Thesen zu einer Ökonomie des Aufschubs

1. Arbeit und Fertigstellung
Das Ziel jeder Arbeit ist ihre Fertigstellung. Jede Arbeit arbeitet somit notwendig auf ihre auf ihre eigene Überflüssigkeit hin. Je erfolgreicher eine Arbeit geleistet wird, desto nachhaltiger macht sie sich für Zukunft obsolet.

2. Arbeit und Kapital
Die Kapitaltechniken erlauben es aber nun Arbeit unendlich zu akkumulieren. Diese Akkumulation hat das Ziel der Fertigstellung ersetzt. Das Ergebnis ist ein Prozessieren von Arbeit, das durch einen ewig sich wiederholenden, rekursiven Aufschub der Fertigstellung in Gang gehalten wird. Diese Methodik gleicht der Möhre, die dem Esel mit einer Angel vor die Nase gehalten wird, um ihn zu motivieren eben den Wagen zu ziehen, von dem aus sie ihm vorgehalten wird. Fertigstellung heißt in unserer Welt Feierabend, Wochenende und zuletzt Rente.

3. Anschlussfähigkeit und Bedrüfnisse
Diese Ökonomie des ewigen Aufschubs setzt die Anschlussfähigkeit von Arbeit voraus. Arbeit darf niemals ihr eigentliches Ziel erreichen. Dieses ist zum einen schon gewährleistet, durch die theoretisch unendliche Skalierbarkeit von Privatkapital. Zusätzlich muss aber auch gewährleistet sein, dass die eigentliche Zielerfüllung – die Befriedigung von Bedürfnissen – auf gar keinen Fall erreicht werden kann. Dies muss also zusätzlich auf der Verbraucherseite gesichert werden: ein befriedigtes Bedürfnis ist kein Bedürfnis mehr. Während die Anschlussfähigkeit von Arbeit als gesichert gelten kann, erfordert die Aufrechterhaltung der Bedürfnisse zusätzliche Arbeit.

Dieses zeitigt, unter anderem, folgende Effekte:

Werbung als Produzent von Bedürfnissen

Absichtliche Entwicklung von wartungs- und instandhaltungsbedürftigen Produkten

Sollbruchstellen und Wegwerfware

Dieses provoziert, unter anderem, folgende Fragen:

Ist das Gesundheitssystem als solches wirklich daran interessiert die Menschen gesund zu machen?

Entbehrt die klassische Ökonomie nicht ihrer Legitimation, wenn sie sich doch auf ihre Fahnen geschrieben hat, die Knappheit der Güter zu lindern?

Sind alternative Ökonomiekonzepte denkbar, die das tatsächliche Erreichen von Zielen belohnen?

3 Gedanken zu „Thesen zu einer Ökonomie des Aufschubs

  1. Muss denn wirklich sicher gestellt werden, dass die Bedürfnisse nicht befriedigt werden? Ist es nicht fraglich, ob überhaupt jemals alle Bedürfnisse befriedigt werden können, egal welches Nutzenniveau ein Individuum erreicht? (Mönchische Selbstbeschränkung mal ausgenommen.)

  2. Das ist natürlich genau die Schwachstelle der Theorie: Arbeitet Arbeit wirklich zur eigenen Abschaffung oder zeitigte sie nicht schon immer Anschlussfähig? Es ist berechtigt dies in Frage zu stellen und es passt ansich auch nicht zu meiner Weltsicht. Andererseits zeigen mir die gesellschaftlichen Umwuchtungen durch die IT-Wirtschaft, dass tatsächlich der Tatbestand der Arbeitsabschaffung durch Arbeit gewährleistet werden kann und faktisch auch wird.
    Ein kleines Gedicht hier zu:

    Als der Erfinder die Maschine erfand,
    Die Maschinen erfindet,
    wusste er noch nichts
    von der Abschaffung der Sozialhilfe.

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