Gerade scheinen sich nicht alle einig zu sein, ob die Telekom mit ihren Zusatzpaketen wie „Entertain“ nun bereits die Netzneutralität verletzt. Mit Entertain hat man sowas wie Fernsehen über IP, die Telekom rechnet den entstandenen Traffic aber nicht in das Drosselungsfreivolumen mit ein, so dass man sorgenlos „fernsehen“ kann und nur beim „normalen DSL“ die Uhr rattert.
Was zunächst wie eine klare Netzneutralitätsverletzung aussieht, kann aber durch eine technische Definitionen der Netzneutralität argumentativ ausgeräumt werden. Da das angebotene Fernsehen zwar per IP aber dort per Multicast und nicht per TCP „gesendet“ wird, gehöre es technisch gar nicht zum Internet und sei eher vergleichbar mit dem Fernsehkabel in der Wand, das nur zufällig die gleiche Leitung benutzt. (So zum Beispiel Fefe und die Telekom, aber auch eine ganze Menge vertrauenswürdiger Quellen)
Nun besteht auch das Internet schon immer aus mehr als TCP/IP (z.B. gibt’s auch UDP), was diese Definition dringend ausbaufähig macht. Aber damit nicht genug: Die Telekom bietet bei Entertain ja eben nicht nur lineares Fernsehen an, sondern mit TV-Archiv und Videoload gehören Video on Demand-Dienste auch mit zum Service. Ich weiß allerdings nicht, wie sie das technisch machen, das per Multicast anzubieten, oder ob da nicht auch TCP/IP oder UDP/IP im Spiel ist. (Die Wikipediaseite spricht auch von Unicast-Traffic) So oder so, stehen diese Video on Demand Dienste im direkten Wettbewerb zu iTunes, Amazon und Whatchever, etc.
Abgesehen also davon, dass ich hier schon wettbewerbsrechtliche Probleme sehe, frage ich mich, ob wir mit einer engen, technischen Definition von Netzneutralität wirklich glücklich werden. Die Provider bräuchten nur irgendwelche exotischen oder selbst zusammengestöpselten Protokolle verwenden, um der Netzneutralität definitorisch zu entgehen. Wenn die Telekom also demnächst ihr Youtube+Paket über FNORD/IP anbietet, stehen wir da, mit unserer technischen Definition von Netzneutralität.
Oder wie seht ihr das?
Der wesentliche Unterschied ist, daß es Entertain nur auf Telekom-Anschlüssen gibt, wie es Kabelfernsehen nur auf KabelBw/D-Anschlüssen gibt – es ist halt eine separate Leistung, die nur zufällig über dieselbe Strecke verteilt wird. Welches Protokoll da benutzt wird, ist zweirangig.
Youtube gibt es aber eben nicht nur bei der Telekom, sondern an jedem Internet-Anschluß, und wenn die Telekom da anfängt, Wegelagerei zu betreiben (‚Geld oder schlechte Leitung‘, egal ob das Geld von Youtube oder als AddOn zum Anschluß kommt), ist das ein Neutralitätsproblem.
Aber Videoload gibt es auch über normales Internet. Das ist aber im Leistungsspektrum von Entertain inkludiert. Also doch vergleichbar.
Andererseits: Stell dir vor, eine Verletzung der Netzneutralität heißt zwingend, dass man kein „Internet“ anbieten kann.
Das verstehe ich nicht, erlehmann. Was willst du sagen?
Na der hypothetische FNORD-Zugang ist eben kein Internet-Zugang.
Ach so. „Internet“ also als geschützer Begriff. Auch ne interessante Variante.
Nebenbei halte ich es in vielen Fällen für wenig weitsichtig, konkrete technische Standards in Gesetzen festzuschreiben. Was ein „Netz“ wäre, in dem die Neutralität gelten soll, könnte im Einzelfall eine Gerichtsentscheidung sein. Schneier zur Spezifität von Gesetzen:
Upps, das Detail mit Videoload kannte ich nicht. Wenn das nicht gegen das Volumen gerechnet wird, wird’s brenzlig (genauso wie die Spotify-Angebote im Mobilfunk).
Und das hypothetische FNORD/IP ist natürlich Internet, wie das /IP sagt. Wie auch bei UDP/IP (17) und TCP/IP (6). Neben den beiden gibt es noch ein paar andere Unterprotokolle (ICMP (1), diverse Tunnel- (41, 47, …) und Echtzeitgeschichten), und für den FefeNachhaltigOptimiertenRessourceDestroyer wird sich auch noch eine freie Protokollnummer finden.
Der Kabel Deutschland Vergleich hinkt komplett, da die Telekom mit Enterntain eben Video ON DEMAND anbietet, das ein direkter *Konkurrent* zu anderen Streamingdiensten ist. Davon abgesehen kann man Telekom Entertain wohl nicht ohne Internetanschluss bei der Telekom buchen.
Und genau da tritt die Netz*neutralität* auf den Plan (die Begriffe sind schon so beschreibend, aber ich hebe es trotzdem noch mal hervor).
Wie immer bei Definitionen, zu eng/technisch gefasst bringen sie nichts. Ich werde mich nun nicht an einer versuchen, aber eins sollte klar sein: Wenn die Telekom umsetzt was sie vorhat, verletzt das die Netzneutralität (Wir sprechen hier über Festnetz, aber mobil mit Spotify ist es schon handfeste Realität, da war der Dammbruch schon da wenn man genau hinguckt)
Fefes Sicht kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, ist komplett am Problem vorbeigeschrieben, viel zu kurzsichtig.
