Ich will gar nicht mit einstimmen in den Chor der Leute, die sich über die Pietätlosigkeit von Richard Stallman aufregen, der noch am Tag nach dem Tod von Steve Jobs verkündete: „Ich bin nicht froh, dass er tot ist. Aber ich bin froh, dass er weg ist.“ Ich finde diese Aussage nämlich nicht in erster Linie pietätlos – sondern dumm.
Ich will gar nicht bestreiten, dass Apple – vor allem seit iOS – für die Freie Software ein rotes Tuch ist. Dass Apple geschlossene Systeme baut, die quasi die Gegenthese für alles sind, wofür Richard Stallman steht.
Dumm ist die Aussage aber, weil sie nicht anerkennt, dass Apple die letzten Jahre die innovativsten Produkte herstellte und den Markt vor sich her trieb. Indem Apple der ganze Branche den Innovoationstakt diktierte, verbesserte es nicht nur seine eigenen Produkte, sondern die der gesamten Branche. Und ja, auch die der freien Software.
Freie Software wäre heute nicht annähernd so gut wie sie ist, ohne Steve Jobs. Dass Steve Jobs weg ist, ist in keiner Hinsicht besser für freie Software, sondern im Gegenteil. Es ist schlecht für sie. Eine Inspirationsquelle und ein Innovationsantreiber geht für sie, wie für die ganze Branche, verloren.
Ich für meinen Teil werde weiterhin nur das aus meiner Sicht beste Produkt kaufen und nicht weil ich etwas „unterstützen“ will. Und ich bilde mir ein, damit auch allen anderen zu helfen. Denn das, was die Zweit-, Dritt- und Viertbesten brauchen sind mitnichten dummbräsige Aktivisten mit unreflektierten Sprüchen, sondern einen Tritt in den Allerwertesten.
Bravo, das war wirklich auf den Punkt! Man hat aber solche Äußerungen in allen möglichen Foren lesen können. Fragen sich diese Leute wirklich nicht, wo a) die PCs und b) die Mobilbranche (und wahrscheinlich auch c) die Musikbranche) heute wären? Oder beantworten sie die Fragen anders? Ich weiß es nicht.
Apple hat der Qualität freier Software nicht geholfen. Im Gegenteil. Lediglich einige ganz wenige Projekte wie zum Beispiel freie Videocodecs mögen von einer gewissen Konkurrenzsituation Energie und Ideen geschöpft haben. Khtml profitierte wohl auch davon, dass Apple die Engine wählte, aber das hat Google auch gemacht.
Das ist aber kein Vergleich mit der Komplett-Verdongelung von Plattformen und Märkten. Warum soll ich einen freien E-Book-Reader programmieren, wenn die DRM-Techniken den Großteil des Contents damit nicht lesen kann? Warum sollte jemand eine freie iTunes-Alternative schreiben? iTunes ist dient nur dazu eine proprietäre Plattform zu bestücken, als Musikplayer hat selbst WinAmp mehr drauf. Stattdessen musste mal Podcast-Anbietern hinterherhecheln, dass die nicht nur itms://-Links zu ihren Inhalten setzten. Viele OpenSource-Projekte wurden von Codern in den App-Store überführt. Rückfluss an die Projekte selbst? Null.
Ich würde sagen Apple hat viel mehr von freier Software profitiert als umgekehrt. Ihre Betriebssysteme (Mac OS X / iOS) basieren auf freier Software!
Abgesehen von der etwas platten Überschrift überzeugt mich vorallem die Kernaussage „Freie Software wäre heute nicht annähernd so gut wie sie ist, ohne Steve Jobs“ nicht. Hast du dafür Argumente bzw. Indizien? Wieviel besser wurde sie den durch Steve?
@Thorsten.
Was ist mit GCC und LLVM? Wurden die von Google vorangetrieben?
KHTML wurde lange vor Google von Apple vorangetrieben.
Einfach mal bei den Fakten bleiben und nicht nach den Motto „Weil nicht sein darf, was nicht sein soll“.
