„Wer liberal ist, verteidigt geistiges Eigentum“ sagte Mathias Döpfner, Verlagschef von Axel Springer in der NZZ. Ich finde das hinreichend lustig und gleichzeitig folgerichtig, um da ein wenig weiter zu denken. Immerhin geht es um das Leistungsschutzrecht und das, wovor das Urheberrecht verteidigt werden muss, ist der Markt. Vom, klar, Staat. Das ganze kam zu uns über die Koalitionsvereinbarung, also auch über die FDP. Diese neoliberal… Ähhm.
Der Neoliberalismus ist ein politischer Kampfbegriff und – wie immer wieder richtig angeführt wird – geht die Bezeichnung schon vom Ursprung her völlig fehl. Da ich aber liberal bin, vor allem in sprachlichen Dingen, finde ich diese Kritik kleinlich. Die Menschen haben sich hierzulande nun mal entschlossen, diese gewisse politische Haltung so zu nennen. So ist sie halt, die Sprache, die räudige. Ich finde den Begriff aus einem ganz anderen Grund problematisch. Denn der Neoliberalismus – wie er hierzulande verstanden wird – ist gar nicht eine Ideologie. Sondern zwei.
Zum einen ist da, ganz klassisch, die Marktideologie: Es wird angenommen, dass der Markt in seinem Spiel um Angebot und Nachfrage für die beste Verteilung der Güter sorgt.
Zweitens ist da ein weiteres Dogma: Arbeit muss bezahlt werden! Im Grunde seines Herzens ist dieses Dogma ein Sozialdemokrat. Es entstammt der Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten im Industriezeitalter, hat seine denkerischen Wurzeln sicher im Protestantismus und gilt bis heute tief in alle Parteien hinein. Heute spukt diese Ideologie am liebsten im Begriff der „Leistung“ herum.
Der Witz ist, dass diese beiden Ideologien überhaupt kaum kompatibel sind. Und dennoch werden sie meist als ein einziger Denkansatz wahrgenommen. Vieles, was man heute Neoliberal nennt, ist in Wirklichkeit sozialdemokratisch.
Es ist kein Zufall, dass es die Sozialdemokraten waren, die Hartz IV einführten. Wer arbeitet, soll Lohn haben, wer viel arbeitet soll viel Lohn haben, wer nicht arbeitet, soll auch nicht … naja, vielleicht ein bisschen was, aber jetzt husch! such dir eine Arbeit!
Das alles passt besser zusammen, als viele SPDler es sich eingestehen wollen. Und auch, wenn die Fackelträger dieser „neoliberalen“ Denke mitsamt seinem sozialdemokratischen Unterbau jetzt am ehesten bei der FDP zu finden sind, ändert das nichts an der Tatsache, dass diese Denke überhaupt nichts mit einer Marktideologie zu tun hat, im Gegenteil.
Aber zurück zu Hartz4. In einer idealen Marktsituation begegnen sich die Marktteilnehmer auf Augenhöhe. Dazu gehört auch immer die Option, einen Handel nicht eingehen zu müssen. Hartz IV hat genau diese Option für Arbeitnehmer extrem eingeschränkt. Ein Arbeitnehmer wird durch die Hartzreform mehr als je in den nächst besten Handel (Arbeitsangebot) hinein gezwungen. Verfechter einer reinen Marktideologie hätten gegen Hartz IV Sturm laufen müssen. Aber da war … nichts.
Die sozialdemokratische Ideologie des „Arbeit muss bezahlt werden“ findet sich heute überall. Bei dem parteiübergreifenden Ziel der Vollbeschäftigung, über „Leistung muss sich wieder lohnen!„-Parolen, genauso wie bei der Forderung nach dem Mindestlohn. Überall steht die Vorstellung, dass sich „Arbeit“ in einer „Leistung“ ausdrückt, die der „Gerechtigkeit“ wegen so und so entlohnt werden muss. Materielle Existenz hat gefälligst untrennbar an Arbeiten und Leistung geknüpft zu sein – obwohl das in Wirklichkeit noch nie so war. Die Parteien streiten sich nur, was „Leistung“ ist. Ob der Markt jetzt Ausdruck der Leistung ist oder die Arbeitszeit oder die Anstrengung, die Nachhaltigkeit der Anstrengung oder was auch immer. Diese Denke steckt tief im inneren unseres Denkens, viel tiefer als die Idee des Marktes. Sie ist unsere Sklavenmoral.
