Partei my Ass

Eine Sache, auf der ich immer mal wieder rumkaue, ist unsere Demokratie. Ich bin nämlich der Demokratie ihr größter Fan. Und deswegen kann ich nicht aufhören, an ihren konkreten Manifestationen herumzukritisieren.

Ich wage die These: Einen waschechten und begeisterten Demokraten muss es heute ins Internet ziehen! Denn in diesem Internet wird er eine gelebte Demokratie vorfinden, die in der Realwelt Ihresgleichen sucht. Und sie wird anders sein. Radikaler und dennoch umsichtiger. Eine Demokratie die jedem seinen Platz und seine Freiheit lässt. In der kein Zuwachs von Freiheit des einen, die Freiheit des anderen beschneidet. Im Gegenteil!

Und wenn die Frage fällt, wie wir Demokratie organisieren sollen, dann hat das Internet derzeit die besten Antworten. Björn Grau hat auf Spreeblick die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Organisation gestellt (wir machen dazu auch einen Workshop auf dem Politcamp 09). Wie können wir Netzbewohner (Max windet ein, dass z.B. die Beschneidung des Netzes für einige von uns eher einer Amputation unseres Gesellschaftskorpus gleicht, denn einer reinen Einschränkung eines beliebigen Mediums unter anderen – also sofern wir bereits angefangen haben, unsere Identitäten in dieser sich manifestierenden Wolke aufzulösen, was ja vor allem durch Twitter auf eine gewisse Weise mit uns allen schleichend passiert…) – jedenfalls: wie können wir Netzbewohner unsere Anliegen und Interessen in den fucking Rest der Welt tragen?

Da stellt sich sogleich ein großes Problem. Wir – die Netzbewohner – waren nie ein Wir. Wir wollten nie ein Wir sein – ich gehe so weit zu behaupten: wir sind hier im Netz, eben um kein Wir sein zu müssen – und deswegen werden wir uns auch niemals eine Organisationsform geben. Eine, die uns mit anderen zusamen einschließt, unter einer Käseglocke, wo es dann sowieso unangenehm riechen wird, wo es ein Statut oder eine Satzung, ein Innen und ein Außen geben wird, das klar definiert sein würde. Eine Form, die uns zwünge, uns neben X zu setzen, obwohl doch X so ein Blödmann ist! Und wenn wir etwas beschließen, dann müssen wir uns einigen. Einigen! Das muss man sich mal vorstellen! Wir müssen alle Dinge durch dieses Nadelör des Konsenses zwängen, bis sich keiner von uns mehr mit den Ergebnissen identifizieren kann. Schlimm.

Nein! Das werden wir niemals tun. Und deswegen stellt sich die Frage nach einer Demokratie der Cloud. Und nach Lösungsansätzen, wie sich auch noch in Zukunft Menschen jenseits der JU-Hirnbasis für Politik begeistern werden. Dann, wenn die Welt eine Cloud ist, in der äußerste Individualität und absolutes Aufgehen in der Gesamtverschaltung aller Hirne kein Widerspruch, sondern ein sich Bedingendes ist!

Ich schweife ab. Jedenfalls ist es auf den ersten Blick evident, dass Parteien so ziemlich das letze sind, in das sich der typische Netzbewohner einklinken möchte. Der gesellschaftliche Wandel hin zum Individualismus ist nicht mehr rückgängig zu machen, im Gegenteil, er wird durch das Internet nochmal exponentiell beschleunigt.

Dies ist ein Wandel vom Angebotsmarkt der „Weltanschauungen“ hin, zum Nachfragemarkt der Lebensstile.

Damit meine ich mehreres. Oberflächlich gesehen, kann man feststellen, dass die Gesellschaft, als Parteien noch das Mittel der Wahl (zweifachkonnotiert) waren, um Demokratie zu organisieren, ein starres System war, in dem man als Individuum nur einige wenige Lebensentwürfe (mit Ideologie/Weltanschauung als Gratiszubehör) zur Auswahl hatte (dass man überhaupt eine Auswahl hatte, war ja bereits hart erkämpfte Emanzipation), in denen man sich dann den entsprechenden gesellschaftlichen Zwängen hingab. Die „Peergroup“ waren eben die Leute, die sich eben mehr oder zu weniger zufällig im eigenen geographischen Radius um einen herum gruppierten. Dazu kamen ca. drei soziale Schichten mit wenig Transfluktuation. Die wenigen „Exzentriker“ waren dazu noch „liberal“. Dass die Zahl der gesellschaftlichen Nenner begrenzt und sie selber sehr niedrigschwellig sein mussten, damit man sich nicht gegenseitig an die Gurgel springt, ist ziemlich Systemevident. Dinge mussten Kollektivistisch vorangebracht werden, alles hatte sich – mindestens – der Klasse unterzuordnen. Ja, das galt auch für die Bourgeoise!