Soweit ich den Eintrag von Stallman verstanden habe, handelt es sich um ein Zitat und nicht um eine Aussage von ihm.
Trotzdem gebe ich dir Recht.
Ich habe ja bei Stallman immer das Gefühl, dass die ganze Open Source Bewegung ihn sich nur noch als eine Art Zirkusaffen hält, der ab und zu vor tritt und die Menge bespaßt. Eine Karikatur seiner selbst. Wenigstens ist er konsequent und glaubt noch an das selbe woran er auch schon vor 20 Jahren geglaubt hat.
Missverständnis. Das „Ziel“ Freier Software für Stallman ist nicht das innovativste oder auch nur technisch performanteste Produkt, sondern allein das im Sinne Stallmans „freieste“. (Dass offene Systeme besser seien, /weil/ sie Innovation und Performanz fördern, ist das Argument der *Anti-Stallman’schen* Open-Source-Bewegung.) Man muss diesen Maßstab nicht teilen bzw. kann Jobs nach einem anderen bewerten. Aber unter diesem Stallman’schen Maßstab hat Jobs vermutlich wirklich mehr Schlechtes als Gutes zu verantworten.
Jochen: Wie gesagt: einige wenige Projekte haben wohl direkt oder indirekt durch die Investitionen von Apple investiert. Andere haben dafür massiv verloren, bzw wurden ausgebremst.
Du begehst einen Kategorienfehler: Freie Software ist nicht Teil einer
in der Apple spielt, sondern beruht auf einer sozialethischen Motivation, Software zu entwickeln. Dass das keine intrinsische Antithese zu Apple darstellt, sieht man an einem einfachen Gedankenexperiment: Die meisten Apple-Produkte sind ohne totalen Lockdown vorstellbar – und wären marginal besser.Die Aussage
hätte ich gerne knallhart belegt. Hätten die Entwickler von libgpod und libimobiledevice nicht besseres schaffen können, statt proprietäre Protokolle zu rückwärtsieren? Würde die Unterstützung eines lizenzkostenfreies Audioformats durch Apple Innovation in den Bereichen Audiosoftware und Webbrowser nicht etwa vorantreiben?Du siehst wahrscheinlich nur die positiven Aspekte, wie etwa Weiterentwicklung von Webkit, Erfindung des Canvas-Elements oder das Ausliefern von Rechnern mit benutzbarem Unix-Unterbau. Was du nicht berücksichtigst: Geschlossene Dateiformate, DRM, signierte Bootloader und weitere Maßnahmen nehmen nicht dem Nutzer nicht nur grundlegende Freiheiten – sie hemmen auch Innovation in einem nicht absehbaren Ausmaß.
Nebenbei bemerkt: Steve Jobs ging es nicht primär um Innovation, sondern um Marketing. Er tat alles, um einen „fairen“ Konkurrenzkampf zu unterbinden – und machte die entsprechenden Handlungsweisen salonfähig. Er hatte z.B. keine Skrupel, zu lügen, um offenere Angebote zu diskreditieren. Alternative, teils bessere Software wurde aus eigener Hardware – einer nicht-neutralen Plattform übrigens – immer wieder ausgesperrt.
Steve Jobs Vermächtnis ist eine Kultur, die der Hacker-Kultur diametral gegenüber steht. Und das kritisiert Stallman, daran leidet seiner (und meiner Ansicht) nach die Produktqualität auch anderer Firmen. Egal, ob dir das wichtig ist oder nicht: Dumm ist es nicht; er hat halt andere Prioritäten.
Zu stefan: Stallman ist nicht und war nie ein Teil der Open-Source-Bewegung. Im Gegenteil: Die können ihn nicht besonders leiden – weil ihr Fokus tatsächlich darauf liegt, wie man die beste Software bekommt und nicht, wie sozialethisch verträglich das ist. Und selbst dort ist man der Meinung, dass es gut ist, dass Steve seinen Job nicht mehr ausübt.
