Mit 10 Thesen zur Kultur gegen Nazis

Ich glaube, es ist dringend geboten über Kultur zu sprechen. Ich als alter Kulturwissenschaftler (hust) glaube, dass nur eine Beschäftigung damit, was Kultur ist und wie sie funktioniert, dabei helfen kann, das aktuelle Problem mit Fremdenfeindlichkeit in den Griff zu bekommen.

Ich glaube das aus zwei Gründen:

Erstens: Die Rassist/innen (bishin zu der Neuen Rechten) arbeiten gerne mit dem Kulturbegriff, um ihren Rassismus zu tarnen. Statt einer Ablehnung wegen Hautfarbe wird die Ablehnung der Kultur vorgeschoben. Das ist natürlich quatsch und dem muss man mit einem genaueren Kulturbegriff die argumentative Grundlage entziehen.

Zweitens und noch wichtiger: Stattdessen müssen wir anfangen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit selbst als kulturelle Phänomene verstehen zu lernen. Wir müssen verstehen wie solche Phänomene entstehen, wie sie sich ausbreiten und wie wir sie bekämpfen können.

Beides will ich hier anhand von 10 Thesen zur Kultur zeigen.

1 Kultur ist Handlung

Die basalste Definition von Kultur, die ich kenne, kommt eher aus dem Business-Kontext und heißt „the way we do things“. Ungeachtet ihrer Herkunft ist das eine wichtige Erkenntnis. Kultur ist immer verbunden mit Handlung. Handlung ist Kultur.

Egal was wir tun, es hat eine kulturelle Dimension. Diese kulturelle Dimension kommunizieren wir immer mit, ob wir wollen oder nicht.

2 Kultur ist unterschiedlich

Natürlich gibt es Kulturen (in der Mehrzahl) und diese Kulturen sind von einander abgrenzbar. Es gibt Rituale, Sprachen und Verhaltensweisen und es ist nicht zu leugnen, dass diese Unterschiede vor allem auch regional bestehen. Aber nicht nur. Es gibt auch sowas wie Firmenkulturen. Es gibt bestimmte kulturelle Unterschiede die sich gesellschaftlichen Teilsystemen entwickeln, etwa in der Wissenschaft oder in der Justiz. Im Internet gibt es unterschiedliche Kommunikationskulturen in Foren, Chats oder auf Plattformen. Schon benachbarte Familien haben von einander unterscheidbare kulturelle Praktiken. Es scheint so, als ob überall, wo sich Menschen über einen längeren Zeitraum miteinander beschäftigen, Kultur ausprägt und ausdifferenziert wird.

3 Kultur ist ein Vertrag

Obwohl die Ausbildung von Kultur natürlich zu sein scheint, ist jede Kultur selbst künstlich. Kultur kann mit Ernst Cassirer als „symbolische Ordnung“ verstanden werden. Also etwas, das der Sprache selbst nicht unähnlich ist. Kultur ist – mit Saussure gesprochen – ein Netz aus Zeichen, deren wichtigste Eigenschaften die Binnendifferenz und die Wiederholbarkeit ist. Wie Sprache ist Kultur eine Art impliziter Vertrag der Kulturträger, eine Abmachung.

4 Kultur ist ansteckend

Die Memetheorie (Dawkins) vergleicht kulturelle Artefakte mit Genen und nennt sie Meme. Wie Gene sind Meme einem evolutionären Prozess von Mutation, Selektion und Weitergabe unterworfen. Meme verbreiten sich, wenn sie sich erfolgreich am Leben halten und fortpflanzen können. Menschliche Gehirne sind sozusagen die Wirtstiere der Meme, die auch für deren Verbreitung sorgen. Lernen ist die Adaption von Memen.

Der Vertrag wird also nicht ganz freiwillig geschlossen. Zumindest nicht der erste. Jeder wird in einen Memepool hineingeboren. Sich gegen Meme zu verschließen ist nicht ganz einfach.

5 Kultur ist vernetzt

Kultur operiert nicht, wie die Rechten glauben, auf Kategorien wie Ethnie, Nationalität oder Region, sondern auf sozialen Netzwerken. Eng vernetzte soziale Cluster gleichen sich kulturell aneinander an und neigen zur kulturellen Homogenität. Schon die Kultur von angeschlossenen aber externen Clustern kann sich nur bis zu einem gewissen Grad unterscheiden, sonst entstehen schnell Konfliktlinien und Reibungen.

