Das Ende von Twitter

Damals, vor einem knappen Jahr, am 14 April 2008, lud mich Cem Basmann ein, ein paar Fragen zu Twitter zu beantworten. Als ich fertig mit den Antworten war, hatte ich ein unbefriedigtes Gefühl in der Magengegend. Ich hatte noch nicht alles gesagt, was mir auf der Zunge brannte. Also fügte ich eine eigene Frage hinzu und beantwortete sie:

Zugefügt: Was stört dich an Twitter?

Dass öffentlich einsehbar ist, wem ich followe. Da gibt es schon ab und an Eifersüchteleien und einen Rechtfertigungsdruck, den ich nicht sehr schön finde. Viele nehmen das persönlich wenn man sie entfolllowt, was ich auch verstehen kann. Geht mir auch so, wenn ich entfollowt werde, von Leuten, die ich mag. Aber im Grunde ist das Schwachsinn, denn es hat viel weniger mit Sympathien zu tun, als der reinen Aufmerksamkeitsgrenze. Ich twittere halt gerne und viel, manchen eben zu viel. Da muss ich mit leben, dass das sich das einige nicht antun wollen. Andere scheinen aber größere Probleme damit zu haben und können damit nicht umgehen. Deswegen bin ich dafür, nicht mehr anzuzeigen, wer wem followt.

(Überhaupt geht mir das ganze Followergewichse mittlerweile ziemlich auf Nerven. vielleicht sollte man die Zahl auch nicht anzeigen)

Ich glaube, das war lange vor den Twittercharts. Und das war sehr lange bevor es einen Medienhype gab. Ich wusste damals nicht, was das oben beschriebene Problem für Folgen zeitigen würde. Heute kann man es aber recht gut beobachten.

Zusammengefasst: niemand hört irgendwem noch zu. Jedenfalls tendentiell.

Ich habe jetzt schon mit vielen gesprochen, die 1000 und mehr Leuten folgen. Fast alle geben umwunden zu, dass sie gar nicht mehr reinschauen, in ihre Timeline.
Ein neuer Trend macht sich breit. Ein harter Kern von 20 Twitterern wird per RSS abonniert. Andere behelfen sich mit einem follow-only-Account. Manchen ist eigentlich alles egal und sie „senden“ nur noch. Das Followingprinzip auf Twitter wurde in weiten Kreisen also komplett ad absurdum geführt. In den Twittercharts befinden sich nur noch wenige Leute, deren Followings man irgendwie noch ernst nehmen kann.

Ich selbst beobachte, dass sich meine Followerzahl seit dem Interview zwar fast vervierfacht hat, meine Reichweite sich aber in dieser zeit nicht mal verdoppelt hat. (Was man an den Klicks sehen kann, die ein Hinweis auf einen Blogartikel oder so bringt.) Klar, da sind sicher auch viele Karteileichen unter meinen Folgern. Aber ich glaube ziemlich sicher, es hat damit zu tun, dass viele meiner Follower gar nicht mehr lesen, sondern nur noch schreiben.

Und es ist ja auch Einträglich. Es ist zum Sport geworden, wahllos durch die Accounts zu streifen und rumzufollowen. Wer nicht innerhalb der nächsten 10 Minuten zurückfolgt, wird wieder entfollowt. So kann man seinen Account schnell aufpimpen.

Und natürlich bleibt einem ein Follower auch einfach treuer, wenn man ihn brav zurückfolgt. Ich kann auch verstehen, dass manche aus purer Angst wieder entfolgt zu werden, niemanden entfollown wollen. Oder sich gezwungen sehen, zurückzufolgen. Ich weiß nicht, wie oft ich mich fragen lassen musste: „Warum folgst du mir denn nicht/nicht mehr?“

Das alles ist zum Massenphänomen geworden. Jeder versucht sich so hoch wie möglich zu pimpen. Ich hab mich vor kurzem über den ganzen Kram wirklich aufgeregt. Aber natürlich hat das alles keinen Sinn. Auch weil ich mich auch nicht völlig davon ausnehmen will. Natürlich ist es mir nicht egal, wie viele Follower ich habe und ich bin in den Twittercharts auch bald nicht mehr vertreten, was irgendwie schmerzt. Dieser Eitelkeitskatalysator ist bereits im Medium integriert und das ist ein strukturelles Problem.