Und nun, heute, haben sich die Optionen verdröftausigfacht! Mindestens! Nein, viel wahnsinniger: sie sind free floating! Die Menschen sind in jeder Sekunde immer wieder auf der Suche nach neuen Lebensentwürfen, Einstellungen und Ideen. „Individualismus“ ist angesichts einer zigfach und in tausend Teile zerschepperten Internetidentität geradezu ein Euphemismus! Es herrscht definitiv ein Nachfragemarkt nach Identitäten, und das obwohl die Wechselkursbindungen längst fallengelassen wurde.

Gut, also nehmen wir jetzt den ganzen Stuss da oben mal als gegeben an und mappen die zwei Systeme – Partei und Internet – in die Zukunft, dann wird es – nein, einen Knall wird es nicht geben – eher ein tiefes, gähnendes Desinteresse bei den … naja, wir halt. Die Demokratie würde an reinem Desinteresse sterben, oder an dem Überangebot an Vollspießern und Karrieristen, die die einzigen wären, die sich auf dieses Spießspiel noch einließen. Aber was heißt schon Zukunft? Das ist doch bereits jetzt so! In den Jugendorganisationen der Parteien engagieren sich bereits jetzt nur noch die dämlichen Streber, die doch eigentlich verkloppt gehören! Ach, was red ich.

Jedenfalls sehe ich da einen noch viel grundsätzlicheren Wandel auf uns zukommen. Wenn wir von einer, nach Derrida, „Demokratie l’avenir“ reden, also einer künftigen Demokratie, dann kann es unmöglich nur die Demokratie eines Demos (d.h. Volkes) sein. (zum ganzen Paradoxiekomplex des „Nationbuilding“, d.h. auch um das „Volk“, den „Staat“ und die „Repräsentation“ gibt es noch hier einen alten, verschwurbelten Text von mir) Das Demos ist der Demokratie doch längst entflohen! Bzw. es bildet sich auf so eine ganz neue Art neu. Im Netz. Ad Hoc. Zu jedem Thema ein je ein neues und verflüchtigt sich sogleich wieder. Das Demos der Zukunft ist kein geografisches, ethnologisches, genetisches, nicht mal mehr ein sprachliches. Das Demos der Zukunft ist eine instabile Wolke, das sich um ein Thema gruppiert, sobald es virulent wird. Es ist eine Memverabreitungswolke zum prozessieren teilgesellschaftlicher Semantik!

Früher wurde Politik für eine Gesellschaft gemacht. In Zukunft werden sich Gesellschaften für bestimmte Politiken einfinden.

Niemand wird mehr in einem Kompromiss leben wollen. Dann lieber in so vielen Gesellschaften, wie es die vielen eigenen Identitäten eben verlangen. Wie der Weg dahin ist, wird die Zukunft zeigen. Also wir. Und die nach uns. Aber wir müssen uns da was einfallen lassen. Machen wir. Auf dem Politcamp. Versprochen!

Antisteinmeier

Ich habe einen ziemlich konkreten Wunschkandidaten als Kanzler für die Bundestagswahl. Sein Name: Antisteinmeier. Ich unterstütze ihn, weil ich ihn für einen grundehrlichen Menschen halte und er in bisher allen Positionen ganz auf meiner Linie war. Hier ein Plädoyer für meinen Kandidaten.

Damals, unter Schröder, war er ein Gegner der Agendapolitik. Er hat versucht, das schlimmste zu verhindern. Leider hat er es nicht geschafft. Aber dafür tat er alles, der Deregulierung der Finanzmärkte entgegenzuwirken.

Außerdem rechne ich ihm hoch an, dass er sich persönlich für Murat Kurnaz einsetzte, als dieser in US-Folterhaft geriet. Sein selbstloser Einsatz verhinderte das Schlimmste und zeigte die innere, tiefere Moral und den Glauben an die Menschenrechte, die Antisteinmeier tief bewegt und antreibt. Meinen größten Respekt davor!

Ich finde auch die klare Abgrenzung zu Schröder gut. Man merkt sofort, da ist ein eigener Kandidat. Ein eigener Charakter. Der hat es nicht nötig, irgendwen zu imitieren, der hat eigene Ideen und ein eigenes Charisma. Eben kein blasser Schauspieler, sondern ein richtiger Typ.

