Ein Jahr Snowden. Und die Stimmung ist so lala. Das muss nicht sein. Sie könnte richtig mies sein. So wie meine. Vielleicht kommt das ja noch, wenn ihr meine zwei Beiträge dazu lest:
Ich wurde von Collaboratory zu meiner Einschätzung gefragt, was sich seit diesem Snowdenjahr verändert hat:
Das Jahr nach Snowden war vor allem eine große Desillusionierung. Der Staat und die ihn steuernde institutionalisierte Politik wurden als schlechte Inszenierungen hilfloser Zyniker entlarft. Ich hatte nie mit viel gerechnet, aber so brachial hätte ich mir den Offenbarungseid der Politik nicht vorgestellt.
Wir müssen heute erkennen: Bürger- und Freiheitsrechte waren nie das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Das ganze Gerede vom staatlichen Datenschutz kann im Nachhinein nur noch als Witz verstanden werden. Ich kann die Politik nicht mehr ernst nehmen und wenn doch, dann nur als Gefahr. Der BND sieht das alles als Machbarkeitsstudie und die Regierung will immer noch ihre Vorratsdatenspeicherung. Sie sind Adressat für alle, die jetzt mithilfe der Snowdenleaks ihre Interessen gegen das Internet durchsetzen wollen, aber in den Entscheidenden Fragen: Zähmung und Transparenz der Geheimdienste, Asyl für Edward Snowden, Aufklärung der NSA-GCHQ-BND-Aktivitäten – gibt es nur Totalausfall.
Ansonsten tut man, was man kann: Ich habe verschiedene verschlüsselte Kanäle eingerichtet und betrachte das in Zeiten wie diesen, als einen Akt der Gastfreundschaft. Auch wenn ich weiß, dass es nicht viel hilft. Wir können nur alle hoffen, dass die Geheimdienste ihre Macht nicht eines Tages im großen Maßstab ausnutzen.
Und dann wollte Politik-Digital noch wissen, wie wir wohl in 10 Jahren auf diese ganze Snowdensache blicken werden:
2001 kam heraus, dass die NSA alle Telefonate und Datenverbindungen zumindest in Europa abhört. Das damalige Programm, das enthüllt wurde, hieß Echolon. Die EU-Kommision strengte eine Untersuchung an. Der Skandal wurde aber bald vom 11. September überschattet. Menschen vergessen schnell.
Wenn ich mich also frage, was in zehn Jahren von den Snowden-Enthüllungen übrig geblieben sein wird, bin ich skeptisch. Vermutlich ein paar nette Filme von Oliver Stone und Sony Pictures (die Filmrechte wurden gerade verkauft). Ansonsten wird sich die Überwachungsintensität auch die nächsten zehn Jahre vor allem an Moores Law orientieren, also eine Verdopplung alle zwei Jahre. Fünf Verdoppelungen sind eine Menge, das merkt man auch an der Relation zwischen Echolon und den Snowden-Enthüllungen. Da geht noch einiges: Immer mehr Lebensbereiche wandern ins Internet: Unsere Haushalte, der Straßenverkehr, Energieversorgung, Kommunikation wird immer unmittelbarer. Vielleicht scannen sie in zehn Jahren schon unsere Hirne, wer weiß. Es würde mich nicht wundern, wenn wir 2023 erneut aus allen Wolken fallen, wenn wieder eine neue Geheimdienst-Enthüllung ans Tageslicht kommt.
Auf ein weiteres, erfolgreiches Snowdenjahr!