Quo vadis, Google?

Als Google seine neue Suche „Search, plus Your World“ launchte, dachte ich zunächst: „WOW! Google setzt alles auf eine Karte.“ Google+ soll der neue Dreh und Angelpunkt von allem sein. Obwohl sie fast ausschließlich mit Such-Anzeigen Geld verdient, will es sich nun mit aller Macht in ein Social Network mit angeschlossener Suchmaschine verwandeln.

Und tatsächlich. Egal ob die Verstümmelung des Readers, die Mailintegration, die Schließung so vieler Googleprodukte und die Einschränkungen bei APIs – alles hat sich Google+ unterzuordnen, ganz gleich, wie hoch die Kosten sind.

Doch was, wenn Google+ doch kein Erfolg wird? Social Networks agieren mehr noch als andere Produkte in einem „The Winner takes it all„-Markt. Und dieser Winner ist nach wie vor Facebook und sitzt fest im Sattel. Seine Netzwerkeffekte haben einen derartigen Lock-In, dass sich schon heute kaum jemand entziehen kann, ohne beträchtliche Einbußen in seinem Sozialleben zu ertragen. Facebook zu schlagen ist verdammt schwer. Und nee, das sehe ich nicht.

Warum also so eine risikobehaftete Strategie?

Ich hatte im letzten Jahr versucht zu zeigen, wie der Ansatz, den Google über Jahre als das „Interface zum Web“ zu fahren versuchte, durch die enorme Wichtigkeit von geschlossenen Plattformen in Gefahr geraten ist. Um eine gute Suchmaschine zu sein, braucht Google Daten darüber, was die Leute interessiert. Diese Daten liegen aber zum größten Teil beim geschlossenen Facebook. Je weiter Facebook wächst, desto größer wird der blinde Fleck in Googles Daten. Es ist logisch, dass ein eigenes Social Network – sollte es erfolgreich sein – hier Linderung verspricht. Das, so die Annahme, ist eben Google+.

Aber während ich noch rätselte, warum Google jetzt so auf Teufel komm raus sogar seine Suche „opfert“ um Plus zu pushen, schrieb Marcel Weiß noch eine weitere Deutung von Googles Strategie auf: Was, wenn Google die Integration von Plus in die Suche nur als Druckmittel und Drohkulisse – zumindest als Verhandlungsmasse – gegenüber Facebook und Twitter in’s Spiel bringt?

Es ist bekannt, dass Google schon lange versucht, Facebook und Twitter dazu zu bringen, ihre Daten für Google zu öffnen. Eine Zeitlang hatte Google Twitter auch so weit und konnte ihre Daten integrieren, doch der Vertrag wurde nicht verlängert. Was aber, wenn eine solche Integration nach wie vor ihr Anliegen ist? Dass Google+ jetzt exklusiver Datenlieferant für die Relevanz von Googlesuchergebnissen ist, läge also gar nicht an der Ausnutzung der Monopolstellung von Google, sondern an der Datengeizigkeit von Twitter und Facebook. Was, wenn Google die beiden mit diesem Schritt also nur zurück an den Verhandlungstisch zu bomben versucht? Bei Twitter scheint man jedenfalls schon aufgeschreckt zu sein.

Eine ähnliche Deutung existiert übrigens auch für Googles riesige Patentdeals. Es ist relativ offensichtlich, dass Google Motorola letztes Jahr vor allem auch deswegen kaufte, weil es die meisten und wichtigsten Mobiltelefonpatente überhaupt besitzt. Im ständigen Rechtsstreit, den Google wegen Android an allerlei Fronten auskämpfen muss, sind das natürlich recht scharfe Waffen, um sich zu verteidigen oder gar anzugreifen. Dazu kommen die vielen erst kürzlich eingekauften IBM-Patente.

Auch hier riefen die Kritiker, dass Google seine Ideale verrate. Die Firma hatte immer zu erkennen gegeben, dass sie von Patenten und Patentkriegen wenig hält, engagierte sich sogar als Lobbyist für die Abschaffung von Softwarepatenten. Und auf einmal versucht Google der große Player im Patentkrieg zu werden? BUUUH!

Auch hier existieren unterschiedliche Deutungen:

Die erste wäre: klar, Google wird erwachsen und sieht: mit Anwälten kann man mehr Geld verdienen, als mit Ingenieuren.

