas mehr zu fokussieren.
Besonders beeindruckt hatte mich Frau Thiemann. Nicht nur, dass sie von Anfang an klar machte, dass ihre schlimmen Erfahrung mit der Stasi keinesfalls auf die neuen Technologien übertragbar seien, sondern auch ihre Haltung insgesamt. Ihre Offenheit, trotz alledem. Eine Offenheit, die viel gutes hat.
Die Logik der Privatheit und der Intimität sind dann doch viel komplexer, als wir das oft wahrhaben wollen und vor allem, als es in einer Fernsehsendung verhandelbar ist. So war ich berührt – und zwar einerseits mitfühlend, als auch etwas peinlich – als Frau Thiemann von den heftigen Erfahrungen ihrer Haft erzählte. Das sind schon sehr intime Details und ich bin mir sicher, dass diese Schilderungen in ihren Büchern noch detaillierter sind. Ich glaube nicht, dass ich jemals intimere Details von mir preis gegeben hätte. Und dennoch war genau dieser Umstand – diese Öffentlichkeit – zu keiner Zeit Thema in der Runde. Es ging bei Frau Tiemann nur um die Überwachung und die Kontrolle durch die Stasi und nicht dessen nachträgliche mediale Aufarbeitung.
Das ist schade, denn diese andere Situation ist ja viel eher vergleichbar mit dem, was man so im Internet tut. Wir leben Transparenz und nicht Überwachung. Wir teilen Erfahrungen und ziehen alle Nutzen daraus, sowohl derjenige, der teilt, als auch die anderen. Wenn man die Wirkung von Thiemanns medialer Aufarbeitung ihrer Vergangenheit zum Anlass genommen hätte, über den Wert von Öffentlichkeit zu sprechen, dann hätte man gut zeigen können, wie die Preisgabe und das Teilen von Informationen viel Gutes hat. Wie es dazu führt, Gerechtigkeit herzustellen, wie es die Menschen über Gefahren eines Unrechtsstaats aufklärt, wie es hilft Geschichte einzuordnen. Nicht auzudenken, wie viel es den anderen Opfern der Stasi geholfen haben mag, dass Frau Thiemann ihre Erinnerungen und Gedanken teilt und so auch ihr eigenes Schicksal auf die gesellschaftliche Agenda setzt. Man hätte da so viele Aspekte rausholen können, wenn man nach der Großartigkeit von „Öffentlichkeit“ gefragt hätte, statt nur nach dem Verschwinden der Privatheit.
Nach den anderthalb Stunden der Sendung musste ich speedentkabelt werden, denn ich musste gaaaanz dringend auf’s Klo. Klar, der Kaffee, einen mspro pullen und so. Danach saßen wir alle wieder in dem Konferenzraum und diesmal hatte ich ein unfassbaren Heißhunger. Ich konnte mich kaum an den Diskussionen beteiligen, weil ich mir ein Schnittchen nach dem anderen reindrückte. Ich vermute, dass so eine mediale Situation ganz schön zehrend wirkt und der Stoffwechel dabei einiges verbrennt. Und dann mußte ich auch schon wieder los, wegen des Interviews (siehe oben). Zusammen übrigens mir Frau Dietz. Die Interviews sollten im Hotel stattfinden, wo ich auch genächtigt hatte und Frau Dietz und ich entschieden uns den Weg diesmal zu fuß zu gehen. Auf dem Weg diskutierten wir noch recht heftig die Themen Postprivacy und Kontrollverlust, was mir nicht so recht behagte, weil eh ich schon so erschöpft war und ich alle Kraft für das Interview brauchte.
Die Redakteurin der West.Art-Magazin-Sendung hatte bereits alles minutiös vorbereitet. Kamera, Ton, Beleuchtung. Also wieder verkabelt werden, diesmal noch viel genauer sitzen, Kragen herrichten, in die Kamera schauen, wieder Kragen richten. Eine echte, genau durchdefinierte mediale Situation, also. MJir war das alles egal. Ich bekam es zu meinem erstaunen tatsächlich hin, mich noch einmal eine Stunde lang sehr zu konzentrieren und alle Fragen zu beantworten. Die Redakteurin hatte sich sehr gut vorbereitet, hatte meine Blogs gelesen und schon sehr genaue Vorstellung von meinen Themen. Ich glaube sogar, dass ich – vielleicht durch das Intensivtraining der Talksendung – noch viel besser und pointierter formulieren konnte, als vorher. Ich bin wie gesagt, auf das Resultat sehr gespannt.
Auf dem Heimweg war ich dann ziemlich erschöpft. Ich musste dauernd Wasser nachtrinken und irgendwie war mein Hunger kaum zu stillen. Erstaunlich ist, von wie vielen alten Freunden und Bekannten man angerufen oder bei Facebook angechattet wird, wenn man im Fernsehen war. „Du warst im Fernsehen!!!11einself„. Irgendwie ist das Fernsehen in den Augen der meisten Leute immer noch das Medium der Öffentlichkeit schlecht hin. Obwohl ich nur am Sonntagmorgen in einer Kuzltursendung eines Regionalsenders aufgetreten bin, wird das als das große Ding wahrgenommen. Vielleicht sogar zu recht, ich weiß es nicht.