Jetzt, da er ganz legitim durch das Votum der Partei – und nicht etwa an durch einen feigen politischen Meuchelmord – der Kanzlerkandidat der SPD ist, bin ich froh, dass man hier einen grundehrlichen Menschen aufgestellt hat. Es gibt ja andere, die die krasseste wirtschaftsliberale Umwälzung der letzten 50 Jahre in Deutschland an vorderster Front mitzuverantworten haben und jetzt aufs billigste auf den „Neoliberalismus“ schimpfen. Nicht so Antisteinmeier. Er räumt die Versäumnisse der SPD in dieser Hinsicht ein und gelobt Besserung und ist dabei eben umso glaubwürdiger, weil das ja schon immer seine Linie war.

Ich finde auch gut, dass er wegen seiner aktuellen Forderungen nach Mindestlöhnen und Reichensteuer die Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht ausschließen mag. Dazu muss man stehen können. Das muss eben dazugesagt werden, denn diese Ziele mit FDP oder Union erreichen zu wollen, würde ich ihm – und nicht nur ich – als angekündigten Wahlbetrug auslegen. Das ginge schließlich über billigen Populistmus weit hinaus.

Er ist auch ein Mann klarer Linien. Als seine Partei im Wahlprogramm ganz schwammig formulierte, man solle die reichen irgenwie mehr zur gesellschaftlichen und so, votierte Antisteinmeier für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer. Seine Begründung, dass man sich unglaubwürdig mache, wenn man diffus irgendwas fordert, dann bei konkreten Vorschlägen aber einen Rückzieher macht, teile ich voll und ganz. Sowas machen nur Schleimscheißer, die eh nie meinen, was sie fordern.

Überhaupt bin ich mit Antisteinmeier in so vielen Belangen d’accord. Seine Bemühungen für die Bürgerrechte (gegen Vorratsdatenspeicherung, gegen Überwachung, gegen Internetsperren, für Netzneutralität) lassen einen weitblickenden Mann der Zukunft druchscheinen. Dass er sich strikt weigert, Opel um jeden Preis retten zu wollen und das Geld stattdessen in Zukunfts- und Umwelttechnologien zu investieren, unterstreicht dies. Mit ihm, werden wir die Krise meistern.

Auch rechne ich es ihm hoch an, dass er sich bei der Pro Reli-Geschichte offen gegen die Kirchen stellt. Die endlich überfällige Trennung von Staat und Kirche, ist ihm ein persönliches Bedürfnis.

Ach, Antisteinmeier ist mein Kanzlerkandidat der Herzen. Vielleicht nächstes mal.

Lieber unbekannter Internetausdrucker, liebe unbekannte Worddateiverschickerin!

Ihr surft hier so rum, ja das sehe ich, immer mal wieder, hoch und runter. Ihr landet auf Spiegel Online, Google, StudiVZ oder Werkenntwen. Das ist diese andere Welt. Ihr ahnt vielleicht, da gibt’s noch mehr. Aber das ist alles sehr unübersichtlich. Und da gibt’s Viren und Trojaner und böse Menschen und Kinderpornos. Deswegen lasst Ihr das, mit den Touren durchs Web. Ist doch auch alles Ok so. Bitte weitermachen.

Nur habt Ihr deswegen ein entscheidendes Detail nicht mitbekommen: Ich bin hier der Hausmeister! Ich passe auf, dass hier alles keine Ordnung hat. Und ich werde Motherfuckingsteufelswild wenn hier jemand reinkommt und meint, dieses chaotische Durcheinander müsse man ändern.

Nein, meine Lieben! Dieses Chaos ist mein natürlicher Lebensraum! Er ist so wichtig für mich, wie für Euch die Farbsortierung Eurer Socken! Nein, wichtiger! Es ist mein Lebenselexier. Denn erst das Ordnungslose ermöglicht es mir, meine Ordnung rigoroser durchzusetzen. Denn die einzige gültige, die einzig wahrhafte Ordnung, das ist meine! Und – das möchte ich schweren Herzens dazu sagen – auch Eure!

Ich sehe, Ihr versteht nicht. Ich will das an einem Beispiel klar machen: an Euch. Ich weiß, Ihr seid hier in diesem Land in der Mehrheit. Euer Wille ist Demokratie. Euer Verstand leider auch. Ich muss leider mit Euch leben. Aber das ging in letzter Zeit ganz gut, denn ich hab das Internet. Dort kann ich Leute, die dumm sind, sehr leicht ignorieren. Und deswegen liebe ich das Internet.

