Einer der eindrucksvolleren Beiträge auf dem Wordcamp, war sicherlich der über Bloggen und Recht, von Henning Krieg. Allerdings: in den rechtlichen Fragen des Bilderpublizierens (Persönlichkeitsrechte, Urheberrechte) konnte Krieg nicht wirklich präzise Antworten liefern, was freilich nicht an ihm lag. Das Gesetz ist dort so schwamming und veraltet, dass es eigentlich kaum Rechtssicherheit gibt.
Auf die Frage z.B., ob es nicht verboten sei, Graffities auf Hauswänden zu fotographieren, weil es Urheberrechte verletzt, war die Antwort: eigentlich ja, aber irgendwie doch nicht richtig. Eigentlich sei es gar verboten, ganze Häuser (Urheberrechte des Architekten) zu fotografieren, wohl aber Häuserreihen. Was aber (bisher) selten zu rechtlichen Konsequenzen führt. (Hoffentlich lesen hier keine Abmahnanwälte mit, die ich jetzt auf dumme Ideen bringe…)
Die Schwammigkeit und Unausgegorenheit dieser Gesetzeslagen ist dadurch zu erklären, dass sich die rechtlichen Probleme in diesen Bereichen bisher in Grenzen hielten. Die meisten privaten Aufnahmen landeten bisher bestenfalls in dem heimischen Fotoalbum. Heute, wo auch noch der unbedeutendste Schnappschuss im Internet veröffentlicht wird, und auf diese Weise ein potentiellen Millardenpublikum erreicht, oft noch mit den Metadaten (Was, wann, wo, wie) versehen, macht jedes Foto zum Politikum in einer rechtlichen Grauzone.
Krieg nannte diese Entwicklung recht treffend „Sichtbarkeit“. Diese neue Sichtbarkeit ist es, die zu im Internet all die neuen Probleme verursacht, die bisher eben nicht sichtbar waren. Denn, klar haben schon früher die Leute den einen oder anderen Mitmenschen als „Arschloch“ bezeichnet. Auch öffentlich, z.B. in der Kneipe.
Und auch die übelsten Schnappschüsse von Schnapsleichen in auf privaten oder öffentlichen Feiern wurden ohne Einwilligung und ohne einen Gedanken an rechtliche oder ethische Maßstäbe zu verschwenden, vorgenommen. War ja sowieso nur ein kleiner Kreis, der sie zu Gesicht bekam.
Die Sichtbarkeit ist das das eigentlich neue Paradigma. Oder besser noch: die Transparenz. Dabei ist diese Problematik, diese ich sag mal Ungleichzeitigkeit, gar nicht so neu, wie man denken könnte:
Über 3300 Jahre nach dem Tod des Pharaos Tutanchamun, soll die Todesursache und damit das Mordkomplott gegen ihn aufgedeckt werden. Mithilfe eines Computertomographen. Damals musste die Tat ungesühnt bleiben aber nun existieren die technischen Möglichkeiten aus dem gegeben Resten an Beweismaterial den genauen Tathergang zu rekonstruieren. Es werden Dinge sichtbar oder transparent, die vorher im verborgenen bleiben mussten. Das geht, in verschiedenen Intensitäten, seit Jahrhunderten so. Nicht nur in der Archäologie. Mordfälle werden durch immer exaktere Forensik von Wissenschaftlern aufgeklärt. Columbo war gestern. Heute gibt es CSI.
Was ich auf der Session leider nicht mehr einbringen konnte, war die Frage, wie Krieg einschätzt, dass sich die rechtlichen Probleme in dieser Hinsicht in Zukunft weiterentwickeln werden. Schließlich ist die technische Entwicklung ja noch lange nicht am Ende der Fahnenstange und mit ihr auch nicht der Grad Transparenz. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns da alle noch sehr umgucken werden.
Ich persönlich bin einerseits durch mein relativ gutes technisches Vorwissen und anderseits durch ein gewisses Misstrauen gegenüber kommerziellen Dienstanbietern relativ bewusst über den Umgang mit meinen Daten. Ich achte z.B. darauf, Bilder von mir, nicht unter meinem richtigen Namen ins Netz zu stellen. Überhaupt bin ich vorsichtig mit meinem Namen. Ich bin auch vorsichtig, welche Dienstanbiter ich wähle und versuche die Daten über mich, möglichst über unterschiedliche Dienste zu verteilen, um die Verknüpfbarkeit zu erschweren. Denn darum geht es: Verknüpfbarkeit. Ja, ich denke, ich habe eine ganz gute Kontrolle über meine Daten. Heute. Jetzt, zu diesem Zeitpunkt.
Ich bin aber vollkommen Macht- und Ratlos wenn ich an die zukünftige Verknüpfbarkeit denke. Wenn ich an Biometrische Geischtsanalysen denke und mir dies als Bildersuchmaschine vorstelle. Wenn ich Microsofts Photosynth (Video) sehe und mir vorstelle, wie sonstige Webanwendungen alle Bilder von mir und alle Bilder auf denen ich zu sehen bin, automatisch mit Metainformationen anreichern (genauer Ort, Datum, Urhzeit, Namen), die ich aus welchen Gründen auch immer, dort bewusst nicht angeben habe, bekomme ich es mit der Angst.
Denn das alles ist bereits in der Pipeline. Und in spätestens 2 Jahren wird man bei der Bildersuche im Web ein Foto von jemandem hochladen können und man wird daraufhin Fotos von diesem jemand finden, von denen er selber nicht wusste, dass es sie gibt. Es wird dann ein einziges Bild reichen, das mit richtigen Namen betitelt ist, um alle Fotos die es zu diesem Menschen gibt, der Anonymität zu entreißen. Einen Klick weiter wird man ein Exposee aller seiner Tätigkeiten im Internet erhalten. Themen, Freunde, Interessen, Adressen etc.
Man wird auch einen Crawler über einen Flickraccount laufen lassen können und ein ziemlich genaues Bild davon bekommen, wen er so kennt, und wo er sich aufgehalten hat. In sekundenschnelle.
Ein andere Beispiel ist Twitter. Twitter ist dermaßen gut durchsuchbar, dass es bereits unglaublich viele Drittanwendungen gibt, die aus den Twitterrohdaten Metadaten machen. Sie zeigen Dir, wo Du bist, wie deine Twitterzyclen so sind, mit wem du so kommunizierst, über welche Themen du schreibst, wie beliebt du bist, etc. Auch das ist noch lange nicht am ende. Google wird seinen aufgekauften Twitter-Metoo Jaiku noch mit seiner Lokalisierungsschnittstelle kombinieren und das ganze natürlich in Adroid, dem Mobiltelefon-Betriebssystem, implementieren. Die Nutzer werden es Google danken. Mit unvorstellbar vielen persönlichen Daten.
Aber das ist es gar nicht was mir Angst macht. Was mir Angst macht, ist das Verlieren der Informationshoheit über das was jetzt noch anonym ist. Man kann sich mit genügend technischem Sachverstand zu einem konkreten Jetzt immer in Sicherheit wiegen, doch den Archäologen der Zukunft wird nichts verborgen bleiben. Auch wenn man das Gefühl hat, eine Wahl zu haben und eine Kontrolle. Sie wird einem entglitten sein.