"Gott ist schuld!"

So, weil mir das grad echt auf den Senkel geht. All die Pseudoaufgeklärten, die jetzt meinen, man könne sich aus der Affäre ziehen, indem man jetzt statt den Islam, einfach die Religion im Allgemeinen verantwortlich macht. Ihr macht es euch zu einfach! Die Religion, und wenn man es so schon so weit fassen will, der Glaube ist nicht das Problem!

Und wenn ich schon höre: „Bildung ist der Schlüssel„, „Aufklärung braucht das Land„. Hab ihr es noch nicht mitbekommen? Die religiösen und politischen Führer, all die Rädelsführer, Spindoktoren, Mullahs, die den ganzen Scheiß erst anheizen sind ohne Ausnahme gebildete Leute. Das ist die Elite. Die haben sicher noch weit mehr auf dem Kasten als ihr!

Und von wegen, dass sich eine Gesellschaft von Gebildeten nicht instrumentalisieren lässt: Waren Heidegger, G. Benn, G. Frege, Leni Riefenstahl, W. von Braun und all die anderen, waren die zu dumm, zu ungebildet? Hätten sie vielleicht noch mal Mathenachhilfe nehmen sollen, dann wäre das nicht passiert? So ein Quatsch!

Ihr seid selber so sehr in Eurem verbohrten Glauben einbegriffen, dass ihr gar nicht mehr über den Tellerrand blicken könnt! Ihr seid kein Stück besser als die Fanatiker und Dogmatiker auf beiden Seiten des Konfliktes. Ihr wiederholt denselben Fehler, den Ihr den anderen vorwerft. Ihr haut Euch auf die Brust, weil ihr glaubt Gott ersetzt zu haben, durch Euren Rationalismus, euren Atheismus und Eure Wissenschaft. Weil ihr Gott ersetzt habt durch etwas anderes unersetzbares an das Ihr glaubt. Aber auch Vernunft ist ersetzbar, sie ist ersetzbar wie ein Gott ersetzbar ist. Sie ist absolut ersetzbar und zwar weil sie absolut unersetzbar ist, oder weil ihr sie dafür haltet. Glaubt mir, man wird sie ersetzen. Und deshalb ist die Vernunft schon verrückt, sogar die Verrücktheit selbst. Ebenso verrückt wie Gott.

Nein, nein, Gott ist nicht tot, Gott ist überall und ganz besonders ist er in eurem Denken am Werk. Gott ist nicht tot, er war nie tot, er ist eben nur verrückt. Er ist völlig verrückt geworden, nein er ist immer schon verrückt gewesen. Er ist verrückt nach sich selbst und zwar ist er verrückt, weil er einzigartig ist. Seht das endlich ein! Er ist einzigartig und zwar für jeden von uns. Und zwar ist er einzigartig weil er ersetzbar ist. Gott ist austauschbar, er war es immer schon und doch wollte er es nie sein. Niemand will, dass man seinen Gott einfach so austauscht. Niemand will ihn auf Bildern veräppelt sehen. Nicht die Moslems, nicht die Christen, nicht die Juden und – Ihr schreit es einem förmlich ins Gesicht – auch Ihr wollt euren Gott nicht ausgetauscht sehen! Euer Gott, der Gott der Weisheit und der Wissenschaft, der Logik und der Aufklärung, er ist nicht bei Sinnen, er hat den Verstand verloren, so wie alle anderen Götter auch.