Ich glaube, es ist unumgänglich. Twitter wird daran zugrunde gehen, früher oder später. Es gibt derzeit eine riesige „Sendeblase„. Ähnlich wie die Kreditblase ist sie aufgrund eines Vorurteils entstanden. So wie die Banken glaubten, die steigenden Hauspreise würden die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden erhöhen, glauben die Twitterer, dass ihnen bei steigenden Followerzahlen immer mehr Menschen zuhören würden. Sie glauben an die Zahl der Follower und sie verwechseln das mit Reichweite. Wohlwissend, dass sie selber ja eigentlich niemandem mehr zuhören. Sie müssten es eigentlich wissen, dass Twitter längst angefangen hat, sich von einem Kommunikationsmedium zu einer Statustuningwerkstatt zu entwickeln. Aber wenn sie es merken, stürzt die ganze Awarenessblase in sich zusammen.

Ich weiß nicht, was nach Twitter kommen wird. Das Prinzip der Shortmessage wird sich vermutlich weiterentwickeln, denn ich halte es für erfolgreich. Auch das Followingprinzip ist im Kern durchaus zukunftsträchtig. Aber ein potenzieller Nachfolger sollte darauf achten, die Eitelkeit der Leute nicht so sehr zu bedienen, wie es Twitter getan hat. Sonst wird auch dieser Dienst am Allzumenschlichen ersticken.

Twitter vs. Twitter

Über Hype und Phänomen hatte ich einst im Zusammenhang mit Myspace vs. Second Life geschrieben. Es gibt einen Unterschied zwischen einem Phänomen und einem Hype. Er ist eigentlich ganz leicht zu erkennen:

Wenn man einen Dienst vor sich hat, der ganz offensichtlich highend, scraped edge, die krasseste Technologie mit den kühnsten Träumen der Menschheit zu einer super sexy multiuser Megasause in 3d vermischt, so dass sich die Berichterstattung überschlägt – aber dennoch niemand hingeht, dann hat man es mit einem Hype zu tun.

Wenn ein unscheinbarer Onlinedienst vor Wachstum und Userzahlen explodiert, ohne dass man das, was der Dienst anbietet irgendwie in sinnvolle Worte kleiden kann und es von nahezu allen Medien trotz seines Erfolgs schulterzuckend ignoriert wird, dann hat man es mit einem Phänomen zu tun.
Wenn sich in einem Raum ein Bedürfnis Bahn bricht, von dem vorher niemand wusste, dass es existiert, nicht mal die Erschaffer des Raumes selbst, dann ist es legitim vom Phänomen zu sprechen und es vom Hype zu trennen.
Don, jedenfalls, ist dennoch der festen Meinung, es bei Twitter mit einem Hype zu tun zu haben (sehr unterhaltsam). Ich bin da anderer Meinung. Als Gastautor bei den Blogpiloten.

Du User – Das Ende des Web2

Ein „User“ ist jemand, der etwas benutzt. Sein Gegenüber ist also der „Provider“, der das genutzte bereitstellt. In den weiten des Web verwischt diese Grenze sehr häufig. Ich bin User bei Blogger.com, der mir die Möglichkeit gibt selber Provider zu sein. Es gibt also, gerade im Web2.0 eine Provider/Userkette, in der beinahe jeder beides ist. 

Damit wären zwei Rahmenbedingungen abgesteckt: 
1. Ein User ist jemand immer nur für jemanden in einer bestimmten Situation.
2. Ein User ist in diesen Momenten ein Abhängiger des Providers. Der User ist verschuldet. Bis über beide Ohren.
Auf das Web2.0 bezogen kann man also festhalten, dass in der Provider/User Kette sich immer der „Dienst“ befindet, der sich mit dem Label Web2.0 behaftet. Und zwar als Provider. 
Hat da jemand „Marx“ geschrien?
Die emanzipatorischen Potentiale des Web2.0 wurden oft genug in die Höhe gelobt. Der „User“ so das Verprechen, stände von nun an im Mittelpunkt des Geschehens. Der User der nicht eben mehr „nur“ User sein sollte, sondern „Prosumer“, jemand, der neben dem Konsumieren auch noch produzieren sollte. Dem damit auch eine andere Stelle eingeräumt werden würde.
„Du User“.

