Backstagebericht, Teil I

Im neuen Spiel gibt es neue Freiheiten und neue Einschränkungen. Kulturprojekte per Crowdfunding zu finanzieren ist ein Paradebeispiel dafür, das neue Spiel anzunehmen und zu spielen. Dieselben Mechanismen, die mir nicht mehr erlauben Kontrolle über die Inhalte auszuüben, erlauben es mir, eine Community aufzubauen und zu vernetzen, die mir die Inhalte vorfinanziert. Ich halte Crowdfunding also für eine wegweisende Strategie der Kulturfinanzierung und will deswegen meine Ideen, Gedanken und Erfahrungen mit der Kampagne weiter geben. Dies ist der erste Teil.

Idee

Dass ich ein Buch schreiben will, weiß ich seit einigen Jahren. Das Thema Kontrollverlust hatte sich so weit entwickelt, dass sich dieser Schritt seit langem aufdränt. Ebenso lange liegen mir Freunde und Weggefährten in Ohren, es doch nun einfach mal zu tun.

Doch wie soll ein Theoretiker des Kontrollverlusts und erklärter Gegner des Urheberrechts ein Buch schreiben, ohne dabei entweder zu verhungern oder sich unglaubwürdig zu machen? Spätestens nach dem Erfolg von Dirk von Gehlen war die Option das Buch zu crowdfunden präsent. Wirklich dafür entschieden habe ich mich aber erst im Herbst letzten Jahres. Ich dachte: das mach ich jetzt mal einfach und erzählte jedem, der nicht bei drei auf den Bäumen war von meinen Plänen.
Mein erster angedachter Starttermin war Anfang Oktober. So dachte ich jedenfalls noch Mitte September, vollkommen unwissend, was ich mir da an Arbeit aufgehalst hatte. Doch es gab kein Zurück. Eine gute Motivationsstrategie für alle, die auf ein konsistentes Außenbild wert legen.

Titel/Cover

Man glaubt es kaum, aber ich habe wirklich lange gebraucht, bis ich den Titel so hatte, wie er heute ist. Und auch das Cover machte eine lange Überlegungsphase aus. Natürlich hängen die beiden zusammen und so musste ich meinen Designer, Mark Wirblich, immer wieder mit neuen Titelideen malträtieren, was seine Aufgabe nicht leichter machte. Ähnlich wie beim Titel ging es uns mit dem Cover. Eigentlich kam Mark sehr schnell auf die Idee, hatte das richtige Bild parat. Ja, es ist eine Atomexplosion. Die Atombombe veränderte die Welt, es veränderte die Regeln, nach denen das Spiel der Mächte gespielt werden konnte. Die Raute auf dem Atompilz ist wunderbar ambivalent. Sie rastert das Bild, wie einige bereits bemerkten. Doch dieses Raster ist ebenfalls leeres Tic Tac Toe Spiel. Ein neues Spiel also. Hinzu kommt der Bezug zum Internet, zur Vernetzung, dem Hashtag, etc. Und obwohl wir noch einige Iterationen lang in andere Richtungen dachten und rumprobierten, landeten wir am Ende wieder dort. Ich muss sagen, ich bin sehr zufrieden.

Planung

Als Erstes habe ich mir Leute gesucht, die sich besser auskennen, als ich und habe sie intensiv ausgefragt. Erster Ansprechpartner war da natürlich Dirk von Gehlen, der bereits ein sehr erfolgreiches Buch gefundet hat. Eine der zentralen Fragen ist natürlich die Plattform. Ich habe mir Verschiedene angesehen, mich am Ende aber ebenfalls für Startnext entschieden.

Es macht Sinn, sich ein möglichst bekanntes Portal mit einer möglichst großen Community auszusuchen. Das Konzept Crowdfunding in Deutschland noch nicht so in die allgemeine Wahrnehmung eingesickert ist, wie beispielsweise in den USA: Das heißt für den Crowdfunder, dass er die Schwelle für die Leute, die etwas geben wollen, möglichst gering halten muss. Eine große, etablierte Plattform empfiehlt sich aus zwei Gründen: 1. Die Community beherbergt bereits eine menge Leute, die schon mit dem Konzept Crowdfunding vertraut sind. 2. Die Chance ist höher, dass Leute, die mich unterstützen wollen, bereits einen Account haben.