Ich seh das ganz profan:.
Verletzung der Netzneutralität ist: Der Anbieter behandelt nicht alle Dritte, die im Internet Inhalte anbieten, gleichrangig, sondernl lässt sich die Ungleichbehandlung bezahlen. In welcher Form auch immer. (D.h. wenn
Der Teufel liegt natürlich im Detail.
Darf er Anbieter seine eigenen Dienste separat abrechnen? (Ich denke ja)
Darf der Anbieter nach Diensten unterscheiden, also Videostreams schneller transportieren als Bittorent? (Ich denke nein. Er darf realtime-Streams priorisieren, aber wenn die Leitung ansonsten frei ist …)
Darf er SIP blockieren und die Kunden zwingen, den Telefonanschluss im Router zu verwenden (d.h. auch SIP, aber zwingend nach dem Tarifmodell des Anbieters)? (Ich denke nein)
Darf er Mailversand blockieren, der an beliebige SMTP-Server gerichtet ist? (IMHO nur mit vom Kunden veränderbarer Whitelist)
Als Entertain Kunde (insert sad face here) weiß ich, dass das Entertain Fernsehen über eine Mischung aus Unicast und Multicast übertragen wird: die ersten Sekunden per Unicast, danach per Multicast.
Bei der Telefonie hört das aber auch schon auf: die läuft über ganz normales IP, da gibt es auch mit viel technischer Rumrederei keinen augenwischbaren Grund, warum die magentafarbenen Bits den anderen bevorzugt werden sollten.
Ganz unabhängig davon halte ich das Aufhängen der Netzneutralität an diesem technischen Detail aber für nicht zielführend. Eventuell sollte man den Netzneutralitätsbegriff sogar noch ausbauen: Vielleicht sollte man die Telekom (und andere) dazu verpflichten, anderen Firmen die Möglichkeit zu geben auf dem Telekom DSL eine Multicast-Infrastruktur aufzubauen, wie sie die Telekom für ihr TV nutzt. Damit wären andere Anbieter in der Lage auch in diesem Bereich vernünftig mit der Telekom zu konkurieren, und z.B. on demand Fernsehen oder ähnliches anzubieten.
Das man für seinen Telefonanschluss, der ja heutzutage keinerlei zusätzliche Leistung enthält außer einem eine Telefonnummer bereit zu stellen, eine monatliche Grundgebühr kostet ist ja auch eher so eine sich bald selbst ausgleichende Anomalie der Digitalisierung.
ah, und hast du schon mal die video on demand dienste benutzt? glaubst du, dass dessen traffic auch gesondert (also außerhalb normal dsl) gerechnet wird?
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Ich sehe das so: Dass es diversifizierte Angebote gibt, ist in Ordnung.
Es ist nur wichtig, dass der Konsument auch klar erfährt, was er kauft.
Ich würde dabei folgendes Vokabular vorschlagen:
1) Inhalt:
„Internet“: ist das ganze Internet (alle Server und Services(Protokolle), die erreichbar sind [da müsste man noch einen Definitionspunkt finden].
Nimmt der Provider etwas raus, verlangsamt es etc. muss das beschrieben sein. Also z.B. „Internet minus VoIP“
Auch wenn etwas hinzugefügt wird, wie z.B. HTML-injizierte Werbung
2) Umfang und Bandbreite
„flat“ heisst unbegrenzt lange, ungebremst und unbegrenzt viel.
Will der Provider etwas anderes abieten, so möge er es bitte beschreiben. Z.B. 75 GB zur Geschwindigkeit A, ab dann Geschwindigkeit B.
Damit weiss der Konsument, wie viel volles oder eingeschränktes Internet er bekommt.
3) Zusatzpakete
Der Provider kann der transparent beschriebenen Leistung aus 1+2 gerne Zusatzpakete hinzufügen, etwa 10.000 GB Volumen Spotify oder 100.000 GB Videoload. Hat er vorher diese Server aus seinem „Internet“ herausgenommen, muss das unter (1) beschrieben sein.
Zusätzlich ist für mich das Argument, dass Entertain nicht über das „normale“ Internet erreichbar ist auch ein valides Argument (sollte aber auf Sicht nicht das einzige sein). Bei einem heute normalen Telefonanschluss gilt übrigens das gleiche: die Telefonie, die jetzt für die meisten gar nicht sichtbar über IP und nicht über einen „weg-gesplitteten“ ISDN-Kanal transportiert wird, sollte ja auch nicht vom gebuchten Internet-Volumen abgezogen werden, oder?
Aber ich teile natürlich die Sorge, dass die Telekom nicht nur 10 Euro für das nächste Volumen-Paket kassieren möchte. Dann muss man hoffen (oder es fordern), dass es Anbieter im Markt gibt, die „echtes“ Internet im Angebot haben. Sonst geht das Ding wirklich „funktional kaputt“. Der erste Schritt in jedem Fall ist mal die oben geforderte Angebotstransparenz!
Thomas
..ach so, vergessen: Die Differenzierung nach Uni- und Multicast ist völliger Unfug (bei der Frage, ob etwas „Internet“ ist oder was anderes)!