Und sie steckt auch im Urheberrecht und im Leistungsschutzrecht im besonderen. Da soll also eine Branche vom Staat vor dem Markt beschützt werden und das soll man dann „liberal“ nennen.
Ich bin übrigens nicht dagegen, dass der Journalismus überlebt und meinetwegen kann er das auch entgegen des Marktes tun. Wenn uns der Journalismus etwas wert ist, werden wir auch jenseits des Marktgeschehens dafür sorgen, dass er seinen Platz hat. Aber das Leistungsschutzrecht ist ein Feigenblatt feiger Verleger, die darauf Pochen, nur und ausschließlich vom freien Markt bezahlt zu werden und ihn deswegen gesetzlich nötigen wollen, seine Produkte nach aufgezwungenen Konditionen zu kaufen. Leistungsschutzrecht und Hartz IV sind zwei Seiten der selben Unlogik und Stolpersteine auf dem Weg in die Zukunft.
Wie ich schon vor einiger Zeit geschrieben habe: uns von der Ideologie der Leistung zu befreien ist die wichtigste und schwierigste Aufgabe, die uns bevor steht. Im Informationszeitalter steht genau diese Ideologie jeder Innovation entgegen. Sie verhindert ein Neudenken des Urheberrechts, hält blind an der Vollbeschäftigung als Ziel fest, statt ein bedingungsloses Grundeinkommen zu ermöglichen, gegen dass die Leistungsideologie sowieso Sturm läuft, hat sogar Angst vor der Automatisierung, weil Arbeitsplätze verloren gehen und wacht Eifersüchtig über alle Informationen und will nichts teilen. Sie sitzt auch als hässlicher, grüner Gnom in unserem Kopf und schreit eifersüchtig: „das hat der gar nicht verdient!„, wenn jemand auf ein eingebundenes Video Flattrklicks bekommt. Ja, auch in deinem Kopf!
Nachtrag: Andy hat in den Kommentaren richtig darauf hingewiesen, dass Thilo Sarrazins Denken die in Reinform gesteigerte sozialdemokratische Ideologie ist. Der Mensch ist nur noch wert, was er für die Volkswirtschaft beizusteuern weiß. Am besten sortiert man die Menschen nach diesen Kriterien schon im Vorfeld anhand statistischer Merkmale aus.
Das Ausschlussverfahren ist somit tatsächlich völlig ungerechtfertigt. Besser sollte die SPD überprüfen, in wie weit ihre an Arbeit über alles stellende Denke konsequent in den Sarrazinismus führen kann.
Von der Leistung, die ein Mensch erbringt, die etwas wert ist, ist der Weg zum Wert des Menschen selbst nicht weit. Ein Katzensprung eigentlich. Und schwupps sind wir bei Sarrazin und Co.
Äh, da fehlte die Schlußfolgerung:
Diese Wert-des-Menschen-Denke, die sich aus dem Leistungsgedanken speist, ist ein Grund mehr, sich möglichst möglichst schnell von diesem zu verabschieden.
Es ist sozusagen sogar ein humanistisches Projekt, das den Menschen ums einer selbst willen in den Mittelpunkt rückt.
Ja, Sarrazin ist quasi die Radikalisierung eines bestimmten sozialdemokratischen Denkens. Dass tatsächlich von weiten Teilen der Bevölkerung geteilt wird. Am meisten von den Verlieren dieses Denkens.
Ich finde dieses Schießen auf die Sozialdemokratie etwas unfair. Zur damaligen Zeit (also so um 1900 als die SPD entstand) war der Spruch überaus angebracht, denn es herrschte Vollbeschäftigung, aber die Arbeiter wurden praktisch ausgeplündert und wie Dreck behandelt. Da macht es Sinn zu sagen, dass die Leute die „arbeiten“ mehr Geld zusteht als denen den das Unternehmen gehört.
Dieser Ansatz war erfolgreich und hat die SPD in die Macht und damit zur staatstragenden Partei gemacht. Anfänglich hat sie mMn durchaus viele Verbesserungen für die Arbeiter erreicht (teilweise auch indirekt), Sozialversicherungsmodell, Arbeiterrrechte, Arbeitermitbestimmung uvm haben wir der SPD zu verdanken.