Nachdem ich meinen Startnext Account eingerichtet hatte, merkte ich, dass ich einige Voraussetzungen erfüllen musste, um überhaupt loslegen zu können. Am besten führt man sich diesen Leitfaden zu Gemüte. Startnext arbeitet mit einem Finanzdienstleister namens Fidor zusammen, die die treuhänderische Verwaltung der Unterstützergelder übernimmt. Dort muss man sich in einem im Zweifel mehrere Tage dauernden Verfahren registrieren und legitimieren. Das sollte man auf jeden Fall als Erstes machen.

Die Voraussetzungen, um ein Projekt zu starten, sind in jedem Fall die Texte, die es zu schreiben gilt. Alle Fragen auf der Startseite müssen beantwortet sein. Ein Coverbild muss da sein, Dankeschöns müssen definiert sein und die Fidor-Legitimation muss aktiv sein.

Dankeschöns

Ich glaube, die Dankeschöns auszudenken und zu definieren, ist ein wichtiger Baustein zum Erfolg. Auch wenn es nie so richtig vorhersehbar ist, wie erfolgreich eine Dankeschönidee sein wird (ich wurde auch hier und da sehr überrascht), gibt es doch ein paar Dinge, die ich versuchte zu beachten:

  1. Guck es Dir die Ideen bei anderen ab. Klau gnadenlos zusammen. Es gibt kein Urheberrecht auf gute Dankeschönideen (wär ja auch noch schöner!). Auch längst durchfinanzierte Projekte sind auf Startnext noch zu finden und man kann dort ganau ablesen, welche Dankeschöns gut gingen, welche nicht so gut. Ich habe beispielsweise keine T-Shirts gehabt, weil ich gesehen habe, dass sie bei Dirk nicht so gut gingen.
  2. Die Dankeschöns sollten unmittelbar mit dem Produkt zusammenhängen. Bei einem Buch ist es klar: gibt es das Buch. Aber auch die Releaseparty, die Kapitelpatenschaften und die Namensnennung sowie das Sponsoring haben direkte Bezüge zum Buch.
  3. Achte darauf, dass das Verhältnis zwischen Geldbetrag und Dankeschön irgendwie stimmig ist. Natürlich wollen Leute, die nur 5 Euro zahlen, dich vor allem unterstützen. Aber Leute, die das Buch klicken, wollen vor allem das Buch. Das darf gerne über dem späteren Verkaufswert liegen (wie gesagt, es geht auch um Unterstützung), aber eben nicht völlig darüber.
  4. Achte darauf, dass die Einnahmen die Kosten deutlich decken. Man kann sich da schnell verkalkulieren. Ein Poster zum Beispiel ist billig zu drucken. Gute Idee denkt man sich und bietet das an. Leider ist ein Poster zu verschicken aber sehr aufwändig und teuer (Pappröhre kaufen, extra Porto, etc.). Also immer eine mit Recherche verbundene Kostenkalkulation machen.
  5. Die Dankeschöns sollten preislich in »geschmeidigen« Schritten ausdifferenziert sein. Wenn man etwas für 5, 10 und 20 Euro anbietet, darf nicht das nächst Höhere 100 Euro kosten. Die Beträge, die die Leute zu geben bereit sind, sind sehr individuell. Sorge dafür, dass jeder seinen Sweetspot findet und achte darauf, dass das nächstteurere Dankeschön sich vom vorherigen auch in seinem Wert deutlich abhebt.
  6. Ich habe – jetzt im Nachhinein – den Eindruck, dass Limitierung hilft. Gerade bei teuren Dankeschöns ist das »Es sind nur noch 3 Stück da«-Gefühl anscheinend ein Anreiz für Leute, das Dng schnell noch mitzunehmen. Viele meiner eng limitierten Dankeschöns waren jedenfalls für mich überraschend schnell weg.

Startphase

Startnext hat eine Eigenschaft, die ich nicht so schön finde. Bevor es richtig losgeht, man also um Geld werben kann, muss man erst durch die sogenannte Startphase durch. Da geht es darum, Fans zu sammeln. Also Leute, die einen Account haben und den Fanbutton geklickt haben. Ab 5000 Euro braucht man 100 Fans. Ich kann mir vorstellen, was der Sinn und Zweck dieser Übung ist. Leute, die nicht so bekannt sind, sind erstmal gezwungen, sich eine gewisse Grundaufmerksamkeit zu erarbeiten. Niemand will gerne gescheiterte Projekte, als letztes Startnext.

