Die allgemeine Transaktionskostenparitätshypothese

Eben bin ich bei Wirres.net vorbeigesurft und seinen Artikel über das bezahlen von Journalismus kommentiert. Mich dabei an einen Artikel von Marcel Weiß erinnert und im folgenden eine These skizziert, die ich kurz mal aufschreiben will:

Also „Mentale Transaktionskosten“ ist das Wort von Marcel, das ich so toll fand und Diplix beschreibt das – ohne es zu nennen – so:

„die überlegung „mir ist das 50 cent oder 2 euro“ wert ist meiner meinung nach schon wieder viel zu kompliziert. ich glaube 50 klicks ohne diese überlegung, dafür mit weniger gesamtertrag, sind besser als 5 klicks die am ende eines „was-zahl-ich-jetzt“-prozesses stehen.“

Also nehmen wir doch einfach mal die „mentalen Transaktionskosten“ an und nehmen dazu „Zeitaufwendungen“ und die ganzen anderen nichtmonetären Aufwendungen, die mit der Abwicklung eines solchen Geschäfts einhergehen und bezeichnen sie als die allgemeinen Transaktionkosten für das Bezahlen einer Sache.

Und nehmen wir an, wir haben einen zweiten Wert, jedenfalls bei der Information, was die Weiterverbreitung angeht, die auch Transaktionskosten verursacht.

Tja, und seit dem Internet sind die Transaktionskosten für die Verbreitung von Information auf etwa 0 gesunken. Komischerweise will seit dem keiner außer Sascha Lobo mehr für Inhalte Geld bezahlen, obwohl auch er sich heftig und deutlich über die unverhältnismäßig hohen Transaktionskosten für den bezahlten Konsum beklagt.

Könnte es also sein, dass es sowas wie ein quasiökonomisches Gesetz gibt, das die allgemeinen Transaktionskosten der Verbreitung von Information sich paritätisch zu den Transkationskosten des Bezahlvorgangs verhalten müssen, damit überhaupt bezahlt wird?

Flattr jedenfalls zeigt, dass die Leute sogar völlig ungezwungen Geld in die Hand nehmen, wenn man die Transaktionskosten der Bezahlung auf die gleiche Höhe wie die der Verbreitung setzt (= 1 Klick).

Die Musikindustrie versucht es anders herum. Sie versucht die Transaktionskosten der Verbreitung künstlich zu erhöhen, um ihre hohen Transaktionskosten auf der Bezahlseite rechtfertigen zu dürfen.

Ich stelle das mal so als These in den Raum, unfertig, skizzenhaft. Vielleicht fällt euch ja was zu ein.

11 Gedanken zu „Die allgemeine Transaktionskostenparitätshypothese

  1. „Komischer Weise will seit dem keiner außer Sascha Lobo mehr für Inhalte Geld bezahlen“

    Sehe ich das richtig, dass du behauptest, es gäbe eine Kostenlos-Kultur im Internet? Ich sag’s dem Knüwer!

    Die mentalen Transaktionkosten liegen bei flattr keineswegs knapp über null. Dagegen spricht der langwierige Registrierungsprozess, den du in deine Kalkulation mit einbeziehen musst. Zur Zeit machen das die Leute, weil entweder a) selbst Geld aus dem System erhoffen, b) es gestern der heiße Scheiß der Blogosphäre war oder c) weil sie nett sind.

    Wird spannend, was passiert, wenn a) und b) wieder abspringen.

  2. @milhouse Lass mir doch die Polemik 😉

    Das mit den transaktionskosten der Registrierung ist richtig. Da sie aber nur einmal durchzuführen ist, gilt sie in der bwl als Fixkosten und spielen somit in Verlauf eine immer geringere Rolle. Wichtig sind die Grenzkosten und die sind nahezu ein Klick.

    Was die Motivation der Leute ist, zu Flattrn kann man sich gerne streiten. Tut aber nichts zur Sache, bei meiner Argumentation: Tatsache ist: es sind eben nicht in erster Linie die monetären Kosten, die die Leute abhalten für Inhalte zu bezahlen.