An der Macht fällt es aber natürlich schwer auf neue Probleme angemessen zu reagieren, vorallem wenn man seine Alten gelöst hat und nunmehr mehr eine tradierte Partei ist.
Auf das Phänomen „Massenarbeitslosigkeit“ hat es die SPD nicht fertig gebracht angemessen zu reagieren, wie zB auch die Gewerkschaften (die hängen auch am Arbeiterdogma). Die Reaktion der SPD war am Anfang zwar bemüht aber relativ hilflos, man gab den Leuten halt Sozialhilfe und versuchte vielleicht noch ein bisschen Keynesianismus. Hat aber auch nicht den gewünschten Erfolg erbracht. In ihrer Hilflosigkeit hat die SPD dann die Hartz4-Reformen verabschiedet. Natürlich begründet mit alten sozialdemokratischen Idealen, aber nun so pervertiert, dass in der Bedeutung umgekehrt wurden.
Ich würde dir sofort zustimmen. Die SPD hatte die richtige Ideologie zur richtigen Zeit. Aber wie sich immer deutlicher zeigt, versagt die Ideologie eben heutzutage. Mir ging es gar nicht darum, die SPD zu verurteilen, sondern die Ideologismen freizulegen. Die sozialdemokratische Ideologie hat große Dinge vollbracht und viel Fortschritt in die Welt, ohne Frage. Derzeit bremst diese Denke aber gewaltig.
Wie sähe denn deine Alternative zu Hartz IV aus? Siehst du irgendein realistisches Finanzierungsmodell für ein Bedingungsloses Grundeinkommen? Ich habe noch nichts gefunden, was auch nur halbwegs realistisch klang.
@ Milhouse Ganz ehrlich. Dazu bin ich viel zu wenig Ökonom. Mir geht es da wie dir: es gibt keine Modell dass mich überzeugen könnte. Ebenso aber auch kein Argument, dass mich überzeugen könnte, dass es nicht geht. Dafür ist das alles viel zu anders. Grundlegende Dinge würden völlig anders funktionieren.
Wovon ich aber überzeugt bin, ist, dass das der einzige Weg ist. Die Arbeitsgesellschaft geht definitiv dem Ende entgegen. Zusätzlich gibt es viele Aufgaben, die ein solches Modell lösen würde. Vom Künstlereinkommen für die Sicherung der Kultur, über die Nichterpressbarkeit in einer transparenten Welt, bis hin zum notwendigen nächsten Schritt der Menschheitsemanzipation. Ich sehe da keine Alternativen.
Die Sozialdemokraten mögen ihren beste Zeit hinter sich gelassen haben, ja. Aber mich stört dass du die Hartz4-Logik als konsequente Fortführung Sozialdemokratie siehst, auch wenn ich den Gedankengang sicher interessant finde.
In einer zukünftigen Welt mit BGE könnte man vielleicht argumentieren, dass Imperialismus und Nationalismus im Herzen der BGE-Logik steckt, weil bedingungslos ja nur für Deutsche gilt. Gleichzeitig könnten wir das BGE erhöhen, wenn wir andere Länder unterdrücken/ausplündern.
Wäre ein BGE damit im Kern jetzt nationalistisch und imperialistisch? Ich glaube nicht, denn es sind andere Grundsätze die diese Idee tragen. Es ist aber möglich diese Idee zu missbrauchen, wie es auch bei der SPD derzeit geschieht.
@ Stefan Ich bin da etwas unfair, das stimmt. Differenzierter Ausgedrückt könnte man vielleicht eher sagen: Hartz IV und Sarrazin sind folgerichtige Ergebnisse eines bestimmten sozialdemokratischen Denkens, denn das ist ja durchaus auch heterogen. Aber ich brauche natürlich auch die Zuspitzung, sonst gibt’s ja zu wenig buzz 😉
Dein Beispiel hinkt aber. Das BGE ist erstmal noch keine Ideologie, sondern ein Vorschlag einer konkreten Maßnahme. An der Ideologie dahinter arbeite ich noch. 😉 Aber du hast recht, dass solche Ideologien immer auch unerwünschte Seiteneffekte haben können. Das will ich nicht ausschließen, aber das ist auch kein Grund das dann nicht trotzdem zu probieren.