Durch meinen allerdings etwas anderen Status was Vernetzung angeht, war die Startphase ein Problem. Natürlich ist es für mich am besten, wenn die erste und damit größte Aufmerksamkeitswelle nicht an einem Fan-Button verschwendet wird, sondern auf einen »Werde Unterstützer«-Button trifft. Doch es ist davon auszugehen, dass meine Bekanntheit in Netzzusammenhängen dazu führt, dass die Nachricht ansich bereits eine gewisse Breitenwirkung entfalten wird. Wie kann ich also die Startphase im »Stillen» hinter mich bringen, um die Aufmerksamkeit voll auf die Finanzierungsphase zu lenken?
Normaler weise hat man für die Startphase 30 Tage zeit. Ich plante ein Wochenende ein und hatte vor, in erster Linie Freunde und Bekannte nicht-öffentlich auf die Startphase hinzuweisen, um die 100 Fans zu sammeln. Ich verabredete mit Startnext, dass ich am darauffolgenden Montag – sofern die 100 zusammen sind – in die Finanzierungsphase einzutreten. (Wie das dann klappte, erzähle ich in Teil II)

Pitch-Video

Da ich also von der Startphase direkt in die Finanzierungsphase eintreten wollte, musste ich also vor dem Start auch schon die Voraussetzungen für die Finanzierungsphase erfüllen. Das ist vor allem die Existenz eines Pitchvideos.

Das Pitchvideo ist das Herzstück der Kampagne. Potentielle Unterstützer mühen sich meist nicht damit ab, sich durch endlose Textwüsten zu wühlen. Sie wollen den Playknopf drücken und in 2 Minuten überzeugt sein. Eventuell geben sie Dir noch eine dritte Minute, wenn sie geduldig sind. Deswegen sollte auf die Produktion des Pitchfilms sehr großen Wert gelegt werden.

Es kommt da nicht darauf an, dass es besonders aufwändig und hochglanzmäßig produziert ist, sondern darum, seinen Punkt gleichzeitig präzise, glaubwürdig und sympathisch rüber zu bringen.

Den Text zu dem Video hab ich natürlich selbst geschrieben. Als Kameramann fragte ich meinen alten Freund Mate Steinforth. Er ist zwar von Haus aus Motion-Designer, hat aber eine Menge Erfahrung und das Equipment zur Verfügung. Die größte Herausforderung war die Findung eines Drehtermins. Sowohl Mate, als auch Philipp Otto von iRights (der in dem Video auftritt) waren vor Weihnachten sehr eingespannt und sie auf einen gemeinsamen Termin festzulegen, war ein großer Akt. Als wir den Termin hatten, drehten an einem Nachmittag alles ab. Jede Einstellung mehrere Takes (wichtig). Und wenn ich was gelernt habe, dann, dass ich das nächste mal den verdammten Text auswendig lerne. (Beim Schnitt war die größte Herausforderung, Aufnahmen zu finden, bei denen ich zufällig mal nicht ablese.)
Geschnitten hat das Video Gerlinde Schrön. Sie arbeitet ebenfalls in einem solchen Bereich und machte bereits einige sehenswerte Piratenvideos. Sie hat wirklich ganze Arbeit geleistet und das Beste aus dem Material rausgeholt. Für das Schneiden haben wir etwas mehr als ein Wochenende gebraucht.

Das Video ist das Herzstück der Kampagne, aber auch die meiste Arbeit. Mir als Blogger, der es gewohnt ist, die Resultate seiner Arbeit immer von gleich auf sofort zu veröffentlichen und sich dabei mit niemandem absprechen zu müssen, fiel die Zusammenarbeit nicht leicht. Das ständige aufeinander warten, die nötigen Abstimmungen, etc. sind etwas, nicht besonders leicht. Aber ich denke, es hat sich gelohnt.

3 Gedanken zu „Backstagebericht, Teil I

  1. Vielen Dank für deine Einblicke. Als jemand, der selbst schon bei Startnext eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne durchgeführt hat, weiß ich, wie aufwendig das ist – und kann daher einige deiner genannten Punkte sehr gut nachvollziehen. Ich bin schon auf Teil II gespannt. Dir weiterhin viel Erfolg!

  2. Pingback: Backstagebericht, Teil II | H I E R

  3. Pingback: Aktuelles 31. Januar 2014

Kommentare sind geschlossen.