Die Netzwerkstrukturen korrelieren natürlich historisch mit geographischen und ethnischen Konzentrationen, weswegen der oben genannte Eindruck entstehen kann. Mit dem Internet lassen sich aber mit Leichtigkeit vermehrt von diesen Parametern unabhängige Kulturcluster identifizieren. siehe z.b. Anonymous oder gar die Netzgemeinde.

6 Kultur kann rivalisieren

Generell leben wir immer in mehreren kulturellen Clustern gleichzeitig. Der Job, die Familie, die Freunde, der Sportverein, das Onlineforum, etc. Das ist in vielen Fällen kein Problem, denn die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher kulturellen Praktiken schließen sich nicht per se aus. Es kann aber durchaus rivalisierende kulturelle Praktiken geben, das heißt Praktiken, die sich gegenseitig ausschließen.

Oft wird das gelöst, indem man die Idiosynkrasie unaufgelöst belässt und zum Beispiel beide Praktiken abwechselnd lebt. Zu diesem Zweck operieren wir mit unterschiedlichen Persona (C. G. Jung) gegenüber unterschiedlichen kulturellen Clustern, in denen wir uns bewegen.

Es kann durchaus auch echte Konfliktfälle geben, dann wenn die kulturellen Praktiken aus dem einen Cluster von dem anderen Cluster nicht toleriert werden. Dann muss das Individuum sich entscheiden.

7 Kultur ist historisch

Kultur ist ein Akkumulationsprozess. Gemeinschaften mit einer gewissen Tradierung akkumulieren kulturelle Eigenheiten und Besonderheiten über viele Generationen zu einem „Kulturellen Gedächtnis“ (Assmann). Das kann ein jahrtausende anhaltender Prozess sein. Wir schleppen alle bestimmte kulturelle Meme mit uns rum, die tausende von Jahren alt sind.

Je älter eine kulturelle Praxis ist, desto weniger wird sie hinterfragt und desto energischer wird an ihr festgehalten. Der Verweis auf Tradition und Werte, wie ihn jegliche konservative politische Gruppe fordert, ist genau darauf abgestellt.

(Bei Boris Groys findet sich die These, dass der Rekurs auf der Tradition korreliert mit der allgemeinen Zugänglichkeit ihres Archivs. Will sagen mit sich weiter entwickelnder Medientechnologie wird die Bindung an das Alte immer weiter gelockert.)

8 Kultur ist performativ (Austin)

Kultur lebt in der Praxis. Jede kulturelle Handlung bestärkt ihre Allgemeinverbindlichkeit. Jede Handlung setzt sich als Maßstab für „normales“ Verhalten. Jede Handlung ist Vorbild für die Handlungen aller anderen.

Nach Foucault strukturiert die Positivität der Aussagen den Diskurs in dem Sinne, dass sie reglementiert, was überhaupt gesagt werden kann.

Oder um es mit Luhmann auszudrücken: Kulturelle Handlungen schaffen Anschlussfähigkeit von weiteren Handlungen, verengen aber den Selektionsspielraum auf die von ihr definierte Anschlussfähigkeit.

9 Kultur kann falsch sein

Wobei „falsch“ natürlich immer eine subjektiv-politische Einschätzung ist. Aber ich bin bereit, sie gegen jeden zu verteidigen.

Nehmen wir die Broken Window Theorie. Wird ein zerbrochenes Fenster an einem Ort über längere Zeit nicht repariert, kann das zur Folge haben, dass der Stadtteil insgesamt den Bach herunter geht. Das Broken Window ist eine unterlassene Handlung, die allen Anwohnern ein bestimmtes Verhalten als Norm kommuniziert: „Dinge verfallen lassen ist ok“.

Das zerbrochene Fenster ist ein Problem, weil es Handlungen wahrscheinlich macht, die im Anschlussfähigkeitsbereich des zerbrochenen Fensters liegen. Das Fenster fungiert als Attraktor für ähnliche Handlungen und schon akkumuliert sich eine Kultur der Fahrlässigkeit.

Diese Prozesse finden wir heute überall, auch außerhalb von physischen Orten, zum Beispiel im Netz. Ein rassistischer Kommentar zieht weitere rassistische Kommentare an. Eine außer Rand und Band geratene Kommentarrubrik wird kaum wieder zu befrieden sein.

Auch die regionale Konzentration von Fremdenfeindlichkeit zum Beispiel in Sachsen, Thüringen und Teilen von Nordrhein Westfalen lassen sich so leicht erklären. Hier haben rassistische Handlungen Anschluss an bereits vorhandene rassistische Handlungen gefunden. Es sind kulturelle Biotope, in denen sich rassistische Handlungen quasi gegenseitig aufgeschaukelt haben.