Im Internet gibt es alle Dinge, die es auch im Rest der Welt gibt. Sie liegen dort eigenschaftslos vor sich hin, ohne sich darin gegenseitig behindern zu können. (Zu können! Das ist wichtig! Nichts steht vor dem anderen!) Das was man mag, das beobachtet man dann. Das was nicht, das ignoriert man. Das ist der beste Filter der Welt. Denn er filtert alles so, wie man es sich wünscht. Du filterst mich, ich filter Dich, Du Hirnbratze! Und alles ist super.

Kommt nun aber einer von Euch auf die Idee, es bräuchte einen allgemeinen Filter, dann ist das das alles futsch! Dann funktioniert weder mein, noch Dein Filter. Dann gibt es kein Nebeneinander mehr. Dann wird unser Wille ersetzt durch Steinklötze, die uns auf den Füßen stehen. Zusammen, dicht an dicht! Mein Mundgeruch direkt in Eurer Nase!

Ich finde, Ihr solltet Euch bemühen, Eure Ordnung von mir fern zu halten, sonst werdet ihr Euch mit mir beschäftigen müssen. Und – schlimmer – ich werde mich mit Euch beschäftigen müssen. Ich hoffe, Ihr seht ein, dass das nicht gut sein kann – weder für Euch, noch für mich.

Und jetzt, entschuldigt mich.

Und verpisst Euch endlich von meiner Website!

Tatort 2.0

Gestern erst war es, dass ich auf dem Webmontag die Idee vorstellte einen Tatort zu schreiben. Eine Idee, die wiederum erst vorgestern Nacht unter manchem Alkoholeinfluss und direkter Tatorteinwirkung entstanden war. Denn das war so:

Man traf sich im Hobs&Barleys zum gucken des aktuellen Tatorts des RBB. Ein relativ runder und gelungener Tatort btw., hier aus der schönen Hauptstadt. Es war wohl die abfällige Bemerkung von Kommissar Ritter, „Jaja [irgendwas mit Vokszählung] und heute stellt man seine Schuhgröße ins Netz„, die die Idee befruchtete.

Jedenfalls verhält es sich mit Tatörgtlichkeiten doch gemeinhin so: Komissare ermitteln einen Fall der sich zufällig in einem Milieu abspielt, das nicht nur den Komissaren, sondern auch dem Zuschauer zwar bekannt ist, aber außer einer Hand voll Vorurteilen kaum Relevanz geniest. Mit der fortschreitenden Handlung tauchen die Komissare dann immer tiefer und tiefer in dieses Milieu ein, überwinden eigene Vorurteile und nutzen zur Lösung des Falls sogar oft explizit die Milieueigenen Besonderheiten.

Kurz: der Tatort des RBB schreit förmlich nach einer Webszenenfolge! Die ganzen Geeks und Nerds werden immer sowas von vollkommen falsch dargestellt, sobald sie irgendwo massenmedial inszeniert werden. Da ist Aufklärung von Nöten. Außerdem bin ich überzeugt, dass die Ermittlung innerhalb und mit und durch Web2.0 Tools eine ganz eigene Dramatik erzeugen kann.

Die Idee ist nun folgende. Die Community selber bringt sich hier ins Spiel und schreibt das Skript für den Tatort kollaborativ selber auf. Mit der Hilfe von erfahrenen Dramaturgen, versteht sich. Ich bin jedenfalls bereits dick in Gesprächen und versuche das Projekt mal voranzutreiben. Ich weiß gar nicht, ob ich dann der richtige wäre, das Ding zu leiten und wäre gern bereit das in erfahrenere Hände abzugeben, aber das wird man sehen.

Jedenfalls hier also der digitale Wegmarker für Kommentare, Diskussionen und etc.

Digital Natives

Aus irgendeinem Grund hat mein Artikel vor allem Reaktionen hervorgerufen, die sich auf das Generationending bezogen. Neben den dreieinhalb altersbedingten Eitelkeiten einzelner, die ich so im vorbeigehen verletzt hab (sorry dafür), war vor allem die Frage nach den „Digital Natives“ von vitalem Interesse.
Ich habe gekämpft, geflucht und geblutet in den Kommentaren und dennoch sehe ich es als Notwendig, hier nochmal gesondert dazu Stellung zu beziehen. Denn die Geschichte der Digital Natives, ist eine Geschichte voller Missverständnisse.