    (davon abgesehen glaube ich im gegensatz zu dir und Sascha Lobo (und mit Diplix) tatsächlich, dass die Leute es vor allem nutzen um zu geben, nicht um den Reibach zu machen. Auf die zweiteren kann man in der Tat eh verzichten.)

  3. Die Transaktionskosten zur Registrierung bei Flattr würde ich nicht unterschätzen.
    Außerdem gibt es zusätzlich bei vielen noch die Transaktionskosten sich bei Paypal zu registrieren, denn ja viele haben auch da keinen Account.

    Wenn man ein (vielleicht etwas zu simples) Aufwand/Nutzen-Verhältnis-Modell nimmt hat man einen recht hohen Aufwand für den Nutzen, „lediglich“ seiner Nettigkeit Ausdruck verleihen zu können.
    Solange nicht der Aufwand erheblich abgebaut wird (Lastschriftverfahren für Flattr) und eine Art soziale Norm des Verwendens von Flatt aufgebaut wird (so wie es auch die soziale Norm des Trinkgeldes gibt), glaube ich nicht, dass sich Microdonations durchsetzen werden.

  4. @zrendavir in der Tat. Ich würde sogar so weit gehen, dass ich kaum glaube, dass sich irgendwer nur wegen Flattr einen Paypal-Account angeschafft hat.

    Das mit dem „Nutzen“ ist eine sehr subjektive Sache. Wie gesagt, über die Motivation der Flattrer kann man derzeit kräftig streiten, aber darum geht es nicht.

    Die Sache ist ja auch eher, dass sich die allgemeinen, nichtmonetären Transaktionskosten anscheinend so weit wie noch nie gesenkt haben, durch Flattr. Klar ist da noch Luft, aber ich finde den bisherigen Erfolg der Strategie durchaus signifikant.

    Und natürlich hast du recht: wenn eine soziale Norm wird, dann wird es richtig interessant. Ich glaube das aber nicht, und hoffe auch, dass Flattr das nicht einführt. Die anonymität des Flattrns empfinde ich als sehr angenehm. Ich möchte keinen sozialen Druck in dieser Hinsicht spüren.

  5. Das ganze ist ja auch eng gekoppelt an das, was ich an anderer, leider verschwundener Stelle mal den „zweiten Markt“ genannt habe. Also dass es einen nichtmonetären Markt der Aufmerksamkeit gibt, in der Aufmerksamkeit die Ware ist und Information die Bezahlung, der somit den monetären Markt, der andersherum funktioniert, kaputt macht.

    In dem Zuge habe ich davon gesprochen, dass Google mit all seinen Produkten den Menschen „Aufmerksamkeitsaufwand“ abnimmt und die Differenz dann in Werbung wieder teilweise Abschöpft. Nun ist „mentale Transaktionskosten“ sicher das bessere Wort dafür. Google nimmt einem bei der täglichen Informationsarbeit „mentale Transaktionkosten“ ab und wandelt sie Werbeklicks um.

    Ebenso ähnlich, nur auf der anderen Seite, arbeitet Flattr. Es nimmt einem die „mentalen Transaktionskosten“ der Bezahlung ab und nimmt dafür eine Traummarge von 10%. Und die Leute sind bereit das sogar zu zahlen.

    Da sieht man zumindest im allgemeinen wie viel ökonomischer Wumms in den „mentalen Transaktionskosten“ so stecken. Das haben die Contentlieferenten überhaupt kein bisschen kapiert. Dass sie nur Dienstleister sind und sich nur das monetär abschöpfen lässt, was man dem „Kunden“ vorher eingespart hat.

  6. „das Wort, dass ich“
    „Komischer Weise“
    etc.
    etc.

    Kannst du nicht wenigstens EIN BISSCHEN auf Rechtschreibung achten? Hilfe.

  7. Die Idee ist bestechend einfach und einleuchtend. Was ist mit dem „Fremd content flattren“? Moral hazard zweiter Ableitung sozusagen.

