Ich bekam vor einigen Monaten einen Brief von Martin Steinkamp. Er fühlt sich durch meinen Beitrag hier einer Geschäftsschädigung ausgesetzt. Mein Mitleid, dass seine dubiose Masche Subdomains von co.de zu verkaufen, aufgrund verhagelter Suchergebnisse nicht mehr so zieht, hielt sich, naja, in Grenzen. Er betreibt dieses Geschäft nämlich noch heute und ich hoffe, ich konnte mit dem Öffentlichmachen ein paar Menschen davor bewahren, unnötig viel Geld auszugeben.
Der Ruf nach digitalem Vergessen ist ein gefährlicher. Wir reden hier über Werkzeuge der Informationskontrolle. Sind solche Werkzeuge erstmal in der Welt, entscheidet allein die größe des Hebels, wer sie erfolgreich einsetzt. Stefan Niggemeier hat diesen Umstand – vermutlich aus eigener schmerzhaften Erfahrung – in einem lesenwerten und sehr differenzierten Beitrag leider nur am Rande erwähnt, obwohl ich ihn für zentral halte:
Die merkwürdigen technischen Konstruktionen, mit denen dem Internet das Vergessen beigebracht werden soll, werden nicht funktionieren — außer, womöglich, für diejenigen, die die schlechtesten Motive und die größten Mittel haben.
Digitale Radiergummivisionen sind nicht umsonst DRM-Methoden sehr ähnlich: Informationskontrollstrukturen werden sich immer als Werkzeuge der Mächtigen entpuppen.
Das Wettbewerbs- und Pesönlichkeitsrecht sind derzeit die weitreichensten Konstruktionen der Informationskontrolle. Wir kennen sie über das Abmahnwesen, das regelmäßig über deutsche Blogs hinweg fegt, zu genüge. Sehr erfahren im Umgang mit diesen Werkzeugen ist seit jeher die Firma Euroweb.
Es gibt wenig gutes über Euroweb zu berichten und so fiel der Internetdienstleister 2006 das erste mal dadurch auf, dass er gegen negative Berichterstattung rechtlich anging.
Dabei weckte Euroweb allerdings schon damals schlafende Hunde. Es waren diverse Shitstorms, die Euroweb seitdem durchmachen musste und immer wieder wählte das Unternehmen rechtlichen Druck gegen Blogger als Mittel der Wahl. Julio Lambing von Axonas machte sich damals die Arbeit und verstieg sich in detaillierte und akribische Recherchen zu dem Unternehmen und seinem europaweiten, umfangreichen Netzwerk aus Neben-, Haupt-, Partner-, Tocher- und Briefkastenfirmen. Und vor allem zu den „Machenschaften“ in Sachen Neukundenakquise. (Ich kann aus Abmahngründen nicht weiter in’s Detail gehen.)
Euroweb hat es tatsächlich geschafft, all diese umfangreichen Rechercheergebnisse aus dem Netz zu klagen. Sogar so ein wehrhafter Blogger wie Julio konnte gegen den juristischen Druck auf Dauer nicht an. Ein Sieg gegen den Kontrollverlust?
Nun hat es also Nerdcore.de erwischt und damit eines der größten und bekanntesten Blogs in Deutschland. Es mag formal und juristisch alles korrekt gelaufen sein – René hat anscheinend aus irgendeinem Grund verpasst, sich um die Abmahnung von Euroweb zu kümmern – aber es könnte dennoch sein, dass sich Euroweb diesmal verkalkuliert hat.
All die jahrelange, kostenintensive Abmahnarbeit und Säuberung des Internets von Kritik gegen das Unternehmen könnte nun umsonst gewesen sein. Nämlich dann, wenn die Rechercheergebnisse von Julio auf anderen Wegen wieder auftauchen, vielleicht mehrfach auftauchen, Streisandmehrfach. Ich bin mir sicher, dass der eine oder andere ein Backup von Julios Artikeln noch irgendwo auf der Platte hat und dass dies seine Besitzer nun anschreit, veröffentlicht zu werden. Hunderfach? Tausendfach?