Aber macht Euch deswegen keinen Kopf, das passiert. Es passiert jeden Tag. Und es wird auch morgen noch passieren. Euer Gott wird ausgetauscht werden. Deshalb darf man nicht glauben, dass es einen Gott gibt. Er will es Euch weismachen, er will Euch einreden, das versucht er immer. Jeder Gott versucht das.
Hört nicht auf Gott! Ich sage hört nicht auf ihn, wenn er Euch befiehlt: „Ich bin dein Herr und du sollst keine Götter haben neben mir„. Hört ihm nicht zu, wenn er das zu Euch sagt. Und glaubt nicht, dass der jüdische/christliche/moslemische Gott der einzige ist, der das sagt. Glaubt ja nicht, dass ihr Gott so billig entkommen könnt, indem Ihr Euch so arrogant und vorschnell Atheisten nennt. Ihr entkommt dem Glauben nicht, und auch Euer Gott ist verrückt. Er ist ebenso getragen von der eifersüchtigen Rachsucht. Das ist sein Wesen. Das Wesen eines jeden Gottes. Die Eifersucht IST Gott. Gott ist nichts als Eifersucht. Jeder Gott will immer der einzige Gott sein.

Ich für mich sage Euch deshalb: Ich habe nur einen Gott, und das ist nicht der meinige, es ist der Gott des anderen. Ich bin nicht der Herr meines Gottes. Und auch wenn es manchmal so aussieht, dass ich ihm folge, wo immer er mich hinbefiehlt, dann tue ich es nur, weil ich weiß, dass er ganz anders ist als alle anderen Götter, weil er einzigartig ist und weil mein Gott niemals euer Gott sein wird. Aber weil ich weiß, dass eure Götter ebenso einzigartig sind, lass ich sie Euch. Glaubt ruhig an sie, die Vernunft. Ihr werdet nicht die ersten sein und ihr werdet nicht die letzten sein. Aber beschwert euch später nicht, wenn sie Euch nicht zuhört, wenn die Vernunft selbst zu verrückten Schlächter wird, wenn sie rational – auf rationale Weise – schlachtet. Und es wäre nicht das erste Mal, wenn sie das tut. Und wenn der Atheismus, der radikale und dogmatische Atheismus, mal wieder um sich greift, wenn er den Menschen befieht nicht mehr an Gott zu glauben, dann glaubt mir, er tut es einzig und allein, weil er der einzige Gott sein will. Eure Götter sind nicht besser oder schlechter als mein Gott oder irgendein anderer.

Aber kommt mir nicht mehr mit Eurem Geschwätz, dass Euer Gott das Heil über die Menschheit bringen wird. Dass Euer Gott überlegen wäre, dass alles gut wird, wenn jeder nur noch an Euren Gott glauben wird. Denn das flüstert er euch nur ins Ohr, nachts wenn ihr schlaft. Ihr müsst aufpassen, dass Ihr Euch nicht überreden lasst, so wie sich viele haben überreden lassen. Ja, auch die Nazis haben sich überreden lassen, die Kreutzzügler, die Islamisten haben sich überreden lassen und ihr fangt auch schon damit an …

(PS: Ich bin wahrscheinlich auch das, was Ihr einen Atheisten nennt. Ein Atheist, aber ich bin keiner, der sich darauf etwas einbildet. Ich glaube nicht daran, dass ich durch meinen Atheismus Gott entkommen kann. Ich bin sehr vorsichtig mit meinem Atheismus, weil weiß, dass er jederzeit über alles herfallen wird, was nicht seinen Glauben teilt. Wenn ich nicht aufpasse. Ich passe auf. Nichts anderes erwarte ich von jeder Religion. Auch von Eurer)

16 Gedanken zu „"Gott ist schuld!"

  1. Da sind einige sehr vernünftige Überlegungen drinne. Für mich klingst Du aber nicht unbedingt wie ein Atheist, sondern eher wie ein Agnostiker, oder?

  2. Meine Überlegungen gehen vielmehr in die Richtung, dass solche Begriffe wie Atheist und Agnostiker, kaum mehr haltbar sind. Meiner Meinung nach, gibt es so etwas wie einen Atheismus nicht, denn wenn man die Definition des Glaubens und damit Gottes entsprechend weit fasst, geraten diese Begiffe extrem in Bedrängnis. Jeder glaubt an irgendwas, jeder hat seinen Gott. Ohne Ausnahme. Und selbst wenn man nur an den „Sinn“ von Worten glaubt – und ohne diesen Glauben könnten wir hier nicht schreiben – ist jeder schon inbegriffen im Glauben und in der Religion.

