Ich frage mich wirklich, was die Leute eigentlich glauben, von Klar erwarten zu können. In einer politischen Zeit hat er politische Irrtümer begangen. Er hat dabei an das geglaubt, was er tut und er hat geglaubt, was er sagt. Und er tut es immer noch.
Natürlich scheinen Geisteshaltung und Rhetorik der RAF heute absurd. Die ganze Kultur, der ganze diskursive Raum hat sich gewandelt. Die Welt hat sich eben weitergedreht. Aber wenn Klar heute noch in dem selben Jargon die selben Ansichten ausbreitet, dann, weil die Welt sich ohne ihn weitergedreht hat. Wir haben ihn dazu ja schließlich eingesperrt.
Und so ist es die Zeitkapsel „Gefängnis“, die eben jene Ungleichzeitigkeit erst produziert hat, über die sich die Flachstirnigen heute so echauffieren.
Niemand (außer CSU und BILD) erwartem Reue. Reue ist kein Kriterium für eine Begnadigung. Kriterien sind viel mehr Führung, gewisse Distanz zu den Taten, Sozialprognose und ob Klar als Täter noch eine Gefahr darstellt. Köhler hat mit vielen Leuten gesprochen und viele Gutachten auf dem Tisch. Aufgrunddessen fiel seine Entscheidung. Inwiefern da der Druck aus der CSu eine Rolle gespielt hat, kann man nur vermuten (ich finde es durchaus wahrscheinlich). Jedenfalls geht es nicht darum, ob er Reue zeigt. Und bitte nicht vergessen, der Mann hat Menschenleben auf dem Gewissen. Ist es eine Entschuldigung, wenn er sich in einer Art Krieg wähnte?
das weiß ich alles selbst. ich bezog mich auf die immer wieder – und nicht nur von bild und csu – aufkommenden forderungen nach reue.
ich finde diesen ganzen diskurs so dermaßen verlogen und bigott, dass ich kotzen könnte.
zwei mörder. der eine wird ministerpräsident von badenwürtemberg, den anderen lässt man im knast verotten. und das nur, weil der erste für rassische reinheit kämpfte und der andere für eine gerechtere welt. so ist das. so ist deutschland.
Ich finde die Forderung nach Reue verständlich. Nicht zu bereuen heißt, die Tat gedanklich zu wiederholen. Nur kommt die Reue nicht auf Befehl, ist also kaum etwas, das sich einfordern lässt (es sei denn, man wünscht die öffentliche Selbstdemütigung im Lippenbekenntnis, was sicher einigen auch Spaß machen würde).
Als Filbinger Ministerpräsident wurde, hatte er eine „weiße Weste“. Erst Hochhuth hat seine Vergangenheit wieder ins öffentliche Bewusstsein gebracht. Jetzt wird Oettinger öffentlich getadelt, eben weil Filbinger nie bereut oder bedauert hat.
Ich finde es übrigens einen bedenklichen Fehlschluss, aus den guten Intentionen auf die Tatbewertung zu schließen. Wir können vermuten, dass auch Filbinger für eine „bessere“ Welt kämpfte: er irrte sich halt in seiner Bewertung. Klar sicher auch.
jge, mir ging es im Orginalbeitrag darum, den Zusammenhang von Zeitkapsel, was das Gefängis definitiv ist, egal was man sonst davon hält und dem kulturellen Wandel von politischen Ansichten transparent zu machen. Dass es eben nicht egal ist, in welchem Denksystem man sich befindet.
Diese Ungleichzeitigkeiten führen auch zu so bornierten Debatten über die 68er Generation. Klar wirkt das alles heut ziemlich albern und hystherisch. Aber wir leben heute in einer Welt, die so nicht wäre, hätte es diese alberne und hystherische Generation nicht gegeben. Die RAF hat das ganze nur eskaliert und hat dabei auch viele Unterstützer gefunden, die heute auch anders denken. Zurecht.
Filbinger hin oder her. Da gibt es endlos weitere Beispiele. Ein gutes war erst gerade bei Spreeblick. Die Bigotterie und die Blindheit auf dem rechten Auge ist kein Filbingerproblem sondern ein deutsches.
Zu den Intentionen: Bitte genauer lesen: ich sprach nicht von einer „besseren Welt“, was in der Tat sehr subjektiv ausgelegt werden kann, sondern von einer „gerechteren Welt“. Man kann über die Nazis sagen was man will, aber Gerechtigkeit stand nie auf ihren Fahnen.
Ich glaube, das Unvermögen, Klar zu begnadigen ist allein dem Populismus geschuldet. Es geht überhaupt nicht darum, ob er noch eine Gefahr für die Gesellschaft darstellt (bestimmt nicht, er war ja ein Überzeugungstäter und sein ganzer Bezugsrahmen ist ihm abhanden gekommen). Es geht einzig um die Reaktionen, die seine Freilassung in der Bevölkerung auslösen würde und wieviel Stimmen das bei den nächsten Wahlen kosten würde. Was die Blindheit auf dem einen oder anderen Auge angeht stimme ich dir zu. Wieveiel Alt-Nazis sind entlassen worden, weil sie ja ohnehin keinem mehr etwas tun können“, ohne jemals Reue gezeigt, oder die schwere Ihrer Taten eingestanden zu haben.
Es geht mir gar nicht so recht um das Gnadenersuch und Köhlers Reaktion. Ich hätte ihm eine andere Entscheidung zugetraut und er hätte bei dadurch gewonnen. Es geht mir um die Debatte im Umfeld, die so dermaßen, wie du richtig sagst populistisch war.
Köhler hat gut daran getan sich da rauszuhalten. Aber er hat es verpasst, ein Zeichen zu setzen, gegen diese Dumpfköppe aus der CSU.
Das ist für die CSU aber kräftig nach hinten losgegangen http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,481712,00.html
Das haben sie nun von ihrem bajuwarischen Profilierungswahn (schadenfreu)