Die positive Aufladung des Userbegriffs ist aber eine Ablenkung. Der User bleibt immer verschuldet. Die Web2.0 Apologeten versuchen uns nur einzureden, dass das ja gar nicht schlimm sei und sie uns dennoch ernst nehmen würden. Klar. Ist doch genau diese Verschuldungssituation ihre Geschäftsgrundlage. Ganz egal, wie sie dann abbezahlt wird: Bezahldienst, Werbung, Datensammeln, etc. Die Schulden werden eingetrieben werden.
Das, was uns als Befreiung verkauft wird, ist nichts weiter als eine weitere Gängelung auf Raten. Noch sind die Gängelungen klein und unauffällig gehalten, aber schon jetzt weht der Wind rauer. Sei es das Datensammeln bei Facebook, das einschränken der Rechte bei Usern, die nicht bezahlen, das vollkleistern mit Werbung. Die Provider fordern ihren Tribut. Und sie sind noch nicht saniert.
Das Ende
Der Traum ist aus, die Euphorie dahin. Das kann man schon jetzt deutlich merken. Die einzigen die noch schreien, sind die, die noch auf die Kohle warten. Das Web2.0 ist akribisch bemüht sich in die klassische Ökonomie einzureihen. Und das soll jetzt schnell gehen. Es muss.
Was bleibt? Eine ganze menge Dienste. Bisher. Manche davon sogar sinnvoll, manche zum Scheitern verurteilt. Was mit diesen Diensten geschehen wird, wird sich zeigen. Aber überall steckt Kapital drin und überall wird man versuchen es irgendwie möglich wieder herauszubekommen. Und nein. Google kann nicht alles kaufen. Und wir werden die User sein. Die User im abfälligen Sinne des Wortes. Dann doch wieder. Klickfieh, Datensatz, Spamadresse. 
Was – komme was da wolle – bleibt, sind die Ideen. Die, die sich durchgesetzt haben. Wenn der letzte Web2.0 Dienst den Weg zum Teenieconatiner gemacht hat, einige an Geldmangel eingegangen sind, andere zur Werbehölle verkommen sind, werden diese Ideen weiterleben. 
Die nächste Stufe
Und zwar in der nächsten Stufe der Webevolution. Man kann das am ältesten Web2.0 Hype bereits festmachen: Blogs. Blogs haben sich längst vom Web2.0 abgespalten. Jeder kann seine eigene Software auf seinem eigenen Server installieren. Außerdem gibt es so dermaßen viele erfolgreiche Blogprovider, dass sich allgemeine Standards herauskristalliesiert haben. Komementare, Blogroll, Trackbacks funktionieren größtenteils über Systemgrenzen hinweg. Und zwar ganz einfach über das alte System der Links. Niemand ist hier wem hörig, das Angebot ist zu groß und vielfältig, als dass sich Blogprovider etwas herausnehmen könnten. Und mit einer Selbstinstallation eines Systems kann man sich völlig unabhängig machen.
Das heißt: Die Zukunft gehört den offenen Standards. Niemand braucht mehr einen Dienst, oder eine Plattform für all das, was gut gewesen sein wird, im Web 2.0. Denzentrale mit einander kommunizierende Social Networks. Standartisierte Twitterdienste auf RSS-Basis, lokalitäts-spezialisierte Blogsuchmaschinen ersetzen Qype, etc. Das alles kommt schon in Bewegung (siehe Opensocial, Jabber, WordPress, OpenId) und wird noch jedes Geschäftsmodell – auf Dauer – im Orkus verschwinden lassen.
Erst wenn die Standards Einzug gehalten haben und die Geschäftemacher damit ihrer Grundlage beraubt sind, werden all die Utopien möglich, von denen jetzt schon alle schwärmen. Der zivilgesellschaftliche Diskurs auf Augenhöhe. Die Befreiung des Users durch die Aneignung der Produktionsmittel.

Dieses Blog – Neuerungen

Von Zeit zu Zeit verändere ich hier einige Dinge, ohne dass der eine oder andere davon mitbekommt. Blogroll updaten, Dienste hinzufügen, Dienste weglassen. Das übliche.

Manchmal werden es ein paar Sachen mehr und dann halte ich es für angebracht darauf hinzuweisen. So wie heute.

Die wichtigste Neuerung ist sicherlich, dass ich meine Feeds nun ungekürzt in den Äther schicke. Ich hoffe, dass damit kein Unfug geschieht und dass die Leute dennoch hier mal ab und zu auf mein Blog kommen. Was ich nämlich daran nicht mochte, war, dass ich keine Übersicht habe, wer und wieviele das hier lesen. Aber man muss auch mal Kontrolle abgeben können. Feeds sind an sich eine tolle Sache und auch ich lese Feeds auch immer am liebsten im Reader. Also was soll’s.