    Die prinzipielle Frage aber könnte man auch ganz anders beantworten. Indem man die Binnenperspektive verlässt und den technischen Rahmen betrachtet. Die Telekoms leisten mit ihren Leitungen Beihilfe oder Vorschub für alle Transaktionen, ob bezahlt oder nicht. Frei nach der netten Beobachtung „der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus begann, als man aufhörte, die Hexen zu verbrennen, und statt dessen begann, die Banknotenfälscher aufzuhängen.“
    Die Telekoms könnten, in Ergänzung zu den Frequenz-Auktionen, mit einer bescheidenen Transaktions-Fee das Spiel vereinfachen. 1% vom Umsatz an die Verwertungsgesellschaften – und die haben mit metis u.ä. die Infrastruktur, die ab einer Mindestzahl von Besuchern zu Einnahmen verhilft. Ohne moral hazard, ohne Fixkosten auf Seiten der user und Urheber.

  8. carmen – Danke für die Hinweise. Ich hoffe, du hälst meine Rechtschreibung noch etwas aus.

    Hans Hütt – Ich finde die Hinweise auf “Fremd content flattren” immer ziemlich kleinlich. Überhaupt die ständige Angst davor, dass jemand mit etwas Geld verdienen könnte, was ich gemacht habe. Das ist ja rational gar nicht zu erklären. Eher reiner Neid, Mißgunst, Eifersucht? Jedenfalls etwas ganz verabscheuungswürdiges, niedriges.

    Sowas wie Leitungsschutzrecht oder Providergebür, die wieder alle zentral abgerechnet werden, finde ich persönlich immer etwas umständlich. Dann muss jeder wieder Mitglied bei diesen Verwertungsgesellschaften werden, Hürden, Bürokratie, Monster, Arrrgh. Nein nein. All das gilt es zu überwinden.

  9. Also grundsätzlich find ich ja die Ideen in Ordnung, und mit der Reduzierung auf einen Klick gebe ich dir Recht. Doch so euphemistisch dieser Artikel sich liest – vor kurzem bin ich bei Dr. Bahr auf eine Meldung gestoßen, die Flattr, Facebook like und Co im Deutschen Internet obsolet macht, so lange jedenfalls bis die datenschutzrechtlichen Fragen geklärt sind.

    Ich bin nämlich nicht Krösus und da kann der Weg noch so kurz sein, dass Leute nur einen Klick brauchen, um evtl. unseren Content zu bewerten, doch am Ende des Tages steht mir dann eine Abmahnung von X ins Haus. Was also tun, wenn man vielleicht sogar an dem schönen Modell mit den niedrigen mentalen Transaktionskosten partizipieren will, aber in Dtlnd. nicht darf?

  10. Wie auf Twitter erwähnt, das ökonomische Vokabular oben ist komplett irreführend.

    Eine erste Grundaussage ist – einfacher ausgedrückt: wenn man Kunden Transaktionen erleichtert, dann neigen diese dazu mehr Transaktionen zu tätigen. Siehe die One-Click-Einkäufe bei Amazon. Oder um einen noch profaneren Vergleich zu nehmen: das Zeitungs-Abonnement. Ich mag nicht jede Ausgabe lesen und wenn, dann auch nur wenige Artikel. Aber trotzdem gehe ich auf den Paketdeal ein.

    Dass das „allgemeinen Transaktionskosten der Verbreitung“ sich „paritätisch“ zu „Transkationskosten des Bezahlvorgangs“ verhalten müssen, halte ich für eine aus der Luft gegriffene These – besonders wenn man sie an Modellen jenseits des Flattr-Hypes misst. Was hier „paritätisch“ bedeuten soll, ist ein besonderes Rätsel – waren die Begriffe „relativ“ oder „äquivalent“ nicht biegsam genug?

    Der Apple Store und die PayPal-Preisliste zeigen, dass die Transaktionskosten im Informations-Einzelhandel astronomisch hoch sind. Apple kassiert Mal eben ein Drittel des Verkaufspreises – in welchem unregulierten Markt sind solche Margen drin? Im Gegenzug gab es ja genügend Geschäftsmodelle, die ähnlich wie Flattr aufgebaut sind, zum Beispiel die Musik-Flatrate von Napster.

    Um wirklich Flattr zu analysieren, muss man individuelle Präferenzen, Aufmerksamkeitsökonomie und Allmenden mit einbeziehen.

Kommentare sind geschlossen.