    Und genau das wollte ich zeigen und erreichen. Viele Leute fühlen sich in ihrem sogenannten Atheismus überlegen und schauen herab auf die Leute, die an Gott oder sonstwas glauben.
    Dem will ich entgentreten, weil genau hier die selbe Gefahr lauert, wie in jeder Religion. Die ganze Scheiße die wir zur Zeit an den Hacken haben, ist genau in dieser arroganten und selbstgefälligen Haltung angelegt.

  3. Homo Fabern? Schwachmaten sind das! Man muss sie mit Feuer und Schwert … (*Ruhig Gott, ruhig! Halts Maul endlich!*)
    Ehem, äh … ja.

  4. Nun, da sind wir doch gar nicht weit auseinander. Wie ich immer zu sagen pflege: Auch ein Atheist ist immer noch eine Unterart von -Theist – sprich jemand, der einen festgefügten Glauben im Hinblick auf die Existenz (oder meinetwegen auch Nichtexistenz) Gottes hat, das schenkt sich meines Erachtens auch nicht viel.

    Aber „Agnostiker“ seh ich nicht in einer Reihe mit Mono-, Poly- oder Atheisten. Denn der Agnostiker sagt bescheidenerweise nur, dass wir es letztlich nicht wissen können, ob es einen Gott gibt oder nicht, und damit kann er es für sich auch gut sein lassen…

  5. Gut. Unter dieser Definition wäre ich aber wohl ein Hyperagnostiker. Was vielleicht der Nihilist mit verkehrtem Vorzeichen wäre.

    Im Grunde aber glaube nur an eins: Den Glauben.

  6. Auch das würde ich so unterschreiben. Deswegen hat mich das Rumreiten des Kollegen T.G. drüben bei Religionsfreiheit auf der Frage „Was wäre für Dich ein Beweis?“ etwas ermüdet ab einem gewissen Punkt.

  7. Ja, aber ich kann seine Argumentation durchaus nachvollziehen.
    Wäre Gott noch Gott wenn man ihn wissen könnte? Ich glaube nein.
    Es gibt noch etwas anderes woran ich noch glaube: ich glaube, dass man nur an das Unglaubliche glauben kann. An das glaubhafte zu glauben wäre kein Glaube mehr.

    Und das wiederum führt direkt in den Bereich der Ethik, den T.G. m.E. gut ausformuliert hat. Ethik ist von Grund auf unentscheidbar. Dies führt wiederum zu einer – ich will sagen – transzendentalen – Forderung an jeden einzelnen: die Verantwortung.
    D.h.:
    Wenn es Regeln gäbe, fixe Regeln, die uns sagen, was gut und was böse ist, was wahr und was Unwahr ist, dann gäbe es keine Entscheidung und keine Verantwortung mehr, sondern nur noch Regelanwendungen.

    Wenn also nur das Unentscheidbare entscheidbar ist, dann steht jeder in der Verantwortung zu entscheiden.

  8. Nun ja, inhaltlich finde ich die Einlassungen des Kollegen sowohl in der Ethikfrage als auch den Punkt mit dem transzendent verstandenen Daseinszweck des Menschen im hier und jetzt in weiten Strecken nachvollziehbar.

    Jeweils für sich betrachtet zumindest. In der Überleitung vom einen zum anderen kann ich dem Kollegen aber nicht ganz folgen, er verquickt da zum Teil Dinge, die nicht zwingend miteinander verschaltet sind.

    Ich will damit sagen, selbst wenn ich für mich zu den gleichen ethischen Schlussfolgerungen komme, lande ich deswegen noch lange nicht automatisch bei Gott. Und spätestens an dem Punkt fangen wir regelmäßig an, aneinander vorbei zu reden. Denn für ihn ist das eine vom anderen ja nicht zu trennen. Gott ist eine gegebene Tatsache für ihn, aus der alles weitere folgt. Und leider fehlt es ihm an Abstraktionsvermögen und Phantasie, sich eine Welt oder auch nur ein Gedankengebäude vorzustellen, das ohne diese Prämisse auskommt.