Die nächste Sache ist das Mehr an Anonymisierung. Leider leben wir in einem Land, in dem die freie Meinungsäußerung am liebsten ausschließlich auf dem Papier existiert. Ich wusste das zwar schon vorher und habe auch nie unter meinem Realname gebloggt, aber in meiner kleinen bescheidenen Hütte, glaubte ich mir Verweise auf meine reale Existenz erlauben zu können. Jeder, der herausfinden wollte, wer ich bin, konnte das mit wenigen Klicks tun. Mit zunehmenden Leserzahlen, wird mir das aber auch schon unangenehm. Jetzt kann es immer noch jeder herausfinden, aber es ist ungleich schwerer. Und ja, ich weiß dass mich einige von Euch bereits beim Namen kennen und wem ich im realen Leben begegne, wird auch weiterhin meinen Namen gesteckt bekommen. Ich möchte Euch aber bitten meinen Wunsch nach Anonymität zu respektieren. Ich bin mir sicher, ich kann Euch vertrauen.

Es geht ja schließlich auch nicht um Euch, meine geschätzten Leser, es geht um googlende Anwälte oder deren Praktikantinnen, die meinen im Copy-Paste-Verfahren Fließbandabmahnungen rauschicken zu müssen. Aber 600 Euro sind schlicht zu wenig Geld, wenn man einen halben Tag Recherche investieren muss. Recht ist heute oft einfach eine Frage der Grenzkosten.

Zudem geht es mir dabei auch vor allem um befreites Schreiben. Ich will nicht darüber nachdenken müssen, wie und ob irgendwas auf mich zurückfällt. Die Schere im Kopf ist immer schon präsent, man kann sie nur stumpfer werden lassen. Das will ich versuchen. Klar weiß ich auch: was man hier im Web macht, ist eh jenseits jeder Kontrolle des Autors und schon jetzt werde ich sie verloren haben. Demnächst. Aber man muss es den Leuten (oder Bots) ja nicht noch leichter machen.

In diesem Zusammenhang geht es vor allem um die Verknüpfungen von Identitäten. Es ist ja momentan der heiße Scheiß all seine Identitäten zusammenzufügen. OpenSocial, Facebookapi, Noserub. Mir ist das bisweilen unangenehm. Meine Gefühl lenkt mich in die gegenteilige Richtung. Businessidentität, politische Identität, philosophische Identität, Befindlichkeitsidentität, Bildidentität, Aufenthaltsortidentität. Klar ist es praktisch, mache dieser Identitäten zu aggregieren. Aber warum muss man das? Ich denke, man sollte dort auch seine Grenzen ziehen. Ich jedenfalls will das tun. Ich finde gut, dass ich für verschiedene Sachen, verschiedene Dienste nutzen kann. Diese Daten zusammen zu führen, wäre eine Macht über mich, die ich niemandem anvertrauen würde. Und dabei ist es auch ein Unterschied ob ich mir Feeds als Widget ins Blog tue, oder ob die Daten alle automatisiert in einer zentralen Datenbank erfasst werden.
Es geht mir hier um die Freiheit der Entscheidung, was wie öffentlich ist. Nur meinen Realname ist Ok. Nur meine Bilder ist Ok. Nur meine Meinung ist Ok. Nur meinen Standort ist Ok. Alles zusammen ist der Untergang der Privatsphäre.

Ich habe alles in allem auch die Seitenleiste neu organisiert. Ich würde gerne auf die Feeds hinweisen, vor allem den Podcastfeed für iTunes, weil das irgendwie so professionell wirkt. Podcasten mag meinetwegen tot sein, mir macht es aber immer noch vor allem eins: Spaß.

Darum wird es mir auch übrigens weiterhin gehen: Meinen Spass. Und sonst nix. Was mir das alles aber darüber hinaus noch versüsst, das seid Ihr, geschätzte Leser. Deswegen auch die ganzen Entgegenkommen, die ich so Feedmäßig arrangiert habe. Wer jetzt meint, hier noch was zu meckern zu haben, kann das gerne in den Kommentaren tun. Ich werde mal schauen, was sich machen lässt. Dennoch bleibt es dabei: Das hier ist kein Wunschkonzert. Hier herrscht weder Demokratie noch Meinungsfreiheit. Das hier ist meine Diktatur, ich bin der Zampano in den Grenzen meines kleinen Blogs und ich bin unerbittlich, wenn man diese Freiheit in Frage stellt. 😉

Dialog statt Einigung / Freundschaft statt Gemeinschaft


Bild von Cem Basman
Vor erst ganz kurzer Zeit bin ich auf ein sehr junges, aber nichtsdestotrotz interessantes Blog gestoßen. WILLYAM beschäftigt sich scheinbar vornehmlich mit „postmodernen“ Fragestellungen. Das tut er aber auf einer sehr kritischen Basis, was ich sehr begrüße. Denn die Kritik ist nicht plump, wie die übliche „Irrationalismus“-Kritik die von der anderen Seite des Ozeans oft herüberschwappt, sondern vor allem ethisch motiviert.

