Irgend ein Idiot hat mal gesagt, nichtvorhandene Erwartungen könne man nicht enttäuschen. Es geht. Partiell. Denn obwohl man sich schon beim Lesen des Programms langweilt, obwohl man schon von der Aufmachung her das Gefühl hat, einem egozentrischen Selbstgehype beizuwohnen, man eigentlich nur da hingeht, weil man kein Bock auf Alstervergnügen in Hamburg hat, dann wird man immer noch glauben, dass Leute, die sich an die Speerspitze innovativer sozialer Organisationsprinzipien drängen, wenigsten versuchen ihrem eigenen Anspruch gerecht zu werden.
Die ganze Veranstaltung sagt einem: Hier sind wir, das coole Netzwerk der digitalen Bohème (aka: Z.I.A), da seid Ihr, gerufen um uns zu bewundern. Wir werden Euch mit Begriffen wie Allmende, Web2.0 und Offenheit bewerfen, aber so lange wir das tun, tut ihr gefälligst nur eines: zuhören.
Was wäre ein linker Neoliberalismus? Das war die Frage, welche einer der Hauptgründe war, weswegen ich hier überhaupt bin. Eigentlich hätte es etwas spannendes werden können. Rinks, Lechts, Neo und Liberalismus sind schließlich Begriffe, die definitiv auf die Agenda gehören. Und ja, allein der Versuch ist als Statement schon ein Schritt in die richtige Richtung.
Aber, ach, Holm Friebe. Hätte er sich bloß nicht eingeladen. Er hatte sich überhaupt nicht vorbereitet aber das mit Verve. Er hatte zwar ein paar lose Ideen zusammengetöppelt und eine ganze Menge Zeitungsartikel ausgeschnitten, aber wenn er redet, dann ohne Konzept, ohne roten Faden. Er sagt Dinge wie „Inhaltistisch“, erzählt wie er das Programm „programmiert“ hat und sinniert über die „personelle Konfiguration“ der Runde. Es war Gerede, zugegeben gekonntes Gerede, aber Gerede. Ohne Inhalt, ohne Substanz. Nur: insofern spiegelte er nur die gesamte Ausrichtung des Festivals: eine leere Pose.
Und während Mercedes Bunz wenigstens versuchte das Thema konkret zu problematisieren, quatschte Holm wirr vor sich hin, hielt zeitungsartikel in die Luft und rezitierte Zitate. Holm schaffte es, jede These im Schlamm seiner Selbstdarstellung zu versenken.
Ich weiß eigentlich gar nicht wie es weiterging. Es schlierte sich alles in einem Larifarisumpf zusammen in dem man sich nur in abgerundeten Eckpunkten einig war: die Linke muss was anderes werden/sein als sie ist und der Neoliberalimus muss etwas anderes hinzutun, damit alles irgendwie anders wird. Für eine Zukunft mit Zukunft hätte Rocko Schamoni hinzugefügt.
Vielleicht war es auch einfach zu ehrgeizig, diesen begrifflichen Sumpf innerhalb einer Veranstaltung tatsächlich begehbar machen zu wollen. Einerseits.
Aaaaber eigentlich waren es gar nicht die Worte: die Demaskierung fand dann bei den Publikumsfragen an. Zunächst mussten alle, die die Dreistigkeit besaßen, eine Frage stellen zu wollen, noch vorne an die Tafel Bühne, weil es kein wirkliches Publikumsmikro gab. Und die, die sich trauten wurden sodann von Holm Friebe angepault: Sei es, dass er ihre Fragen als irrelevant einkategorisierte, sei es, dass er ihnen dauernd ins Wort fiel, um sie zum Langsamsprechen anzuhalten.
Absichtlich oder Unabsichtlich brachte dieses Desaster ein Zuschauer auf den Punkt, indem er die Gretchenfrage nach der Demokratievorstellung stellte, der in dem Linken-Konzept der Beteiligten bisher scheinbar nicht vorzukommen schien. Und hier wurde das Dilemma schlagartig sichtbar: denn das war sicher kein Zufall, dass dieses nicht unwichtige Thema ausgelassen wurde:
Der Popdiskurs ist elitär. Die Z.I.A ist elitär. Holm Friebe ist elitär. Diese ganze Veranstaltung atmet diesen elitären Habitus. Demokratie sind die anderen. Die unwichtigen. Was hier vorgestellt wurde, war der linke Schnöselismus.
eine erbärmliche veranstaltung.
mir fielen spontan die goldenen zitronen ein:
ich weiß nicht warum uns kaum jemand hasst, wir worldwide dotcom-popper aus den mitten der neuen stadt, wir sind das comeback des tempomat, der seinerzeit noch als feindbild galt.
wir sind netzpiloten, webmatrosen, startup-lotsen, mobile kickboard-boten […]loftchaoten, solide vollnarkosen (Holm Friebe in seiner besten rolle)
[…]
und wenn das podium, wie geschehen, sich ausgerechnet Kurt Beck aussucht, um an ihm die linke zu kritisieren, tja, dann verwundert einen die frage nach einem „linke neoliberalismus“ nicht. (und was halten die dann eigentlich für rechts?)genausowenig, dass in der diskussion immer wieder nach er regulierenden rolle des staates gefragt wurde. irgendwie hätte das ganze auch bei den jusos stattfinden können.
