Communities Umtopfen

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Du willst eigentlich gern von X weg, aber das geht nicht, weil da diese eine Community ist, die die besten Backrezepte tauscht, die neusten Nachrichten zur politischen Lage in Nord-Kenia diskutiert, wo der gepflegteste Diskurs über Datenschutzthemen geführt wird oder die nächste Aktion gegen das Patriarchat geplant wird.

I get it. Das woran Du leidest hat einen Namen: Es heißt LockIn. Für unsere Belange reicht es, wenn Du verstehst, dass es den anderen mit Dir ebenso geht. Leute gehen nicht von X weg, weil Du Ihnen wichtig bist.

So kommt es, dass alle weg wollen, aber niemand geht. Ihr haltet Euch gegenseitig als Elon Musks Geiseln. Auch das hat auch einen Namen, es nennt sich Collective Action Problem.

Du musst verstehen: Du kannst nicht einfach gehen, denn Du bist eine Pflanze. Du musst Euch umtopfen.

Hier wie das geht:

Schritt 1: Was ist Deine Community?

Communities auf X sind mehr lose vernetzte Leute, die sich um ein Thema scharen, als eine abgrenzbare Gruppe. Versuch sie zu definieren:

Fragen, die man sich stellen kann sind:

  • Um welche Themen schart sich die Community?
  • Wie viele Leute sind wohl teil der Community (eher 50 oder 1000, oder gar 10.000?)
  • Wie ist die Stimmung der Community zum Verbleib auf X?
  • Sind vllt teile der Community bereits auf anderen Diensten unterwegs? Wenn ja, wo sind die meisten?

Vorsicht: eine große Community > 10.000 Leute, wird schwer zu stemmen sein und bedeutet viel Arbeit.

Schritt 2: Wer sind die netzwerkzentralen Akteure der Community?

Alle Communities haben sichtbarere und weniger sichtbare Mitglieder. Erstelle eine Top 10 der wichtigen Accounts, die in dieser Community unterwegs sind.

Folgende Kriterien können dabei eine Rolle spielen:

  • Reichweite
  • Vernetzungsdichte mit anderen Community-Mitgliedern
  • Ein besonderer Status
  • Ansehen und Vorbildhaftigkeit
  • Diversität

Vorsicht: Achte auf Inklusion und Diversität. Wenn Deine Top10 nur weiße Männer enthält, hast Du wahrscheinlich nicht genau genug hingesehen.

Schritt 3: Bilde Banden

Schreib alle 10 Accounts an und überzeuge sie, Dir beim Umzug der Community zu helfen. Du wirst überrascht sein, wie viele positiv auf diesen Vorschlag reagieren (wie gesagt: fast alle wollen weg). Einige werden auch absagen, klar, aber das ist völlig OK.

Wichtig: bei diesem Schritt solltest Du besser in keinem moralischen oder fordernden Tonfall auftreten:

  • Nicht: „Die Community muss umziehen!“
  • Eher: „Du bist mir wichtig, die Community ist mir wichtig. Willst Du mir helfen, das was wir hier haben, woanders hin zu retten?“

Vorsicht: Einmal freundlich anfragen reicht. Keine aufwändigen Überredungsversuche. Du musst nicht alle überzeugen, es reichen am Anfang zwei bis drei Mitstreiter*innen, aber je mehr desto besser.

Schritt 4: Gruppenchat

Eröffne einen privaten Gruppenchat (gern auf X oder wo anders) mit allen, die mitmachen wollen.

Was Ihr gemeinsam klären solltet:

  • Wo zieht die Community hin?
  • Bis wann soll der Umzug komplett sein? (ein bis zwei Wochen?)

Vorsicht: gib nicht von vornherein alles vor. Bleib offen für die Vorschläge Deiner Mitstreiter*innen. Entscheidet demokratisch. Ihr seid jetzt eine Bande.

Schritt 5: Organisieren

Goto Schritt 2: Jede*r von Euch schreibt 10 weitere Teilnehmer*innen der Community an, die ihm/ihr wichtig sind. Rekrutiert wen ihr rekrutiert bekommt, allen anderen sagt ihr bescheid: „Ab dann und dann sind wir nur noch dort und dort, kommt mit!“

  • Erfolgsmedlungen in den Chat.
  • Teilt ein offenes Dokument, in dem Ihr die alten und neuen Handles vermerkt, damit sich alle wiederfinden.

Schritt 6: Öffentlichkeit

Erst wenn Ihr das Gefühl habt, einem Großteil der wichtigsten Leute bescheid gegeben zu haben, startet Ihr die öffentliche Kampagne. Postet viel und postet deutlich, dass hier auf X bald Schluss sein wird und wo es weiter geht.

Alle retweeten alle.

Bedenkt: Viele Teilnehmer*innen der Community sind stille Leser*innen, auch sie sollen das Memo bekommen.

Schritt 7: Gastfreundschaft

Sorgt dafür, dass die Neuankömmlinge sich auf dem neuen Dienst zurechtfinden und vor allem, dass sie ihre Kontakte wiederfinden und dass das Gespräch wieder in Gang kommt.

Kümmert Euch umeinander. Abschied tut weh.

Nein, es wird nie wieder so wie Twitter. Aber jetzt habt Ihr die Chance auf etwas neues.

Ein Gedanke zu „Communities Umtopfen

  1. Pingback: Repotting Communities | H I E R

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