Thorsten: Welche sollen das gewesen sein?
Ich möchte an dieser Stelle übrigens noch anmerken, dass Stallmans persönlicher Arschlochfaktor unerheblich für die Qualität des Arguments ist. Nur fürs Protokoll.
hmm, jemandem aus dem technologiebereich, dem innovation egal ist, hört irtgendwer zu? was es alles gibt.
> Steve Jobs Vermächtnis ist eine Kultur, die der Hacker-Kultur
> diametral gegenüber steht.
Leider sehen in meiner eigenen Partei viel zu wenige.
Piraten mit iPad sind wie Grüne, die mit dem Porsche Cayenne die 300 Meter zum Brötchenholen fahren: Sie zerstören das Ökosystem, dessen
Erhalt und Förderung zu den Grundwerten der Partei gehört und treten damit diese Grundwerte mit Füßen.
Dadurch, dass Apple mit verriegelter Hardware so erfolgreich ist, besteht die Gefahr, dass eines Tages die meisten Geräte, die für den Zugang zum Internet benutzt werden, ihren Besitzern nicht mehr vollständig gehören, sondern Hardwarehersteller oder Netzbetreiber über die erlaubten Inhalte entscheiden. Das ist mindestens so gefährlich wie eine Abschaffung der Netzneutralität oder die Etablierung einer Zensurinfrastruktur.
Steve und Richard sind sich sehr ähnlich, beide sind Fundamentalisten bezüglich ihrer Meinung. Man sollte sich selber ein gefallen machen und das einfach zur Kenntnis nehmen und sich um wichtigeres Kümmern.
Pingback: Aktuelles 12. Oktober 2011
@mspro: Technologie sollte eigentlich nicht nur technologisch „innovativ“ sein. Leider ist sie das meistens. Stallman ist das Gegengewicht zu dieser Vorstellung. Stallman hat eine bestimmte gesellschaftliche Vision. Und Apple hat dieser die letzten Jahre entgegengesetzt gearbeitet.
Etwas platte Analogie: ein neuer Internet-Wurm, der sich auf eine neue, originelle Art auf Computern verbreitet und dort irgend einen Unsinn anstellt, ist technologisch ebenfalls innovativ. Aber gesellschaftlich hat er keinen Nutzen.
Wäre wirklich schön zu wissen, wie du auf diese Aussagen zu freier Software und Apple kommst. ^^
Jochen: Wie wäre es mit … ipodLinux, Rockbox, den Browsern Firefox und Opera (siehe Ogg Vorbis, Theora, WebM), sowie diversen Mediaplayern, die nicht mit iPods interagieren konnten? Auch änderte Apple immer wieder DAAP-Schlüssel, damit nur iTunes mit iTunes funktionierte. Aber das sind sicher alles – wie sagt Fefe – .
mspro: Stallman ist Innovation sicher nicht egal; er möchte es halt langfristiger. Grün angehauchte würden sagen: Nachhaltig. EMACS oder TeX existieren auch in 10 oder 20 Jahren noch – jedenfalls, soweit man eigene Software auf sein Gerät laden kann. Dein hypothetischer proprietärer Lieblings-Editor jedoch geht einfach so vor die Hunde. Welches von beiden Programmen hat dann wohl mehr / bessere / benutzbarere Features?
erlehmann: Nimm halt Android. Moment, das ist auch nicht „frei“.
ich will mich hier nicht auf einen kleingeistigen kampf „was ist die bessere software“ einlassen. das soll bitte jeder selber wissen.
die frage ist doch: warum sollte die existenz von properitären editoren der von emacs schaden? darum geht es.
Ich kann mich nicht erinnern eine auch nur annähernd äquivalente Alternative zum iPhone oder iPad zu deren Produktstart gehabt zu haben. Die jetzigen (inzwischen sehr guten) Android Geräte existierten schlicht vorher nicht. Also kann man einen gewisse Innovationsaustrahlung von Apple auf offene Plattformen nicht abstreiten. Und wenn ich mir Ubuntu anschauen, dann erinnert mich die UI auch an vielen Stellen an OSX. Da hat man sich ebenfalls ganz klar inspirieren lassen.