1. Die Digital Natives sind keine Nerds.
Ich glaube, das sollte der zentrale Pfeiler sein, den man sich – aus unserer Perspektive – in den Gedankenacker rammen sollte. Das heißt nicht, dass es nicht auch in dieser Generation Nerds geben wird. Nein, das schon, nur ist der Glaube weit verbreitet, wir – die Twitterer, Blogger, Netcitisens – seien sowas wie die Vorhut dieser sich entwickelnden digitalen Generation, wir würden ihnen die Boden bereiten und die Pfade vortrampeln. Nein, das sind wir nicht. Wir machen unseren eigenen Scheiß. Das was uns als Gut und Richtig vorkommt. Nur bedenken wir dabei nicht, dass es ganz andere Wertmaßstäbe sind, die wir dabei anlegen, denn

2. Die Digital Natives ticken anders.
Und eben nicht nur anders als wir Nerds, sondern anders als unsere ganze Generation. Sie sind mit Youtubeclips aufgewachsen, betrachten alles und jedes (pop-)kulturelle Phänomen aus einer unredigierten Totalen heraus. Es gibt für sie keine Genres, Richtungen und zugespitzte Lebensstile. Alles wird als einzelnes Item kontextlos für sich betrachtet und – sofern interessant -nur in die jeweils eigenen Kontexte importiert. Alles wird als großes nebeneinander wahrgenommen und unsere Einordnungen, unser Kanon, der kulkturgeschichtliche Überbau in denen wir die Dinge zu betrachten neigen, all das wird für sie keine Relevanz haben.

3. Die Digital natives werden dennoch normaler sein, als wir
Sie werden nicht mehr im Internet hängen als wir, jedenfalls kaum mehr als wir Nerds. Wahrscheinlich sogar weniger. Digital Natives heißt nicht, dass der Internetkonsum sich intensiviert. Nein, er wird nur selbstverständlicher. Denn wenn wir ehrlich sind: Wir sind doch immer noch erfasst von der Strahlkraft dieses Mediums. Wir erliegen noch allzu sehr der „weil ich es kann„-Evidenz unserer eignen Handlungen. Wir sind Bastler und Spielkinder, die die Möglichkeiten und Grenzen des tollen neuen Spielzeugs ausloten. Das werden Die DNs nicht mehr kennen. Sie werden weniger Dinge aus nur dem Grund tun, weil man es tun kann. Sie werden das Netz viel gezielter nutzen, pragmatischer. Im Grunde weniger nerdig.

4. Wir werden die Digital Natives nicht mögen.
Denn sie werden sich nicht interessieren für unseren Spielkram. Sie werden unsere Blogs nicht lesen und keinen Sinn entwickeln für gute Tweets. Unsere Diskurse, speziell der um Datenschutz, wird ihnen so fremd vorkommen, wie aus einer anderen Welt. Und es wird uns immer weniger gelingen sie mit virtuellen zukünftigen Personalchefs zu ängstigen. Sie stehen gerade voll auf Social Networks. Das ist nicht advanced. Das ist nicht vorne dabei. Das will man eigentlich gar nicht lesen. Aber es ist ihr Leben. Kein Aufsatz auf ihr Leben, kein neues Spielzeug. Nein, damit wird ganz real und ganz konkret die Freizeit, die Freund- und Liebschaften und die Hausaufgaben organisiert. Dort wird gestritten, gezofft, gemobbt, gequängelt, genörgelt, gedisst, gteflirtet und was man eben noch so tut. Dort wird Erwachsengeworden.

5. Und dennoch sind sie wichtiger als wir.
Denn sie werden eben nicht ein paar wenige abgesprengte Hanseln ihrer Kohorte sein, so wie wir es sind. Nein, sie werden eine vollständige Kohorte sein. Und wo sie hingehen, welche Dienste sie nutzen werden, dort wird das große Geld verdient. Wie immer so ein Dienst dann aussehen wird.

Ein paar so genannte Gedanken zu Internet, Kultur und Krams

Ich hätte mal wieder Lust nachzudenken. Das hab ich jetzt öfter mal getwittert, aber unter 140 Zeichen kommt man ja nie dazu. Dazu all der andere Kram. Twitterlesung, re:publica und all das andere Lametta. Da aber dennoch Anflüge von Gedanken hier und da mein Gehirn durchzuckten – trotz Sonne und Frühling! – (obwohl wieso trotz: ich mal wieder am Tisch, draußen, im Cafe und/oder Restaurant, jedenfalls das erste mal dieses Jahr und dann gleich so Gespräche. Ja Gespräche, sind es dann wohl, die Gedanken fliegen lassen. Vornehmlich mit älteren aber auch mit jüngeren über all das hier und so. Und da merkt man dann erst wie unselbstverständlich das eigene Leben und kulturelle Umfeld doch so ist, und wie viel Vermittlung noch nötig.- hach, ich hatte ja gar keine Ahnung.) Und dann fällt auf, dass ich doch eine Sprache finden wollte für all dies. Eine Sprache, die mir zunächst die Uni brachte und versaute gleichzeitig. Eine, die sich in einen elfenbeinernen Turm der selbst zugesprochenen „Relevanz“ beweihräuchtere und – ich gebe es zu – in verschiedenen Dingen überlegen ist, aber eben doch eine gewisse Privatspache bleibt. Eine, die ich nicht mehr will, die auch vor allem schlecht ist, für die Dinge, die ich denken will. Es braucht eben eine Neue Sprache und wenn es die nicht gibt, dann muss man sie erfinden. Eine, die trennscharf genug ist, um am Gedankenknochen herumzuschaben, aber assoziativ und intuitiv genug, wenigstens intelligenteren Zeitgenossen zugängliche Bilder produzieren zu lassen. Vor allem eine Sprache, die keine Arroganz gegenüber Bildungslücken hat, denn es geht heute nicht nur um ganz andere Lücken, sondern um die Lücke der Bildungslücke zum Wissen der Zukunft. „Hä?“ Fragt ihr. Abwarten.