Die zweite wäre: Das ist pure Notwehr! Google Die Telefonhersteller, die Android einsetzen müssen ja jetzt schon 10 Dollar Lizensgebühren pro Smartphone an Microsoft abdrücken. Sie brauchen die Patente schlicht zum überleben.

Die dritte aber wäre: Google versucht den Patentmarkt zu ownen – um ihn abzuschaffen. Erst wenn man selbst Großpatentbesitzer ist, kann man sinnvoll gegen Patente lobbyieren, bzw. die anderen zum Waffenstillstand zwingen.

Die Frage ist also: Was sehen wir da gerade, wenn wir Google beobachten? Ein Unternehmen, dass sich jetzt einfach auf das Geldverdienen konzentriert und seine Glaubenssätze über Board schmeißt? Ein Unternehmen, dem es heute noch gut geht, aber merkt, dass es in naher Zukunft mit dem Rücken zur Wand steht und hektisch Rettungsmanöver einzuleiten versucht? Oder sehen wir ein Unternehmen, dass die Lage politisch, strategisch genauestens analysiert hat und merkt, dass es nicht reicht, selber Grundsätzen zu folgen, sondern dass man das Spiel dominieren muss, um es nach eigenen Regeln zu spielen.

Sind die Patente und ist Google+ also nur der Hebel, um die Marktteilnehmer zu mehr Offenheit – zum Guten – zu zwingen? Tut Google das alles nicht, um das Spiel zu gewinnen, sondern um das Spiel zum positiven zu ändern?

Wahrscheinlich ist diese Deutung zu schön, um wahr zu sein. Ich würde da aber gerne dran glauben.

5 Gedanken zu „Quo vadis, Google?

  1. Ich glaube es geht Google vornehmlich darum die Suche zu stärken. Das ist Googles Goldesel, hier werden die Brötchen verdient. Die Bestrebungen von Facebook die Nutzer immer mehr an die Plattform zu binden und sie dort immer mehr Zeit verbringen zu lassen, bedrohen das Kerngeschäft von Google zunehmend.
    Der Ausweg könnte für Google in einer umfassenden Social Search liegen, die auch die Daten, Informationen und Beziehungen der Nutzer von Facebook und Twitter mit einbezieht. Mit dem Vorstoß der Google+ Integration hat Google natürlich auch Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz geweckt, die sich benachteiligt sehen.
    Im Grunde wird es nur auf eine Frage hinaus laufen: Wie viel Geld ist Google bereit den beiden zu zahlen und reicht denen das dann?

  2. Google hat deutlich gemacht, dass die Patentkäufe von IBM, Motorola und Co eine reine Defensivmaßnahme sind, mit denen sie den Android-OEMs vor Apples Geschmacksmustern und Microsofts Patentansprüchen schützen wollen. Solange Google nicht „unschuldige“ Firmen damit verklagt bzw. sich damit Wettbewerbsvorteile zu verschaffen versucht, bin ich geneigt, das auch zu glauben.

    Das hier:

    Google muss ja jetzt schon 10 Dollar Lizensgebühren pro Androidsmartphone an Microsoft abdrücken.

    ist übrigens nicht richtig.

    Betrifft das nur OEMs und ODMs, aber nicht Google direkt.
    Betrifft das nur OEMs, die sich mit Microsoft „geeinigt“ haben.
    Variieren die Preise. Hersteller, die sich bereit erklären, auch ein paar Windows Phones auf den Markt zu werfen, kriegen großzügige Rabatte – andere zahlen sogar noch mehr als 10 Dollar.

    Zum Thema: Ich glaube nicht, dass Google die Suche dem sozialen Netzwerk opfert. Da ist keine Dichotomie, die beide Seiten der Medaille sollen besser ineinander greifen und irgendwann eins ergeben.

  3. stimmt. es sind die hersteller, die das zahlen. ist dennoch kacke wegen wettbewerb.

    das mit engeren verknüpfen ist ja quasi das naheliegendste. dennoch ist es das risiko, dass sie ihr wichtigstes gut, die suche, auf einen sterbenden gaul gesetzt haben. kann mir kaum vorstellen, dass sie so verzweifelt sind. wenn ihnen die suche irgendwas wert ist, müssen sie an die viel besseren weil umfangreicheren daten von facebook und twitter kommen.

  4. Pingback: Wohin geht Google? | futuretune

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