An dieser Stelle sind die Ergebnisse der Wissenschaftler/innen interessant, die Facebookdiskussionen und deren Echokammern untersucht haben. Sie stellten fest, dass radikale Äußerungen innerhalb von social Media-Filterbubbles nicht nur ähnliche Anschlussäußerungen, sondern Äußerungen nach sich zogen, die diese Äußerungen an Radikalität zu überbieten versuchten.

10 Kultur ist steuerbar

Hier die gute Nachricht: In Kultur kann eingegriffen werden. Und es sollte eingegriffen werden.

In der Theorie ist es sogar ganz einfach: Eine Kultur, die nicht praktiziert wird, stirbt.

In der Praxis ist es weniger einfach: Wie unterbindet man die Kreisläufe einander bestätigender kultureller Handlungen, ohne sie mittels roher Gewalt zu unterdrücken?

So lange die fraglichen kulturellen Handlungen nur von einer Minderheit geduldet werden, ist die Antwort klar: Call Out. Die kulturelle Handlung (z.B. Rassismus) muss offen kritisiert und möglichst sozial sanktioniert werden. Jede rassistische Handlung muss eine ebenso signalstarke Gegenhandlung gegenübergestellt werden, die die Botschaft aussendet: das hier ist nicht die Norm. Das hier ist nicht OK. Damit exkludierst du dich von der Norm und somit von der Gesellschaft.

Mein Verdacht dabei ist, dass soziale Sanktion (Ausschluss und (temporäre) Ausgrenzung), weit disziplinierender wirken als das Strafgesetzbuch. Und ich glaube, dass die Zustände in Sachsen in aller erster Linie daher rühren, dass über Jahrzehnte rechtsradikale kulturelle Handlungen unwidersprochen blieben. Dass sich das rassistische Mem hat ungehindert ausbreiten und verfestigen konnte.

Man kann jetzt berechtigter Weise fragen, ob es zum Beispiel in Sachsen nicht viel zu spät dafür ist, das Rad jetzt noch zurückzudrehen. Ich glaube nicht. Allerdings ist die kritische Masse des rassistischen Netzwerkes bereits so groß, dass sie durch soziale Ächtung der (deutschen) Mehrheit nicht mehr erreichbar ist. Diese wird mit Begriffen wie „Lügenpresse“ als Kultureller Grenzhüter außen vor gehalten. Was wir ihnen sagen, bestätigt sie nur.

Der Impuls muss aus den Netzwerken und zumindest den nahen und überlappenden Clustern selbst kommen. Mit anderen Worten die Sachsen müssen sich auflehnen gegen ihre rechten Mitbürger. Sie müssen viele, viele Signale senden, öffentliche Signale und Sanktionen gegen Nazis. „ich kauf nicht bei Nazis“, „Ich stelle keine Nazis an“, „Mit Nazis will ich kein Fußball spielen“, „Kein Sex für Nazis“. Es muss eine zivile Gegenkultur etabliert werden, die die Nazis aus allen sozialen Zusammenhängen ausschließt, bis sie Angst haben, öffentlich ein rassistisches Wort zu sagen.

Die Mehrheit der Sachsen ist nicht rechts? Dann wird es zeit, das zu beweisen.

Von außen darf dennoch nicht aufgehört werden, die rassistischen Aussagen zu sanktionieren und diejenigen, die sie tätigen zu isolieren. Es ist ein wenig wie mit einer ansteckenden Krankheit. Wir wissen, dass wir nicht in der Lage sind, die Patienten zu heilen. Das medizinisch sinnvolle ist deswegen, sie in Qarantäne zu halten, damit sie mit ihrem Rassismus nich noch weiter Menschen anstecken können.

16 Gedanken zu „Mit 10 Thesen zur Kultur gegen Nazis

  1. „Kultur ist immer verbunden mit Handlung. Handlung ist Kultur.“

    Mein Hund handelt auch – bzw. er zeigt ein Verhalten. Beweißt er auch Kultur, wenn er sich die Eier leckt?

  2. Auch Tiere können Kultur entwickeln, zumindest rudimentär. Das wurde schon oft beobachtet. Wichtig ist dabei nicht die Handlung ansich, sondern die Tatsache, dass andere Peers von der Handlung lernen. Die menschlichen Handlungen sind nicht Kultur, weil sie Kultur beinhalten, sondern weil die Handlungen von anderen Wahrgenommen und bewertet werden – und eben auch abgeschaut.