Ich hab jetzt absichtlich nicht viel inhaltliches beschrieben. Erstens, weil es mir auf die hervorbrechende elitäre Attitüde mehr ankam, andererseits weil die vorgetragenen Ideen dermaßen dünn waren, dass sich das kaum gelohnt hätte.
Ich glaube man kann es so zusammenfassen:
Holm: Der Staat hat gefälligst die Schnauze zu halten aber bitte ordentlich für alles zu zahlen, was wir so tun.
Mercedes: Den politischen Blick auf die Diskurse lenken und die Politiker auf ihre Macht zurückbesinnen. Außerdem fand Foucault ja auch schon so…
Rickens: Ja, aber…
Grundsätzlich also weder etwas neues, noch irgendwie etwas Spannendes. Was bleibt ist der provokative Effekt der Wortkombination und ansonsten holmsche Leere. Schade. Man hätte ja durchaus versuchen können, etwas daraus zu machen.
„Absichtlich oder Unabsichtlich…“ Nein, so besoffen war ich auf der ganzen Veranstaltung nicht, und vor allem nicht am Sonnabend um 17:30h, dass ich etwas unabsichtlich gesagt hätte.
Dieser Mangel an Tranzparenz und Demokratieverständnis, zeigte sich übrigens nicht nur in dem „Workshop“ zum „Linken Neoliberalismus“ (was für eine Marketing-Nebelbombe), sondern auch in der Abschlussveranstaltung „Wie am einen Yak rasiert“. Da wurde doch glatt gefordert, dass Berlin ein öffentliches W-LAN-Netz bräuchte, um nicht von anderen Städten abgehängt zu werden.
Grüße aus der Realität: In der gleichen Woche ging durch die Presse, dass jedes dritte Berliner Kind in Armut lebt. Es scheint andere Notwendigkeiten in der Stadt zu geben, als ein paar MacBook Pro-User durch Standortmarketing zu beglücken…
Auch gut zu erfahren: Da waren wir doch wohl nicht nur drei Leute aus Hamburg, die kein Bock auf Alstervergügen hatten.
Das „Absichtlich oder Unabsichtlich…“ bezog sich ja nur auf das Auf-den-Punkt-bringen. Aber Du hast recht. Ich trau Dir schon zu diese Pointe bewusst gesetzt zu haben, war mir nur nicht ganz sicher 😉
Aber das mit dem W-Lan…. Ich bin der Meinung, dass man durchaus Forderungen für seine Klientel stellen darf, auch wenn es objektiv dringendere Probleme gibt. Wo kämen wir denn sonst hin?
Klar wirkt das zynisch wenn man das vergleicht. Aber unsere Armutskinder wirken als Problem ähnlich zynisch, wenn man sie Drittweltkinderarmut vergleicht. Sowas lässt sich unendlich fortschreiben, bis niemand mehr etwas fordern kann.
Ich muss dazu sagen, ich bin mit den Ansätzen der Diskutanten durchaus zum großen Teil d’accord. Aber neben der inhaltlichen Dürre stört mich vor allem, dass hier die flaschen Menschen an den richtigen Fragen sitzen.
Friebe hat schon recht, wenn er meint, dass Web2.0 Strukturen und vielleicht die Tools und Denkansätze für eine Utopische Weltverbesserung genutzt werden sollten, und dass sie das Potential haben, unsere Vorstellungen von Institutionen auf den Kopf zu stellen. So wie sie dabei sind, den Begriff Arbeit zu deformieren. Das ist ja alles nicht falsch.
Nur wenn es jemand wie Friebe tut, der außer seinen arroganten Distingtionsgesten vor allem eine gurumäßige Stefan George Figur abgeben zu wollen scheint, dann läuft da irgendwas schief.
jetzt bin ich aber froh. habe hier auf meinem rechner einen ganz aehnlichen text liegen – die gleiche veranstaltung, die gleiche publikumsfrage, die dann auch mir alles klar werden liess – warum so wenig inhalt, warum so viele grosse worte, warum so viele parallelveranstaltungen und dann fuer weltbewegende „workshops“ (linker neolib war ja urspruenglich als eben das gekennzeichnet! – sehe gerade, dass das in einem vorigen kommentar schon angemerkt wurde – hier also nochmal) so wenig zeit: bei so einem selbstzufrieden inhaltsleeren geist wie dem des initiators, ohne jede motivation konstruktiv mit wem auch immer es sei zusammenzuarbeiten – kein wunder! eine riesen publicity blase zur selbstbeweihraeucherung.
klicke mich nun schon durch einige kommentare durch und freue mich sehr, hier endlich eine so aehnliche einschaetzung des ganzen zu finden: das laesst doch hoffen, dass es leute gaebe, mit denen man tatsaechlich einige der heeren ziele des camps angehen koennte.