Jedenfalls hat sich sogleich ein fruchtbarer Dialog entfaltet, der hier seinen Ausgangspunkt nahm und dort mündete. Meine Antwort auf seinen letzten Beitrag habe ich dort schon im Kommentar abgefasst, macht sich aber hier genauso gut, da ich eh vorhatte über das Thema zu bloggen:

Ein ganz vortrefflicher Streitpunkt ist das. Denn bei dem Begriff der „Gemeinschaft“ hört unsere Gemeinschaft auf. Nicht aber, und das ist wichtig, unser Dialog.

Wie Du siehst, ist der Dialog nicht an Gemeinschaft gebunden. Ich würde sagen, das Gegenteil ist der Fall. Der Dialog ereignet sich ausschließlich in der Differenz.

Ich bin für Dialog. Und gegen Gemeinschaft. Gemeinschaft in einem Sinne, wie wir sie institutionalisiert zuhauf vorfinden und sie immer nach dem Schema F abläuft: Man versammelt sich unter einem Namen, gibt sich ein Gesetz und wählt sich seine Vertreter. Ob Staat, Terroristenzelle, Rockband, Partei oder Unternehmen. Es ist alles das gleiche.

Nein. Dafür stehe ich nicht zur Verfügung. Das konnte ich noch nie leiden. Kompromiss, Mehrheitsmeinung, Unterwerfung, Weisung und Zugehörigkeit sind keine Konzepte für mich. Oft mit Leuten zwangsvergemeinschaftet, mit denen ich nicht mal ein Bier trinken würde. Und ich denke, das alles wird auch bald nicht mehr notwendig sein.

Denn wenn es eine Postmoderne gibt, dann ist sie gerade erst im Anmarsch. Sie wäre eine Kommende, wie Derrida sagen würde. Und so, wie Derrida würde ich auch auf ein ganz anderes Gemeinschaftsmodell hoffen. Ein Gemeinschaftsmodell jenseits der Gemeinschaft. Eines, das einen nicht einfasst in etwas anderes, über einem Stehendes.

Das wäre die Politik der Freundschaft. Freundschaft STATT Gemeinschaft.

Ja, ich weiß. Irgendwie fremd und doch ganz banal. Ich habe Beziehungen zu Menschen. Nicht zu Organisationen, Verbänden, etc. Auf die Beziehungen zum Menschen kommt es mir an, auf jede einzelne. Und niemals wird man diese fassen können in einem Begriff, der sie alle versammelt und ihnen ein Gesetz aufdrückt.

Im Internet kann man diese Organisationsform, die völlig ohne Organisation auskommt, bereits super beobachten. Durch Buddylists oder Blogrolls ergeben sich komplexe Netzwerkstrukturen aus miteinander kommunizierenden Individuen in denen niemand seine Individualität, seine Meinung oder sich selbst einer Räsion unterordnen muss.

Und ich bin mir sicher, dass sich dieses Modell irgendwann politisch bemerkbar macht. Und ja, ich bin mir sicher, es ist das Modell der Demokratie von morgen, in der niemand mehr seine Stimme _abzugeben_ braucht, sondern sie nutzt, um direkt in den Diskurs einzugreifen. Und dann wäre Politik dort, wo sie hingehört: beim Einzelnen und seiner Verantwortung.

Das wäre also mein Standpunkt: Dialog statt Einigung. Freundschaft statt Gemeinschaft.

Mein erster Podcast

Jörg und ich haben beschlossen jetzt ab und zu Podcasts zu machen. Das Konzept sieht folgendermaßen aus: Wir überlegen uns Themen, löten uns einen rein und quatschen per Skype (er in Berlin, ich in Hamburg) einfach drauf los.

Demnächst (Wenn Jörg eine Webcam hat) wird es das dann auf Video geben, sicher auch ohne böse Aussetzer und blödes Rumgestammel. Man soll ja im Allgemeinen besser werden.

Heute geht es erstmal um den ganzen 9to5 Diskurs. Wir reden über die Ansätze, die Holm angerissen aber leider nicht weitergeführt hat. Werbung, Freundschaft, Demokratie, Web2.0-Strategien und das Politische.

Viel Spass!!!