    Ich kenne dich nicht, aber wenn du nach dem beobachten des Tiers angefangen hast, deine eigenen Eier zu lecken, dann wäre das zumindst ein guter Indikator.

  3. Super Text! Viel gelernt!
    Aber ich teile deine Schlussfolgerung nicht. Ist das Ausgrenzen von Trägern einer ungewünschten Kultur wirklich der richtige Ansatz? Die Aussage „Wir müssen Nazi ausgrenzen, weil sie die falsche Kultur haben.“ enthält die gleichen logischen Fehler wie „Wir müssen Asylanten ausgrenzen, weil sie die falsche Kultur haben.“ (ich zitiere nur)
    Ich glaube, dass man Dummheit nicht mit der gleichen Dummheit beheben kann. Und das „Wir gegen sie“, also dem Denken in zwei Lagern, ist bereits eine Dummheit. Woran erkennt man denn Nazis?
    Viel mehr bin ich für klare Grenzen zu benennen (Was ist Rassismus?) und immer einen Dialog zu ermöglichen (Wovor hast du denn eigentlich Angst?)
    Wenn das Problem die Kultur ist, dann sollten wir was gegen diese Kultur unternehmen, und nicht gegen ihre Träger.
    Also nicht die Patienten isolieren, sondern die Krankheit heilen!

  4. Es geht natürlich nicht darum „Kulturträger“ auszugrenzen, sondern die Praxis. Das geht m.E. nicht ohne Sanktion, die den Träger betrifft.

    Von Dialog mit Nazis halte nicht sehr viel. Das Signaling kann – wenn man Glück hat – unentschlossene Außenstehende beeinflussen. Überzeugen wirst du die Nazis nicht, jedenfalls nicht zu einem vertretbaren Aufwand. Im besten Fall bekommst du sie zum Schweigen. Möglichst ein Leben lang. Der Rest regelt die Biologie.

  5. Habermas Theorie des kommunikativen Handelns sollte man an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen: Kognitiv-instrumentelle Handlungen nutzen deskriptives Wissen nicht-kommunikativ! Mit einer solchen Handlung wird ein Wirksamkeitsanspruch erhoben, der implizit behauptet, dass die Handlung unter den gegebenen Umständen taugt, das angestrebte Ziel zu erreichen.

  6. Dein Kulturbegriff finde ich trotzdem etwas dünn, vor allem weil ich nicht verstehe, in wiefern er sich von verhalten an sich unterscheidet?
    Was Du hier beschreibst würde ich eher in die Lernpsychologie einordnen? (operantes bzw. konditioniertes verhalten)

  7. Ich möchte auch kurz ein Argument vorbringen, warum ich es nicht gut finde Nazis zum Schweigen zu bringen (Ausgrenzen ist im gesetzlich erlaubten Rahmen natürlich legitim)

    Ich weiß, das ich damit nicht auf viel gegenliebe stoßen werde, finde es aber dennoch überzeugend & diskutierenswert (sorry falls es nicht ganz hier her passt)

    Meinungsfreiheit, nicht als Recht sondern eher als Wert verstanden ist ein Mittel um Herrschenden bzw. die Regierung zu kritisieren.
    Das man die Regierung bzw. andere Personen kritisieren kann, liegt der einfachen Tatsache zugrunde, das Menschen fehlbar sind und fehler machen.
    Wenn nun also Nazis z.B. den Holocaust leugnen oder die jüdische Fremdherrschaft kritisieren, sollte hier ebenfalls das Prinzip der ‚epistemologischen Demut‘ greifen – also die Grundannahme der Meinungsfreiheit das Menschen fehler machen und Kritik, auch wenn sie noch so absonderlich ist, ein hohes Gut für den fortschritt darstellt.

    Natürlich bedeutet das keinesfalls das man Nazis nun zustimmt. Es ist vielmehr eine Aufforderung ebenfalls Kritik zu leisten also seinen eigenen Verstand zu bedienen. Im besten Falle führt das also dazu, das Leute ihre politische Urteilskraft stärken – im schlechtesten das sie die Thesen der Nazis übernehmen.
    Es ist aber von der Grundeinstellung demokratischer, nicht nur weil Nazis auch eine Stimme bekommen & sich nicht mehr als unterdrückte Minderheit gerieren können – sondern weil es einen Aufforderungscharakter besitzt, sich aktiv als Bürger einzumischen.