Es ist schon so, dass man in meinem Alter heutzutage in einer Achsenzeit lebt. Ich schieß mal so aus der Hüfte: Wer zwischen 1975 bis 1985 geboren wurde, sitzt auf unterschiedlichste Weise zwischen den Stühlen. Wir sind noch jung genug, bereits in unserer Kindheit mit Computern in Berührung gekommen zu sein und die grundsätzliche Herangehensweise mit der Digitalität erlernen zu können. Und dennoch war der eigentliche Umbruch das Internet und der mit ihm hereinbrechende kulturelle Tsunami, den wir irgendwie mitgemacht haben, ihn teils mit initiierten aber immer noch ein franksteinsches Fremdeln gegenüber unserem eignen Monster verspüren. Wir ritten eben auf dieser Welle, und nannten es treffend „surfen“. Andere werden es schlicht „Leben“ nennen.

Es gibt diesen Gap zwischen Menschen wie uns und den so genannten „Digital Natives“. Doch noch größer ist der Gap zwischen all jenen vor uns und den Digitalgeborenen. Das aber macht es uns zur Verantwortung als Mittler zu fungieren. Wir kennen beide kulturelle Welten, kennen uns darin aus und wir spüren die Unterschiede. Die Aufgabe, die ich sehe, bringt es vor allem mit sich, die eine von der anderen Kultur zu scheiden und die Unterschiede aufzuzeigen. Wir sind es, die die Lobbyarbeit der Netzkultur besorgen müssen, bevor sich die Generation vor uns an ihr vergreift und die Generation nach uns nur noch echauffiert drüber twittern kann. Über VPN-Tunnel und Proxy-Gateways.

Wie ich darauf gekommen bin? Ach, ich hab mal wieder Plomlompom gelesen. Er, der weitaus näher an den besagten Digital Natives dran ist als ich, wofür ich ihn immer beneide, spürt dieser kulturellen Lücke gekonnt im Unterschied zwischen Simpsons und Familyguy nach. Ich finde das immer faszinierend, wie er trotz seiner Radikalität dennoch für solche feinen Unterschiede empfänglich ist und die „alte Welt“ zu deuten versteht. Ein wahrer Achsenzeiterianer, aber schon mit Binärblut in den Venen.

Eigentlich wollte ich etwas ganz anderes berichten, was aber immerhin auf ein Gespräch mit Plom zurückzuführen ist. Denn bei all den Metaphern, die für das netzkulturelle Leben gefunden werden können, hakt es ja immer an dieser mangelnden Zuspitzung. Das Netz, das ist das schwer verständliche, das Netz gibt es nämlich gar nicht. Es ein nebeneinander – nicht nur von vielem – sondern von allem. Und Nebeneinander heißt hier etwas anderes als man es sich bildlich vorstellt in der Welt der geometrischen Körper, die physischen Raum begrenzen. Im Netz ist alles mit allem benachbart, so absurd es sich anhört. Und deswegen ist das Netz eben nicht, nicht nur weil es so vielfältig ist wie nichts anderes, sondern weil ihm jegliche Eingrenzung, Zuspitzung und Metaebene fehlt, an dem man es festmachen könnte. Der wissenschaftliche Text über die Allegorie bei Flaubert mit „Two girls, one Cup„. Alles Nachbarn, niemand, der darüber steht. Niemand der Relevanz, Ort, Redaktion vorgibt.