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Links:
Spreeblick und die SPAM Aktion
Marcel Weiß‘ Artikel über Facebook

Ipernity now

Meinen Flickraccount hatte ich ja schon länger abgeschossen. Alternativen gab es zwar genug, nur, welche sollte ich nehmen? Ich habe also die ganzen Erfahrungsberichte studiert, die so in der Blogosphäre herumgeistern, aber getraut, mich wo einzurichten, hab ich mich nicht. Nach längerem Abwarten allerdings kristallisierte sich Ipernity immer mehr als Alternative heraus. Man konnte der Schwarmintelligenz praktisch beim denken zuschauen. Und da die ja immer recht hat…

Also nahm ich mir ein Herz und einen ganzen Batzen Fotos und bin da jetzt einfach mal eingezogen. Und tatsächlich: hier hab ich gleich auf Anhieb viel mehr Fotos reingestellt, als ich je in Flickr drin hatte. Irgendwie fühlt es sich besser an. Obwohl das Look&Feel beinahe 1zu1 bei Flickr geklaut ist, wirkt es für mich ansprechender. Was sich extrem viel besser anfühlt ist aber vor allem die Geschwindigkeit. Das war etwas, was bei Flickr ungemein genervt hat und ich merke jetzt bei Ipernity, was Flickr hätte sein können.

Einige Features fehlen allerdings noch. Die PostByEMail-Funktion ist derzeit noch in der Entwicklung und ein „Blog this“- Button wäre auch verdammt praktisch. Web-Widgets fürs Blog vermisse ich auch, oder hab ich die nur nicht gesehen? (Die wollen wohl aber, dass man das hauseigene Blogsystem nutzt, deswegen kann das auch gut berechnend sein. Was soll sowas? Das funzt bei Myspace schon nicht.)

Jedenfalls hat es mich gepackt. Ich hab Stunden damit zugebracht tonnenweise Daten drauf zuschaufeln. Sind jetzt zwar zeitlich durcheinander aber für meine Verhältnisse super getaggt und in Alben gefasst. Sogar gegeotaggt hab ich die meisten Bilder. Ein paar Videos hab ich auf drauf gestellt.

Eine andere Sache, die ich mit dem Account vorhabe, ist eine Art Sammelstelle für Fotos aus dem Freundeskreis einzurichten. Da meine Freunde zum großen Teil nicht besonders netzaffin sind, ist das nämlich nicht so einfach. Da wäre erstmal die Überzeugungsarbeit, sich einen Account einzurichten. Die – berechtigte – Angst, was mit den Bildern von einem geschieht, etc. Also hab ich die meisten der Freundesbilder auf Friends-Only gestellt und haufenweise Invitations rausgeschickt. Rückkehrquote ist bisher eher mau. Aber mal sehen.

Und ja. Ich hab richtig Bock jetzt regelmäßig meine Bilder darauf zu stellen. Das hatte ich bei Flickr irgendwie nie. Also: Ab jetzt, gibt’s hier regelmäßig Fotos und Videos von mir.

Und da das alles was ich vorhabe so viel ist (datenmäßig), hab ich mir gleich einen Pro-Account gegönnt. Mein erster Web2.0 Pro-Account ever. Mal schauen ob ich das irgendwann bereue.

Der Hype und das Phänomen

Es ist sehr schwierig zwischen Hype und Nicht-Hype zu unterscheiden. Gerade im Internet. Oft braust ein Thema von null auf 100 in Höhe, mal wird vor Überhypeung gewarnt, ein anderes köchelt vor sich hin, kocht plötzlich über und trotzdem redet keiner darüber.

Alle fragen sich: Was ist ein Hype? Oder was ist der Hype im Hype? Selbst die hartnäckigsten Web2.0 Gegner können nicht umhin da etwas… zu spüren, was jenseits des Hypes liegt.
Und selbst die hartnäckigsten Befürworter können nicht umhin, einen oder mehrere Hypes zu wittern.
Alle sind sich also einig: Es gibt Hype. Und es gibt da … etwas anderes.

Arbeiten wir uns an zwei sehr konkreten Beispielen ab, bei denen der Vorwurf des Hypes immer wieder in der Luft liegt: Myspace und Second Life.

Die beiden Beispiele könnten unterschiedlicher nicht sein. Ich skizziere sie kurz:

Myspace ist eine jenseits aller Vorstellungskraft schlecht gemachte Communityplattform. Sie ist strafbar unbedarft programmiert, strotzt vor Bugs, ist extrem Benutzerunfreundlich und grottenhäßlich designed, dazu immer schlecht erreichbar und sieht insgesamt aus, wie ein Computer-AG Schulprojekt. Man kann dort Benutzerprofile anlegen und sie wegen eines Bugs im System auch selber – in gewissen Grenzen – durch HTML und CSS-Injections designen, was meist zu noch hässlicheren Seiten führt, als sie standardmäßig vorgegeben werden. Dafür kann man Videos und Bilder hochladen, MP3s einhängen und ein Blog führen (was, glaube ich, so ziemlich keiner macht). Man kann sich eine Freundesliste anlegen, mit Leuten, die der Profilpage dann mit graphischen Kommentaren den geschmacklichen Gnadenstoß versetzen. „Freunde“ bedeuten aber auf Myspace grundsätzlich nichts, oder nur die Geltungssucht des Profilbetreibers, der meist alles added, was ihm unter den Mousezeiger kommt.