@milhouse
…das ist ja auch ein sehr weites Feld, das dazu relativ neu ist und ständig in der Entwicklung. Ich beschäftige mich durchaus damit und habe auch keinen Überblick über alle Pros und Cons, zumal die verschiedenen Modelle sich teils stark widersprechen.
Was mich aber mal freuen würde in Diskussionen zu diesem Thema: wenn die Leute, die (wie du hier) jedesmal ankommen und verlautbaren, daß sie „nix davon überzeugend“ finden, auch mal sagen könnten, WAS sie denn überzeugend finden stattdessen.
Für mich geht (nach meiner derzeitigen Überzeugung) nichts an einem Grundeinkommen vorbei, nach welchem Modell das dann auch immer realisiert werden soll. Der dazu notwendige tiefgreifende Wandel der in unserer Gesellschaft vorherrschenden Ethik- und Wertvorstellungen ist ja generell Thema dieses Blogs, dazu brauche ich dir wohl wenig zu erzählen ;-).
Die Frage ist eher, wie wir da hingelangen können. Solche Wenden kopernikanischen Ausmaßes gehen nicht Knall auf Fall… so ähnlich stelle ich mir das ja auch mit der Direkten Demokratie vor: würde man die jetzt in ihrer Reinform hier einführen, wäre der Durchschnittsdeutsche schlicht und einfach überfordert, und da nehme ich mich nicht aus. Es geht also nur schrittweise, und da stehen wir halt vor dem Problem, daß derzeit auch nur das laute Nachdenken über ganz kleine erste Trippelschrittchen sofort mit lautstarkem Geheul und martialisch gezückten Zeigefingern aus diversen Besitzstandswahrerecken quittiert wird.
Die neuen Revolutionen dürften also weniger laut und rumpelig und eher hinterhältig und subtil sein, anders gehts nicht^^
Zunächst klingt es ja alles ganz kohärent, schlüssig und logisch. Auch die Sarrazin-Sozialdemokratie-Linie kann ich gut nachvollziehen.
Blos, irgendwie wird da in der Mitte ein riesengroßer Bock geschossen:
„Existenz hat gefälligst untrennbar an Arbeiten und Leistung geknüpft zu sein – obwohl das in Wirklichkeit noch nie so war.“
Gemeint ist der letzte Halbsatz. Abgesehen von philosophischen Debatten über den Begriff Wirklichkeit, wann bitte war es NICHT so?
Seit Anbeginn der Menschheit, noch bevor der erste Faustkeil erARBEITET wurde, musste sich der gemeine Mensch gefälligst in irgendeiner um sein Futter, seine Felle, sein Feuer und seine Höhle kümmern.
Ausnahmen waren/sind da maximal der eine oder andere Diktator, Paris Hilton und ähnliche Sozialschmarotzer.
Ja, die Figur der Solidargemeinschaft ist ebenso alt. Kinder, Alte, Schwache, wurden (aus dem gemeinen Ökonom vielleicht schwer ersichtlichen Gründen) ebenfalls mit durchgefüttert, soweit es der Gemeinschaft möglich war.
Doch grundsätzlich war das Existenzrecht dann doch wohl immer an eine implizite, naturgesetzmäßgie Pflicht gekoppelt, die Pflicht zum Existenzerhalt der Gemeinschaft im Rahmen der eigenen Möglichkeiten beizutragen.
Und, oh Schreck, von dort ists auch nur ein kurzer Argumentationsweg zur Sozialdemokratie. Egal wie mittelprächtig die Umsetzung dieser Argumentation bei uns gelungen sein mag.
@DoppelM In der Tat ist das unsauber ausgedrückt. Ich wollte sagen: Es gab noch nie eine Korrelation zwischen Wohlstand und einer wie auch immer gemessenen Arbeitsleistung. Also das je mehr man arbeitet, desto mehr Wohlstand hat man. Das stimmte noch nie. Heute nicht, nicht im Mittelalter oder sonstwo.
So schon eher. Das Problem bei der landläufigen Vorstellung des BGE ist allerdings, dass es eine Höhe haben soll, die einen bescheidenen Wohlstand ermöglicht, ohne der Existentserhaltungspflicht nachzukommen. Was wahrscheinlich das Arbeitsangebot sinken lassen würde auf ein Niveau, die genau dies, die Existenzerhaltung der Gesamtgesellschaft erheblich gefährden könnte. Das allein schon in einer geschlossenen Ökonomie, was mer ja nu nich sind und auch nich anstreben sollten.