    Aber nichts destotrotz: Mir würde wirklich was fehlen ohne diese Debatten…

  9. Es liegt wohl in der Natur jeder Frage, dass sie umkehrbar ist. Dass sie sich genauso gegen einen Selbst richten kann, dass sie vielleicht aus dem Ruder laufen und verrückt werden kann. Die Frage nach Gott und nach Nicht-Gott ist solch eine Frage. Genau das wollte ich mit meinem Posting ja auch zeigen.

    Nichtsdestotrotz muss ich uneingeschränkt zustimmen: Diese Debatten sind enorm spannend. Vielleicht gerade wegen dieser Abgründe, die sich auftun zwischen zwei verscheidenen Glauben. Es ist oft frustrierend zu sehen, wie sich dieser Abgrund niemals schließen lässt. Ich glaube auch nicht, dass er sich schließen lassen sollte. Worüber sollte man dann noch reden? 😉

  10. Exakt aus diesem Spannungsfeld heraus ist religionsfreiheit ja entstanden – als Plattform für interkonfessionellen Meinungsaustausch. Herr Götze und ich hatten uns bei Chuzpe eine Kommentarschlacht geliefert zur Frage, inwieweit das Judentum nicht nur Relgion, sondern eben auch Ausdruck einer Ethnizität ist, und da kam der Gedanke auf, für diese Diskussionen einen eigenen Raum zu schaffen. Die Mischung der Stamm-Diskutanden sucht auch ihresgleichen: Herr Goetze ist LDS-Angehöriger, ich bin ein mehr oder weniger agnostischer Ex-Kathole, der seine ganz eigene Glaubensmischung jenseits aller bekannten Schubladen pflegt, Herr Wuerg hat evangelische Theologie studiert und Herr Nicodemus ist mehr oder eher weniger strenggläubiger Jude. Schade, dass wir nicht immer die Zeit finden, uns regelmäßiger dort auszutauschen.

    Ich hoffe jedenfalls, dass der Mitinitiator nicht allzu lange in der Schmollecke verharrt…

  11. Interessant. Ich habe jedenfalls dieses Blog gleich mal an meinen Rssreader verfüttert um auf dem Laufenden zu bleiben.

  12. Wenn also nur das Unentscheidbare entscheidbar ist, dann steht jeder in der Verantwortung zu entscheiden.

    Hm, an dieser Aporie hab ich mir vor einer Weile ziemlich die Zähne ausgebissen. Ich hab diesem Satz fast wörtlich schon mal irgendwo gelesen innerhalb der letzten 12 Monate, aber ich krieg den Kontext nicht mehr zusammen.

    Bist Du da selber drauf gekommen oder hast Du nen Quelle?

  13. das ist Derrida, in verschiedenen Werken. Vor allem in „Gesetzeskraft“. Ich gebe gerne zu, dass ich mich da sehr beinflussen lasse. Derrida zu lesen ist nicht minder schwierig, als sich das alles selbst auszudenken. Vor allem macht es für Derrida auch nicht wirklich einen Unterschied 😉

  14. Ah, ok, dann ist mir dieser Satz in lettre international begegnet. Wie ich bereits vermutet hatte. Denn ehrlich gesagt fehlt es mir an der notwendigen Leidensfähigkeit, mir das ganze Dekonstruktivisten-Ding aus erster Hand draufzuschaffen. Ich kann sowas nur noch in homöopathischer Dosis vertragen, seit ich die Uni hinter mir gelassen habe.

  15. Ihr scheint euch ja alle für sehr klug zu halten. Na, ihr werdet euch noch wundern.

    Ich tu es jetzt schon…

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