Second Life ist eine 3DWelt, eine zweite Welt im Internet, in der man seinen Avatar durch die Gegend steuert und dabei umglaubliche Handlunsgsfreiheit genießt. Es ist ein ambitioniertes Projekt, alles abbilden zu wollen (Orte, Leben, Handlungen, Kommunikation), was es im „Meatspace“ auch gibt. Nur eben ohne Beschränkungen. Es ist recht leicht sich mit der Steuerung und dem Interagieren mit Leuten und Dingen zurechtzufinden, und die Idee des Streamings von 3D Daten ist tatsächlich revolutionär. Es ist aufwendig designed, sehr durchdacht und funktioniert erstaunlich gut. Es ist nebenbei die Erfüllung des Traumes der „Virtual Reality“, jenem Schlagwort der 90er – und dem „Cyberspace“, der feuchte Traum aller Sciencefictionfantasien von Lem bis Gibson. So, nicht anders, hat man sich das vorgestellt, mit dem „virtuellen Raum“, der eine Alternative bietet zum Hier und Jetzt, ein neues Land der unbegrenzten Möglichkeiten. In Second Life kann man leben, lieben, sprechen, tanzen, grinsen, Dinge bauen, Dinge verkaufen und… natürlich fliegen! Nach und nach werden alle möglichen Datenformate eingebunden, Videostreams, Audiochat, etc. Dem Wachstum steht nichts entgegen.

Schaut man sich die Berichterstattung an, ist es ganz klar und folgerichtig was da passiert.

Myspace? Was ist das? Aber Myspace wuchs derweil mit rasanten Zuwachsraten. Erst als Myspace so groß war, dass man es nicht mehr ignorieren _konnte_ wurden die Medien aufmerksam. Und erst als Rupert Mudoch es für 580 Mio Dollar kaufte, war allen schlagartig klar, da war etwas hinter ihrem Rücken im Gange, was sie nicht verstanden. Es gab Berichte, immer mal wieder, das Thema war präsent, aber dennoch konnte Myspace immer wieder überraschen. Dass es jetzt zum globalen Ballungsort der Musikscene weltweit (und immer mehr der Krerativ-Scene insgesamt) wurde, ist immer noch nicht allen klar. Die Macht von Myspace ist so gewaltig, dass man kaum ein Künstler sich noch erlauben kann, dort nicht präsent zu sein. Myspace ist kein Karriereanschubser mehr. Es ist eine unabdingbare Notwendigkeit für die Karriere, egal auf welchem Höhenstand der eigene Stern gerade steht. Die Community, so viel ist sicher, wird die Macht über die Charts erlangen, früher oder später.

Second Life hingegen war von Anfang an ein Liebling der Medien. Second Life sei das neue Internet, war überall zu hören. Second Life werde alles Dagewesene in den Schatten stellen. Second Life ist die Zukunft des Internets, des Lebens und überhaupt von allem.
Die Medienvertreter überschlugen sich praktisch mit den Lobhudeleien, den Zukunftsprognosen und den Erwartungen.
Man kann dort Leute treffen, die man sonst nie treffen würde„, „man kann dort mit den anderen kommunizieren und Freundschaften knüpfen“ überschlugen sich die Kommentatoren, nichtahnend, dass die Leute das im Internet seit jeher machen. Ohne 3D drumrum.

Nichtsdestotrotz zögerte kaum ein Medienunternehmen gleich eine eigene Dependance in Second Life zu errichten, um präsent zu sein, wenn die von ihnen prophezeiten Userströhme eintreffen werden. Jetzt sind sie alle da. Alle großen Namen. Und warten. Sie warten immer noch.
Zwar hat es das weltweite volle-Breitseite-Medienberichterstattungs-Stahlgewitter, das viele Monate bis heute anhält, geschafft, die registrierten Nutzer auf über 6 Millionen zu treiben, dennoch sind nie mehr als zwischen 15 und 38.000 User online. Die meisten sind Neugiere, die meist nicht wiederkommen.
Ein mickriger Provinzzwerg gegen Myspace, das mit weit über 100 Millionen Usern und mehreren hunderttausend Neuregistrierungen täglich eine enorme Aktivität verzeichnen kann.