Das einzige mich überzeugende Konzept eines BGE kam bisher von Straubhaar, (zynischer, extrem neoliberaler VWL-Prof in Hamburg, Hofautor des Spiegel). Vermutlich wäre das dabei herauskommende BGE aber auch nicht höher als Hartz IV, eher niedriger.
Ganz einfach, weil die Anreizstrukturen auch für Geringverdienende erhalten bleiben müssen (die Löhne wiederum sind durch die Offene Ökonomie nicht besonders gut kontrollierbar, aber das ist ne andere Diskussion).
…wobei ein BGE auf Hartz4-Höhe mmn durchaus diskutabel ist – viel höher muß es nicht sein. Denn der Unterschied zum echten Hartz4 ist: es ist bedingungslos und kann weder auf Null gekürzt werden noch ist es mit erniedrigenden Schikanen verbunden.
Für die mitlesenden SPD-Fans 😉
Modell für ein Solidarisches Grundeinkommen ausgearbeitet:
http://bgekoeln.ning.com/profiles/blogs/modell-fuer-ein-solidarisches
Da wird einiges vermischt. Richtig ist, dass Sozialdemokraten in Europa durchaus schon mit Eugenik experimentiert haben, um 1900 herum. Davon ist man aber recht schnell abgekommen.
Sozialdemokratie ist ja ein Kind des Sozialismus allgemein, genauer: des Marxismus. Nun hat sich die Programmatik der SPD aber weiterentwickelt. Spätestens 1959 wurde die SPD von der Arbeiterpartei (Klassenpartei) zur Volkspartei.
Richtig ist aber: Arbeit steht für die Sozialdemokratie im Zentrum.
„Wir wollen den Frieden, Freiheit und Recht, dass keinem es an Brot gebricht, dass Arbeit aller Menschen Pflicht, dass keiner sei des andern Knecht“, das skandierten frühe Sozialdemokraten nicht von ungefähr.
Es stimmt auch, dass die Welt nicht fair ist. Welche Bezahlung man für Arbeit erhält hat nichts mit dem tatsächlichen Wert der Arbeit zu tun. Kindergärtner leisten für die Gesellschaft viel mehr als irgendein Rechtsanwalt, das schlägt sich aber nicht im Gehalt nieder.
Die Welt ist nicht gerecht, das ist wahr. Sie war nie gerecht und sie wird es nie sein. Allein die Geburt entscheidet, ob man im reichen Europa lebt oder als armer Bauer in China.
Es kann also nur darum gehen, mehr Gerechtigkeit zu erreichen.
Trotzdem bleibt Arbeit Kern der Gesellschaft. Wir definieren uns über unsere Arbeit, das ist völlig unstrittig. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Es gilt: wer selbst für sich sorgen kann, hat die Pflicht, dies zu tun. Es gibt kein Anrecht auf bedingungslose Alimentierung. Wer nicht für sich selbst sorgen kann, aus welchen Gründen auch immer, hat Anspruch auf Hilfe der Gemeinschaft. Die Gemeinschaft hat aber ebenso den Anspruch darauf, dass der, der für sich selbst sorgen kann, dies auch tut. Das ist solidarisch und gerecht. Solidarität ist schließlich keine Einbahnstraße.
Ebenso ist klar, dass Scheitern zu unserer Gesellschaft dazugehört. Deshalb ist das Leistungsschutzrecht ja so unglaublich dumm.
Neoliberalismus ist jedoch was anderes als Sozialdemokratie, das macht wenig Sinn, das zu vermischen. Neoliberale wollen keinen starken Staat, Sozialdemokraten schon. Das nur mal als Grundaussage. Und echte Neoliberale würden Sozialhilfe komplett abschaffen – wenn jeder für sich selbst sorgt, ist schließlich für jeden gesorgt.
Hm, „Materielle Existenz hat gefälligst untrennbar an Arbeiten und Leistung geknüpft zu sein – obwohl das in Wirklichkeit noch nie so war“, nicht? Vielleicht nicht untrennbar, aber wie war das denn deiner Meinung nach „früher“?
