Vom Kampf um die neue Welt

Der neue Netzsperrendiskurs greift in immer blumigere Metapherkisten. Jetzt hat Jörg Tauss die Netzsperrengegner mit Indianern verglichen. Wir würden von de Maizière ebenso über den Tisch gezogen, wie einst die Ureinwohner der USA von den Siedlern. Da den Indianern das Konzept Eigentum und die Technik der Grenze nicht bekannt war, wussten sie gar nicht worauf sie sich einließen.

Ebenso ginge es uns jetzt mit der Bundesregierung, so Tauss. Man solle sich also nicht einfach mit dem Minister einlassen, der nicht akzeptieren kann, dass wir hier keine Leitplanken und Grenzübergänge im Internet haben wollen. Das Konzept Zaun sei aus seinem Kopf nicht herauszubekommen.

Ich muss zugeben, dass diese Metapher durchaus ihren Charme hat. In der Tat wirkt das Internet, wie auch Peter Glaser ja auf der re:publica betonte, wie der achte Kontinent, der gerade erst besiedelt wird.

Aber ich hatte auch sofort ein schlechtes Bauchgefühl bei dem Vergleich. Die Indianer hatten sicher andere Konzepte und eine freiere Lebensweise, als die einwandernden Weissen. Aber diese Lebensweise war nicht zu retten. Sie hatten bereits verloren, als Kolumbus seinen Fuß auf amerikanischen Boden setzte. Es bestand zu keiner Zeit irgendeine Chance, dass die Grenzen nicht gezogen und die Zäune nicht errichtet würden. Ich hoffe doch sehr, dass das heute anders ist.

Außerdem sind wir eben keine Eingeborenen. Auch wir sind Emigranten. Wir sind nicht mit den Indianern vergleichbar, denn wir kennen schließlich auch die andere Welt. Wir kennen die Enge und Zwänge und die Grenzen der Realwelt und wissen deswegen ja auch die Freiheit im Internet so sehr zu schätzen. Wir gleichen viel mehr den frühen Siedlern aus dem alten Europa mit seinen despotischen Fürstentümern, ihren engen Grenzen und seiner dichten Besiedelung, dessen wir entflohen sind. Wir haben unsere Hütten nun in der unendlichen Weite des neuen Kontinents aufgebaut und auch wenn uns das Konzept der Grenze nicht unvertraut ist, gibt es genug Platz für alle und wir haben uns da nicht so. Grenzen und Gesetze sind nicht unbekannt, aber fangen gerade erst an, sie zu entwickeln.

Das einzige, was uns so richtig stört, ist, dass dort drüben, sehr fern drüben, jemand sitzt und meint, uns immer noch – und zwar auch hier – regieren zu müssen. Die Bundesregierung ist meiner Ansicht nach die britische Krone, die uns ihre englischen Gesetze aufzwängen will, die doch gar nicht zu unserer hiesigen Situation passen. Der Ärger wächst und es braucht nur noch einen Funken.

Vor allem finde ich diesen Vergleich schöner, weil die britische Krone und ihre Soldaten erfolgreich mit Mistgabeln und Bärentöter aus dem Land gejagt wurden und sich die Siedler nun selbstverwaltet die Gesetze geben konnten, die sie für angemessen hielten. Selbstbestimmt und fortschrittlicher und freiheitlicher als alles, was es bis dahin gab.

12 Gedanken zu „Vom Kampf um die neue Welt

  1. drikkes mag sein, dass das netz in 200 jahren auch eine sarah palin hervorbringt. dennoch hätte sich der kampf gelohnt! 😉

  2. Die Kritikk am Indianerbild ist richtig. Aber: Sind wir wirklich emigriert? Wir haben ja nicht unsere Hütten in der alten Heimat verkauft und sind mit Sack und Pack in eine neue Kolonie ausgewandert. Ich habe eher das Gefühl, „das Internet“ erweitert unseren Horizont, lässt uns neue Ufer erreichen, vorher nie mögliche Wege beschreiten und Aussichten genießen – ohne dass wir die alten Gestaden komplett verlassen hätten (oder müssten).

    Blöd nur, dass mir kein griffiges Bild dafür einfällt 🙂 Eine Kolonie ist es also nicht. Bewusstseinserweitert hört sich irgendwie nach Droge an. So kleinkariert wie ein Schrebergarten ist das Netz nun nicht. Und so wenig alltäglich präsent wie ein Wochenendhaus auch nicht. Ich grübel noch.

  3. Und wie soll es dann nach der Vertreibung der Regierenden aus der alten Welt aussehen? Sitzen wir dann auf einen Internetmanifest-Zusatzartikel pochend bis an die Zähne bewaffnet vor unseren Blogs und schießen jeden über den Haufen, der auch nur einen Fuß auf unseren Server setzt?
    Eskapismus ins Netz ist ja schön und gut, nur wird es da nichts mit einer Internetstaatenvereinigung werden (give me your tired, your poor – mit blackjack und nutten!1elf) so lange das, was da zwischen keyboard und chair klemmt physisch nicht in der neuen welt sitzt sondern in wanne-eickel.
    Sorry, aber beide Vergleiche hinken stark.

  4. Natürlich hinken beide Vergleiche. Ich dachte nur, wenn schon Vergleich, dann doch lieber einen, der Mut macht 😉

  5. ‚to boldly go where no man has gone before‘ kommt mir da als weiteres Bild in den Sinn. Dann wäre de Maizière… Klingone?

  6. Zu hinkenden Vergleichen:

    Leider waren es nicht nur die Mistgabeln und Bärentöter der Siedler, die über die britische Krone triumphierten, sondern vor allem französische Soldaten, die zu deren Sieg beitrugen.

  7. @Goofy Google ist unser Frankreich. Wäre jedenfalls so ne Hoffnung.

    @Daniel ja, immer wieder erstaunlich, wie aktuell der Barlow heute noch ist.

  8. Pingback: Zeit fuer die Unabhaengigkeitserklaerung | stk

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