Ich schreibe hier ja immer für eine Queryöffentlichkeit, nicht für eine klassisch massenmediale Öffentlichkeit. Hier geht es nicht um Reichweite, Quote und Klicks (naja ein bisschen auch), sondern um Vernetzung. Darum, dass die richtigen Leute hier lesen. Es geht darum, teil einer oder vieler speziefischer Querys zu sein, statt im Sichtfeld von jedem.
Es ist aber natürlich verdammt spannend zu sehen, wie so eine massenmediale Öffentlichkeit funktioniert. Und wie sehr man sich, seine Thesen und alles verbiegen muss, ihr zu genügen. Meine Queryöffentlichkeit sucht sich ihr Publikum – sie wird ausgesucht oder nicht und das ist die große Freiheit hier im Netz. In der Massenöffentlichkeit muss man alles einem gegebenen Publikum unterwerfen. Und vielleicht ist ja eigentlich schon diese strukturelle Gewalt das „unmenschliche“, dass uns nur in seiner vollen Rohheit bei Sendungen wie DSDS noch wirklich erschrickt.
Lustig. Heute morgen als ich die Westart Runde guckte dachte ich mir, wie schön doch ein Artikel wäre, der nen leichten Blick hinter die Kulissen gewärt. Und hier ist er auch schon. Danke.
Die Tag-Cloud in deinem Einspieler. Womit wurde die gemacht?
Keine Ahnung. Ich wurde an der Produktion nicht beteiligt. 🙂
Pingback: Und der West.Art-Beitrag von gestern « H I E R
Noch für uns Leser, die nicht zu Deinen Adjutanten oder Adepten gehören: „..einen mspro pullen und so.“ Bitte: was?
Lijbosz Nek – in Anbetracht deiner Kommentarfrequenz gehörst du per definitionem zu meinem „Adepten“. Jeder nur ein Kreuz.
Wäre ich es, dann wüsste ich es, ergo früge ich nicht. Also?
Ach, ein Runninggag im Podcast von Max und mit: wir müssen reden. Hör mal rein, dann findest du es raus. 😉
Ach herrjeh, dabei wollte ich doch nur eine Auskunft.
Witze erklären … du weißt. Sowas tut man nicht.
Das stimmt.
Pingback: gonzoradio.net » Kofferradio 21.01.2011
Wusste Frau Thiemann nicht, dass IM Heiko Kiesow von Rechtsanwalt Schertz vertreten wurde?
Schertz schwieg dazu in der Runde. Hätte ja etwas sagen können. Es wäre spannender und konkreter geworden.
anscheinend nicht. im nachgang der runde, als wir off the record weiterdiskutierten, machte schertz aber von sich aus auf diese tatsache aufmerksam. ich fand die nachrunde auch spannender wenngleich natürlich kürzer.
Frau Thiemann erzählte in der Runde auch, dass sie von einem früheren Markus-Wolf-Agentenpaar eine Vefügung erhielt.
Es dürfte sich um das gleiche Paar handeln, welches gegen Dr. Herbstritt (Autor und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Birthler-Behörde) bis jetzt erfolgreich klagte.
Gegen mich hat Frau D. eine einstweilige Verfüfung wegen meiner Berichtserstattung mit Namensnennung und ein richterliches Kontaktverbot erreicht. Ich hatte lediglich nach Ihrer Kontonummer zwecks Überweisung der anwaltlichen Kosten für die einstweilige Verfügung nachgefragt. Auf die Bitte um Bestätigung des darauf folgenden Schreibens ihres Anwalt Helmuth Jipp, dass sie kein Kontakt mit mir wünsche, erging eine einstweilige Verfügung (Kontaktbverbot), welche vor Gericht Bestand hatte.
Das ist wohl das, was RA Schertz mit der informationellen Selbstbestimmung meint.
RA Helmuth Jipp ist Mandant der Kanzlei Schertz Bergmann und klagt wie Dr. Schertz gegen die Gerichtberichterstattung im Internet.
Schade, ich habe mehr Konkretes aus der Talkrunde zu erfahren gehofft.
Wahrscheinlich wird das Wesentliche hinter den Kulissen entschieden. Darüber zu berichten, versucht Dr. Schertz mit den Argument der informationellen Selbsbestimmung zu verbieten.
Dr. Schertz hat nach der Runde am Donnerstag, den 20.01.11 jedoch mit dieser Argumentation der informationellen Sekbstbestimmung beim LG Berlin verloren. Ich darf ein mit ihm geführtes, von ihm initiiertes Pausengespräch im Gerichtsflur veröffentlichen.
Unverständlich bleibt, weshalb die Medien diesen mehr als oft erfolglosen Rechtsanwalt als den juristischen Kenner des Medienrechts präsentiren, und sein vorsinnflutlich anmutenden Buch bewerben.
Ist das die Vorbereitng zu massiven Selbstzensur?