  8. Und hier kann man gut beobachten, warum ich Habermas ausgelassen habe. Seine Konzepte von Diskurs – die auch in deiner Vorstellung mitschwingt, Fragender – ist ein idealistisches Zerrbild. Menschen funktionieren so nicht. Diskurs funktioniert so nicht.

    Menschen lassen sich nicht mit Argumenten oder gutem Zureden überzeugen. Es gibt keinen „zwanglosen Zwang des besseren Arguments“. Es gibt nur Aussagen und daraus ergebende Aussagenlogiken, die den Möglichkeitsraum für weitere Aussagen bilden.

    Das kann man glauben oder mit Nazis reden gehen.

  9. Es hat auch etwas mit Kultur zu tun, wenn man lernt logisch zu argumentieren, andere zu überzeugen, seine Position darzustellen, kompromisse auszuhandeln etc.
    Das ist wahrscheinlich viel schwerer als andere auszugrenzen oder zum Schweigen zu bringen.
    Darum mutet mir ihre Einstellung autoritär und geistesfeindlich an.

  10. Pingback: Über Clausnitz, Bautzen & Co. – Über Tribalismus und Kultur | Kotzendes Einhorn

  11. Das Wohlerergehen von Nazis ist mir ganz egal. Was sie reden, was sie denken, was sie fühlen, ob es ihnen gut geht oder schlecht. Ich habe kein Mitgefühl mit ihnen. Jedoch liegt mir die offene Gesellschaft am Herzen und ich betrachte Nazis als Feinde der offenen Gesellschaft, wie auch alle anderen Ideologien. Die Krux ist, dass mir nur zwei Methoden zur Verfügung stehen, mich mit dem Thema auseinander zu setzen. 1 ich ignoriere Nazis, weiss aber, dass ich dann nichts gegen ihre Verbreitung tue, in dem ich schweige. 2 ich tue das, was ich am besten kann, ich rede. Ich bin bin durchaus darüber im Klaren, dass ich einen hart gesottenden Nazi nicht von einer offenen Gesellschaft überzeugen kann, aber wenn ich nur einen Menschen, der Gefahr läuft in Nazi-Kreise abzudriften, davon überzeugen kann, meinen Worten Glauben zu schenken, habe ich die Welt ein Stück besser gemacht, auch wenn es pathetisch klingt.

  12. „Menschen lassen sich nicht mit Argumenten .. überzeugen.“

    Kein Techniker, Ingenieur oder Naturwissenschaftler kann dieser fantastischen These zustimmen. Vielleicht trifft sie bei (hust) Kulturwissenschaftlern zu; da kenne ich mich nicht aus.

  13. Für mich fehlt da bei der ganzen Kultur die Frage nach Macht und Machtvehältnissen und dem Gefühl der instrumentalisierten aber als real empfunden Machtlosigkeit?!

  14. Die Machtfrage habe ich in der tat ausgelassen, weil sie speziell hier wenig erklärt. Bzw. im Grunde haben wir es eher mit einer Entwicklung zu tun, in der ein Zurückweichen von Macht eine wesentliche Rolle spielt.

    Macht, in dem Kontext, sind Hubs. Also besonders stark vernetzte Akteure. Das sind klassischer Weise die Massenmedien. Das sind ein paar Public Figures, etc. Man kann jetzt argumentieren, dass die Massenmedien bestimmte rechte Strömungen hofiert haben und bestimmte Narrative in den Diskurs eingeschleust haben. Das stimmt und war für lange Zeit wahr.

    Was wir aber heute erleben, ist eine Entwicklung, die sich von den Mainstreammedien angekoppelt zu haben scheint. Auch wenn die Massenedien nicht unebeteiligt sind, würde ich ihnen nur eine geringe Rolle zuschreiben. Der Großteil des Hasses organisiert sich und ihren Diskurs mittlerweile an den Gatekeepern vorbei.

    Wenn ich hier Macht ins Spiel bringen wollte, würde ich eher eine neue Macht heraufbeschwören: wir brauchen neue gatekeepende Institutionen, die es wieder schaffen diesen Diskurs in vernünftige Bahnen zu lenken. Wir brauchen eine neue Macht. Prädestiniert für diese Rolle sind die Plattformen, auf denen die Diskurse ablaufen. Das ist das, was ich in meinem anderen Blog unter Plattformpolitik verhandele. http://www.ctrl-verlust.net/category/plattformpolitik/

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