Gibt es ein Recht auf eine weiße Weste? Sollen wir Strukturen schaffen, die Westen rein halten sollen auch gegen den Willen desjenigen, der die Flecken öffentlich macht, oder der, der sie als Kopie auf der Festplatte lagert? Auch gegen das Interesse der Öffentlichkeit? Wie interpretieren wir „Informationelle Selbstbestimmung„? So wie das Hamburger Landgericht, als das Recht, zu entscheiden, was über mich gesagt werden soll? Sollen sich Euroweb, ehemealige Bildredakteuere und Gewinnspielmoderatoren immer und überall „informationell selbst bestimmen“ dürfen? Ich finde: nein!
Vielleicht braucht es ein neues Vergeben, ja. Aber dringender braucht es einen Kampf gegen die Unterdrückung von Information und gegen all die Instrumente der Informatinskontrolle. Und da man das Gesetz nicht so schnell geändert bekommt, sollte es durch den realen Kontrollverlust schleunigst zur Makulatur degradiert werden.
Ich für meinen Teil wäre enttäuscht, wenn in zwei Wochen auf den ersten 5 Ergebnisseiten der Googlesuche nach „Euroweb“ etwas anderes als massive Kritik an dem Unternehmen zu finden wäre.
Ich für meinem Teil würde dem, der Euroweb von Platz 1 unter dem gleichnamigen Suchbegriff bei Google drängt, mindestens ein Bier ausgeben.
Let’s do the Streisand agaaaain. (It’s just a click to retweet.)
Nach Deinem Text klingt das fast ein wenig danach, als ob die durch ihre Erfolge bei der Entfernung von Kritik ermutigt sind, jetzt größere Schneisen durch’s Social Web schlagen wollen?
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Aus irgendeinem Grund verpasst? Wenn die Blogrebellen ihn richtig zitieren (und das nehme ich an), hat er sich „um die Abmahnung nicht gekümmert“. Das ist kein ganz unwichtiger Unterschied.
Trotzendorff – den kommtierten Artikel nicht gelesen?
Ich glaube, ich weiß nicht, worauf Du hinauswillst.
Trotzendorff – weil ich diesen umstand im artikel erwähne? (und warum muss ich das jetzt aufschreiben? reicht es nicht, dass du noch mal drüber liest und das selber siehst? bin ich hier im deppendorf?)
Über Euroweb und die Vorgänger gibt es immer noch viel zu lessen, zwar nicht mehr auf den ursprünglichen Seiten, aber das Netz vergisst nicht! Als Einstieg: http://zeig.in/XYlSNQ
@mspro: Ich werd Dir in Deinem Blog keine sprachliche Nachhilfe geben.
Subdomains von co.de gibt es inzwischen kostenlos — unfassbar, wenn dafür noch einer blechen soll…
(ganz unten im verlinkten Beitrag mit Screenshot)
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„Die deutsche Blog-Community heult, weil ihrem Mitstreiter Nerdcore der Hahn abgedreht wurde. Dabei ist das Übel ganz und gar hausgemacht – ein kleiner Exkurs in die BWL über Guerilla-Marketing, Streisand-Effekt und Corporate Behaviour.“
http://www.philibuster.de/themen/neue-welten/domainpfaendung-nerdcore-und-die-blogolemminge.html
Das Nein! im Artikel ist eigentlich ein Ja! zur queryologischen Diktatur derer, die die Datenbanken bedienen können. Nur echt mit der moralischen lebenslangen Bestafungshöhe für Bildzeitungsredakteure, für die ein Stefan Niggemeier Applaus unter seinen Followern erntet.
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Tja, nun ist die Domain wieder bei Rene. Man darf gespannt sein wie es dazu gekommen ist 🙂