Und das Grundeinkommen? War auch noch nie so, oder? Komisches Argument…
Lohn entkoppelt von Leistung? Das gibt es doch schon bei Beamten. Aber eben nur, wenn tatsächlich arbeitende Menschen dafür zahlen. So könnten wir als Staat auch ein Grundeinkommen stemmen, dann halt auf dem Rücken der Entwicklungsländer. Ist ja jetzt fast schon so.
Vielleicht besteht die Chance auf Überwindung der Ideologie von Döpfner und Co. weniger darin, sich seines sozialdemokratischen Selbst zu versichern und/oder sozialwissenschaftliche Analysen und Großtheorien zu verfassen, sondern konsequent dagegen anzuhandeln, z.B. indem man die eigenen Werke – ob als Wissenschaftler, Künstler oder Schriftsteller (siehe z.B. Cory Doctorow oder Arthur Missa: http://www.archive.org/details/FormenverfugerFormenverfger.StckeAusProsa) – unter freie Lizenzen bringt und konkret damit anfängt, Döpfners Satz ad absurdum zu führen.
Geistiges Eigentum, das vom Kapital „geschützt“, d.h. zum Geldverdienen verwendet wird, ist keines!
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Hier ist so viel falsch und wirr gedacht, dass mehr als ein trolliger Kommentar mit Verweis auf nachzuholende Lektüre nicht zu leisten ist.
Ohne Lohnarbeitszwang würde ich gerne die drei bis vier Stunden investieren, die notwendig wären die versammelten ökonomischen Fehschlüsse vernünftig zu kritisieren und offenzulegen.
Unbedingt Marx lesen. Und die Einleitung von Hegels Phänomenologie des Geistes.
Oder wenigstens die Kapitaleinführung von Michael Heinrich: http://preview.tinyurl.com/yfuf7kx
Marx lesen lohnt sich, gerade als Liberaler.
Das scheint mir ein pervertierter Sozialdemokratiebegriff zu sein, der Argumentation mit Ziel verwechselt. Die Sozialdemokratie hat nicht zum Ziel, eine einer Leistung entsprechende Entlohnung zu haben, sondern hat diese als Zwischenschritt gefordert. In den letzten 100 Jahren ist es dabei hängengeblieben, genau wie „Gleiches Recht für alle“ mittlerweile als Schutzargument mächtiger Positionen, und nicht mehr als Forderung gegen im Recht manifestierte Unterdrückung dient. Kurz gesagt: Die Sozialdemokratie wollte für «Viel Arbeit» «Viel Lohn», aber nicht unbedingt für «Wenig Arbeit» «Wenig Lohn». Als Argument kam dafür eine Gerechtigkeitsschiene, und die schlägt halt zurück, wenn ein irgendwie gearteter Gerechtigkeitsbegriff mittlerweile als eigentlich zu erreichender Wert angesehen wird. Das ist vielleicht eine pervertierte realexistierende Sozialdemokratie, aber dadurch ist Sozialdemokratie nicht leistungsfixiert (auch wenn die durchaus wie bspw. auch frühe(re) Anarchist_innen einen krassen Arbeitsfetisch hatten, aber eben als Schutzargument: Wenn schon Arbeit, dann doch bitte auch Lohn). Ich hab zwei Sachen geschrieben die ein bisschen in die Richtung gehen: http://blog.adrianlang.de/?p=804 und ein bisschen auch http://blog.adrianlang.de/?p=751.
@mspro
Wie verträgt sich denn deine Theorie vom Ende der Arbeitsgesellschaft hiermit:
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,718768,00.html
Im Übrigen finde ich es unlauter, sich der Frage nach der Finanzierbarkeit eines BGE mit dem Argument zu entziehen, man sei eben kein Ökonom.
Genauso könnte ich die Abschaffung jeder Sozialleistung fordern und auf die Frage, wie sich denn Arbeitslose vor dem Hungertod retten sollen, antworten: ich bin kein Ernährungsexperte, das muss eben gehen.
Soweit ich das überblicke, scheitert jedes BGE schon mal an den nationalen Grenzen. Ist es mehrwertsteuerfinanziert, kann niemand mehr dauerhaft von außen nach Deutschland kommen. Kein Tourist, kein Gaststudent.
Ist es lohnsteuerfinanziert, darf niemand dauerhaft das Land verlassen. Sonst würden nämlich alle Großverdiener genau das tun, bevor du dreimal „BGE“gerufen hast.
Ein nicht-praktikables System ist keine Alternative.