Wie kann man diesen Zusammenhang greiflich machen? Wie kann man diese Diskrepanz und diese Fehlurteile in Worte fassen. Vielleicht mit einer Differenzierung:

Myspace ist ein Phänomen. Im Grunde gibt es nichts, was seinen Erfolg und seine Macht rechtfertigen würde.

Second Life, was immer es auch kann – soviel darf man wohl heute sagen – ist ein reiner Hype.

Es gibt einen Unterschied zwischen einem Phänomen und einem Hype. Das Phänomen ist unberechenbar. Es bricht sich seinen Weg bahn, weil es etwas anbietet, was die anderen nicht anbieten. Den Un-Raum für Kontingenz. Es gab dem Zufall statt, einem Zufall, der sich im Nachhinein als Notwendigkeit herauskristallisieren wird.

Es brauchte so etwas wie Myspace. Aber nicht mal die Gründer und Architekten dachten im Traum daran, was das sein könnte. Sie kannten Myspace schließlich auch gar nicht, als sie es sich ausdachten. Sie kannten es auch nicht, als sie es launchten. Myspace ist nicht von ihnen, sondern von ihnen ist nur das Haus in dem sich ein Bedürfnis als Ereignis Bahn brach, das man heute „Myspace“ nennt.

Second Life schien sehr evident und sogar wortwörtlich genau das zu tun. Ein Haus zu bauen für ein Bedürfnis, das wir alle kennen: ein zweites Leben. Der Erfolg schien für viele vorbestimmt., gerade weil die Metapher hier so greifbar erschien. So plastisch.

Aber das Internet braucht keinen Körper. Das Internet brauch keinen „Raum“. Das Internet braucht nichtmal schön aussehen. Das Internet will im Gegenteil den Raum auflösen, dort, wo er er überflüssig ist. Es will den Taubenzüchter zum Taubenzüchter bringen, den Fan zum Popstar, den Spinner zur Verschwörungstheorie. Das Internet ist eine zweite Welt, aber nicht als Abklatsch der ersten Welt, sondern als etwas anderes. Etwas ganz anderes. Als einen Sturz, einen Fall, einen Zufall der jeder Vorraussagbarkeit entgeht, aber – im Nachhinein – die absolute Notwendigkeit dargestellt haben wird. Etwas was sich dort ereignet, wo die Wege kurz sind und die Schranken hackbar. Dann kristallisiert sich – vielleicht – etwas heraus, was ich beschlossen habe „Phänomen“ zu nennen und es dem Hype gegenüberzustellen.

Twitter

twitter ausprobiert. blöd rumgeschrieben. heut morgen rausposaut, ich würde laufen gehen. es dann tatsächlich getan. find ich gut. schlimm: die auswirkung auf die schreibe. hoffe das wird wieder.

Was ich (auch) immer schon sagen wollte,

war, dass die Zukunft des Internets in der Konvention liegt.

[EDIT: Was auf der Hand liegen sollte. Schließlich ist alles, was das Internet heute bestimmt, einzig und alleine den Konventionen zu verdanken: Vom TCP/IP über HTML bis hin zu RSS]

Es braucht keine noch so sofisticated programmierten Foren, Plattformen und Social-Networks. Es braucht einfach nur freie Schnittstellen zum Gruppieren, Connecten, Publizieren und Kommunizieren. Also praktisch sowas wie Trackbacks und RSS, nur ausgefeilter, vielseitiger und weit verbreiteter. Das wird die Zukunft sein und eben keine in sich geschlossenen, zentralistischen Plattformen, bei denen man die Rechte seiner Inhalte und dazu noch seine persönlichen Daten abgeben muss. An ein Unternehmen, das meist nicht mal im selben Nationalstaat existiert.

Hier bringt all das Marc Canter wild fuchtelnd auf den Punkt:

[via]

Und wenn die ganzen VCs meinen, solchen Plattformen jetzt noch Unmengen Geld in den Hintern pumpen zu müssen, dann bin ich nur überzeugter. Die haben sich schließlich schon immer geirrt.

Nene, Leute, Geld verdienen im Internet tut man auch in Zukunft kaum. Denn sich zu einigen kostet halt einfach nichts. Und wenn sich die Leute einig werden, dann ist euer Geschäftsmodell von heute auf morgen im Arsch! Und das nenne ich dann die wirklich neue Ökonomie.