Und deshalb – und so langsam nähern wir uns meinem eigentlichen Thema – bin ich nach Berlin gekommen. Berlin ist ein bisschen wie das Internet. Zugemüllt und demokratisch am Boden. Am Gesamtboden, könnte man sagen. Die Verwirklichung des allgemeinen Grundbodens. Natürlich ist es das nicht, aber vielleicht eher noch als andere Städte und in jedem Fall mehr als Hamburg. Und hinzukommt die schiere Größe. Und das interessante an Größe ist ja nicht nur die hohe Zahl, sondern ein kulturelles Phänomen, dass es seit dem Internet im catchigen Begriff „Long Tail“ gibt, dass aber älter ist und sich schon im viel älteren Begriff der „Urbanität“ niedergeschlagen hat.

Ich sag mal so: Wenn man sich für ein exotisches Thema interessiert und dort vor allem für ein Spezialgebiet. Wenn es dann aber nur ein von vielen Leuten nicht bemerkter Aspekt in dem Spezialgebiet ist. Und wenn dieser Aspekt ein Detail beinhaltet, dass nicht mal in der gängigen Literatur der einschlägigen Fachkreise erwähnt wird, dann gibt es in Berlin mindestens ein Theaterstück darüber.

Skaliert man die Anzahl der Menschen, so skaliert man eben auch die kleinsten Nischen zu… , ja zu? Genau: Märkten. Das hat in Großstädten schon immer gut funktioniert, in Berlin erst recht. Wahrscheinlich, weil Berlin ebenso wie das Internet der neue Westen ist. Ein Eldorado voller Gold und Scheiße. Oder nur Scheiße, die golden glänzt. Oder sowas. Jedenfalls zieht es die Leute an. Bestimmte Leute. Abenteurer und Freaks.

Aber man sieht schon hier in Berlin das Problem der realweltlichen Nachbarschaft. Trotz subkulturellem Ballungszentrum muss man für seine gestern erfundene Musikrichtung immer noch zwischen zwei Clubs in Prenzlauer Berg und Neukölln hin- und herwechseln. Fahrtzeit 45 Minuten! Ich möchte gar nicht wissen, wie das in Tokio so abgeht.

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist das Netz nun mal einfach das bessere Berlin. Und deswegen habe ich meinen Lebensmittelpunkt auch lieber dorthin verlagert. Denn man stelle sie sich einfach mal vor: die unendliche Stadt. Sie kann wachsen ohne Platzprobleme und selbst wenn sie bereits 10 mal größer ist als Tokio, ist man dennoch nur einen Klick entfernt, von dem, was man noch zu entdecken gedachte.

Ich finde diese Zukunftsvision, die ja längst Realität ist, faszinierend und eigentlich sind die daraus abzuleitenden Forderungen niemals radikal genug. Vor allem was die Vermittlung angeht. Ich glaube fast gar nicht, dass ich in solcher Radikalität überhaupt befähigt bin nachzudenken, was das gefälligst für die Bildung zu heißen hat. Die Lücke zwischen Kompetenz und Bewertung sind aber sicher selten so sehr auseinander gegangen wie derzeit. Beispiel: Während die Kids in Dingen geprüft werden, die längst in der Wikipedia jederzeit mit dem Handy nachschlagbar sind, langweilen sie sich über Programmiersprachen wie „Turbo Pascal“ im „Informatikwahlfach“. Es ist natürlich ein strukturelles Problem, dass wir nicht die Lehrer haben, die die Kinder eigentlich brauchen würden. Aber nicht mal das scheint mir in den Institutionen begriffen worden zu sein. Geschweige denn der überquellenden Überflüssigkeit von „Institutionen“ an sich. Tja, wie auch?

Aber das betrifft natürlich den gesamten Bereich dessen, was wir Wissen nennen. Das betrifft die Form, die wir dem Wissen geben, wie wir es es ordnen oder eben nicht. Man wird da noch tiefergehende und damit meine ich philosophische Überlegungen anknüpfen müssen über Wissen und seine Form. So wie Foucault einst, aber weit darüber hinaus. Evident ist zum Beispiel, dass jegliches Kanonisieren von Wissen keine Zukunft haben kann (Die Lücke zur Wissenslücke). Dass Wissen die Form einer Oberflächenspannung annehmen wird, nivelliert und doch immer agil, aber sich zugleich T-1000desque zum personalisierten Datenmodell fügen wird – genau in der Gestalt wie wir es brauchen werden, solange wir die richtigen SQL-Statements an es richten.

Ach, über all das würd ich so gern nachdenken. Genauer, präziser, aber gleichzeitig auch schnodderiger, unterhaltsamer, persönlicher. ich geh dann mal weiter auf Twitter meine Sprache versauen!