Mein Gott, denkt der große Teil der Kommentatoren hier kleinkariert. Fangt doch gleich mal an die LOCs zu vergleichen, die Apple beigesteuert hat und vergleicht das mit dem, was Apple benutzt hat.
DARUM geht es doch gar nicht. Apple hat die Latte höher gelegt. Für Browser, für das OS, für die GUI, für die Integration von Hard- und Software, für die Musikverwaltungssoftware, für die Fotoverwaltung, … Für „it just wirks (TM).
Davon, dass die Latte höher gelegt wurde, haben alle anderen auch profitiert. Windows, Gnome, KDE, Ubuntu, Linux basierte Settop-Boxen, etc. pp. Ohne Apple hätte man einen Haufen offener, aber aus Benutzersicht schlechterer Lösung problemlos am Markt platzieren können. Aber mal ernsthaft: Wer will lieber eine Welt mit WeTabs als iPads? Oder mit Trolltech Greenphones als iPhones? Ich fürchte, es wird hier sogar welche gegen, die jetzt laut Ja rufen. Die Mehrheit ist das aber nicht …
Was der Mann sagt: Wie doof Android nun tatsächlich ist, ist wirklich nicht die Frage. (Und wirklich toll finde ich es jetzt nicht, Nokia hatte mit Maemo etwas wesentlich hübscheres produziert.)
mspro: Der proprietäre Editor behindert – andere Umstände unverändert gelassen – inhärent Innovation. Apple blockiert aber auf einer ganz anderen Ebene, nämlich einmal der Nicht-Unterstützung offener Standards durch ihre Software (und die schadet dank Netzwerkeffekten allen anderen – siehe Webbrowser und Mediaplayer) und zweitens dem Hardware-Lockdown: EMACS auf dem iPad? Fehlanzeige.
(Drin bevor: Dann soll Stallman halt seine eigene Hardware machen. Das verfehlt das Argument.)
Es geht eigentlich gar nicht um Open Source vs. Closed Source. Oder um Apple vs. Linux. Sondern um Computer vs. Nicht-Computer.
„Computer“ im Sinne von „Frei programmierbarer Universalmaschine, auf der ich Software meiner Wahl ausführen kann“.
Für Richard Stallman ist Android auch keine freie Software, weil Google nicht den kompletten Quelltext freigibt und zu viele proprietäre Treiber zum Einsatz kommen.
Sven hat gesagt: „Ich kann mich nicht erinnern eine auch nur annähernd äquivalente Alternative zum iPhone oder iPad zu deren Produktstart gehabt zu haben“.
Das ist mal ein wahres Wort. Apple hat es geschaft Usability und Design zu verbinden, wie vorher niemand sonst. Allerdings hat die Presse sich überschlagen wie sonst was bei der Todesmeldung von Steve Jobs. Und nicht nur die, sogar hier fand das Erwähnung. Und ein Post gibts da auch. Mag ja sein, dass Steve Jobs ein guter „Handwerker“ war, aber das?
„Warum Richard Stallman dumm ist“
Sagt wer? Michael Seemann? Hahahaha. Was hast DU denn bisher geleistet in dieser Welt?
Stallman hat eine ganze Bewegung ins Leben gerufen, Freie Software definiert, rechtlich abgesichert, das Copyleft erfunden, die bedeutendste Freie-Software-Lizenzen ins Leben gerufen, viele tausend Vorträge gehalten, entscheidende Herzstücke von Millionen aktueller IT-Systeme geschrieben wie die GNU Compiler Collection oder die GNU core utils. Stallman ist einer der fünf großen Hacker.
Und jetzt kommt irgendein Blogger-Wichtigtuer mit ein paar hundert Lesern und nennt ihn „dumm“, weil er dann noch fünf Leser mehr bekommt? Ist dir das eigentlich nicht peinlich, lieber Micha?