Um es gleich zu sagen: ich finde das Projekt Lobbyplag großartig (hier der Blogpost von Gutjahr). OpenDataCity hat mal wieder ganze Arbeit geleistet. Dass Lobbyaktivitäten und deren Wirkmächtigkeit transparent gemacht werden, halte ich für eine gute Sache.
Und viele jubeln auch bei dem ersten Beispiel: der EU-Datenschutzreform. Das ist einerseits verständlich, denn wie ich gehört habe, sind die Lobbyaktivitäten in diesem Fall tatsächlich besonders hoch und wie Lobbyplag nun zeigt, stellenweise auch effektiv.
Nun brauche ich aber niemandem erklären, wie ich zum Datenschutz im Allgemeinen stehe und was ich über die Datenschutzreform im besonderen denke, habe ich stellenweise in dieser Sendung bei dradio.wissen erklärt. Kurz: ich glaube, dass die Datenschutzreform das Potential hat, die Freiheit im Netz einzuschränken. Und zwar schlimmer als es beispielsweise der Jugendschutzmedienstaatsvertrag je hätte können, gegen den wir damals so Sturm liefen.
Nun ist Datenschutz und dessen Kritik schon länger nicht mehr so meine Baustelle, was aber nicht heißt, dass ich das unwichtig fände. Ich schaffe es aber nicht, mich durch die endlosen juristischen Texte zu quälen oder durch den Bericht von Jan Phillipp Albrecht. Ich hab das zwar ansatzweise versucht und kenne einige Eckpunkte und bin auf einer abstrakten Ebene firm genug, einige mögliche Gefahren aufzuzeigen. Aber eigentlich müsste man sich wirklich ins Detail bewegen und Artikel für Artikel lesen und durchdenken, was das für die Webwirtschaft im einzelnen bedeuten kann. Welche Dienste müssten sich wie verändern, welche würden unmöglich werden, welche Geschäftsmodelle gehen ganz dabei drauf, etc? Vor allem aber: was würde das für neue Dienste und Geschäftsmodelle bedeuten? (Die Platzhirsche haben ja meist das Kapital die nötigen Ressourcen auf das „Problem“ draufzuschmeißen) Das ist viel Arbeit und sorry, das schaffe ich nicht.
Natürlich tut das auch sonst niemand da draussen. Die Leute interessiert das nicht wirklich, die hören „Datenschutz“ und glauben, das sei schon alles in ihrem Sinne. Deswegen fürchte ich auch, dass der Kampf da draußen jenseits der Öffentlichkeit geführt wird und zwar nur zwischen Datenschutzmaximalisten und Lobbyisten mit eigenen Interessen. Und ich fürchte, dass Lobbyplag nichts weiter bewirken wird, als die (zumindest nachvollziehbaren) Bemühungen der Weblobby, das Gesetz zu entschärfen in der Öffentlichkeit zu skandalisieren und zu delegitimieren.
Es gibt keine wirkliche öffentliche, kritische Beschäftigung mit der Datenschutzreform. Den Leuten ist nicht bewusst, was diese Reform für ihr Internet, das heißt zum Beispiel für all die Dienste, die sie täglich nutzen, bedeuten würde. Im Grunde bräuchte es eine Stimme der Vernunft, die sich in die Diskussion einmischt und die sich jenseits solcher Skandalisierungstendenzen kritisch mit der Reform und auch den Änderungsvorschlägen auseinandersetzt. Und zwar eine Instanz, der nicht allein deswegen nicht zugehört wird, weil sie eigene Interessen vertritt. Tja, eigentlich hatten wir eine solche unabhängige, zivilgesellschaftliche Instanz: die Spackeria.
Wenn die Spackeria jemals irgendeinen Sinn gehabt hätte, dann jetzt. Ich frage mich nur, was sie gerade macht. Wo bleibt die Kavallerie?
Den Kram selber nicht lesen aber behaupten, dass es „die Freiheit im Netz einzuschränken“ wird, „und zwar schlimmer als es beispielsweise der Jugendschutzmedienstaatsvertrag“. Finde den Fehler. m(
ja, diese Stimme der Vernunft braucht es jetzt. Aber nur Tante alleine wird das nicht stemmen können. Oder gab’s da im letzten Jahr Neuzugänge?
Ich habe vor nem Jahr was dazu geschrieben und die Fakten haben sich nicht geändert.
Ein paar Regelungen werden jetzt aufgeweicht, den Rest wischen die Menschen mit Checkboxen weg. Weil die grundlegende Ideologie, die der Verordnung zu Grunde liegt, völlig mit der Lebenswirklichkeit der Menschen kollidiert.
Also wenn Du der Ansicht ist das Gesetz ist doof ist Lobbyismus legitim und „gut“, geht es aber um selbigen von Keckler & Hoch beim Verteidigungsministerium oder Wattenfail bei Gesetzen zur Energiewende ist der „böse“. Korrekt verstanden?
Dass aus dem Gesetzesentwurf gerade mit seinem „Privacy default“ wieder mal das von der EU hinreichend bekannte Menschenbild des „der Bürger ist ein Trottel der in seinem eigenen Interesse rundum betreut, geschützt, überwacht werden muss“ spricht steht ja außer Frage.
ich finde lobbyismus nicht per se schlimm, aber immer kritisch zu hinterfragen
lobbyismus funktioniert ja so: du als interessenvertreter versuchst den parlamentariern deine wünsche als mit dem gesellschaftlich wünschenswerten kongruent darzustellen. manchmal stimmt das sogar, oft auch nicht. da muss man aufpassen, deswegen ist transparenz hier so wichtig.
aber dieses: ihhh, der anzugmsnn hat meinen volksvertreter angefasst!!11-geschrei kann ich nicht nachvollziehen.
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