NACHTRAG:

Nein, ich bilde mir nichts ein, über die sagenumwobene Generation der „Digital Natives“. Ich habe überhaupt gar keine Vorstellungen über sie, wie sie lebt, liebt, arbeitet und vor allem wie sie ihre Welt organisieren wird. Ich fände es auch unangemessen und arrogant mir das zurechtzulegen.

Ich weiß nicht, ob diese Generation einen Vorteil oder einen Nachteil an ihrer Spätgeburt tragen wird. Ich weiß nicht ob da bessere oder schlechtere Menschen hervorgehen werden, die mehr oder weniger Kriege führen werden. Ich weiß nur, dass sie unsere Welt, unsere Institutionen und Vorstellungen ablehnen werden. Dass es ein tiefes Missverständnis geben wird un zwar zurecht.

Ich glaube indes nicht, dass sie uns ähneln. Ich glaube nicht, dass die DN twittert oder bloggt, nicht mal, dass sie eines Tages Twittern oder Bloggen wird. Ich bin mir fast sicher, dass wir die Digital Natives nicht erkennen werden, wenn sie vor uns stehen. Und noch sicherer bin ich, dass wir sie nicht mögen werden.

Aber wir sollten dennoch nett zu Ihnen sein. Das hier ist ihr zu Hause.

re:publica 09 – ein später, verwirrter Nachklang

So. Ich bin so langsam wieder aufgewacht, in diesem komischen Nach-Re:publica-Loch. Es ist gar nicht mal so, dass man die ganze Zeit sein Leben darauf ausrichtet, jedenfalls nicht nur aus Vorfreude. Wenn man dann dafür auch noch Dinge vorbereiten muss, hat das alles doch einen ganz anderen Stellenwert (Auch wenn man das einer Twitterlesung nicht auf den ersten Blick ansieht, es ist eine ganze Menge Arbeit.)

Jedenfalls wacht man danach auf, aus so einem monothematischen Koma und schaut sich um, im Netz. Und da gibt’s dann ganz viel Genöle, nein, nicht über uns, wobei: auch, aber egal, sondern über das ganze Konzept so einer Konferenz. Von „Nabelbeschau“ ist dann die Rede, von „Selbstreferenzialität“ und es wird die Frage gestellt, warum die Leute denn nichts besseres zu tun hätten, wo doch die Welt so dolle im Arsch sei. Andere wischen Vorwürfe dieser Art mit einer gewissen Berechtigung in die Problemfelder der üblichen Berufsnöler ab. Ich hingegen kann das sogar bis zu einem gewissen Punkt verstehen. Zumindest, dass das eine oder andere radikalere Element auf so einer Konferenz nett gewesen wäre, vor allem wenn man sich in irgendeiner Weise als „Avantgarde“ begreifen will. Und wer von uns will das nicht? Eine solche „Avantgarde“, eine die weiter geht, die neue, vielleicht unperfekte Ideen, aber radikal neue Ideen des Zusammenlebens entwirft, die war sicher weniger vertreten. Und das trotz des enormen kreativen Potentials, das dort vertreten war, und natürlich ist das schade! Aber liegt das wirklich an der Konferenz? Hätten uns Fefe und F!xmbr an ihren Welt -rettungs- und/oder -neuordnungsplänen teilhaben lassen, wenn sie vor Ort gewesen wären? Wenn man sie brav gebeten hätte? Büddebüddebüddee! Hätten sie überhaupt welche gehabt? Oder Leute gekannt, die welche haben? Ich hab da so meine Zweifel.

Ich habe auch meine Zweifel, ob so eine Konferenz überhaupt der richtige Ort für sowas sein kann und ob wir Blogger, elektronische Quasselstrippen die wir nun mal sind, die richtigen Leute für sowas sind. Dass wir, diese schimpfende und geifernde Horde tatsächlich integerer, klüger und mutiger sind, als die Politiker da die draußen wirklich verantwortlich sind und ob es nicht ein wenig vermessen ist, solche Ansprüche an so eine Bloggerkonferenz überhaupt zu formulieren? Aber klar doch. Wünschen würde ich es mir schon. Und aufgehört zu hoffen, hab ich auch nicht.

Ich habe aber nicht das Gefühl, dass die re:publica, jedenfalls dieses Jahr 2009 im Stande gewesen wäre, solcherart Forderungen auch nur annähernd zu erfüllen. Ich würde mir das auch wünschen, ich wäre auch dabei, ich würde mir den Arsch dafür aufreißen, aber solange sowas nicht in Sicht ist, reicht es mir ein paar Tweets vorzulesen und ansonsten ein paar nette Nerds kennen zu lernen.

Und das hat ganz wunderbar geklappt. Danke!